Das Utopia Island in der Nähe von Moosburg war für mich gleich in zweierlei Hinsicht ein erstes Mal: Ich war noch nie auf einem Festival in Bayern und auch noch nie auf einem reinen Elektrofestival. Entsprechend studierte ich erstmal verschiedene elektronische Musikrichtungen, denn trotz nur einiger tausend Besucher bietet das idyllisch am See gelegene Festival genug Acts, um zwei Tage lang fünf Floors zu füllen.
Es sollte sich allerdings schnell zeigen, dass das vergebliche Liebesmüh war. Wie in vielen anderen Genres erfreuen sich auch und gerade diejenigen großer Beliebtheit, die verschiedene Stile mischen. So kann man kaum einen der Acts, die ich an diesem Wochenende genießen durfte, in eine einzelne der eng umrissenen Schubladen der elektronischen Musikrichtungen stecken.
Bevor dem aber an der bunt gemischten Main Stage direkt zu Beginn die Krone aufgesetzt wurde, hatte ich noch Gelegenheit, das liebevoll gestaltete Gelände zu besichtigen. Direkt an der Endstation des Shuttlebusses befindet sich das Utopia Village zur linken und das Konzertgelände zur rechten Seite, nur wenige Meter voneinander entfernt. Auf dem Campinggelände wird man mit einem Dancefloor und diversen Shops empfangen, die typisch bayerische (Leberkäse und Brezen) und festivaltypische Kost (Pizza) anbieten. Anders als bei vielen Festivals sind hier die Preise allerdings keineswegs niedriger als auf dem Konzertgelände. Die Wege sind nach den Elementen des Festivals benannt und ausgeschildert, auf dem kleinen Zeltplatz verläuft man sich aber ohnehin nicht so schnell. Jede der kleinen Straßen verfügt über eine große Zahl Dixis, so dass es dort nie zu Schlangenbildung kam (anders als bei den Duschen).
Das Konzertgelände begrüßt die Besucher ebenfalls direkt mit Musik: Direkt hinter dem Eingang warten der See, angelegte Sandwege, Fotoboxen und Grußtafeln und der Heart-Floor. Dort wird größtenteils entspanntere Musik ohne harte Beats produziert – entsprechend verweilen hier vor allem diejenigen, die mal eine Pause brauchen oder einfach in der Sonne liegen wollen, die meisten sind aber nur auf der Durchreise.
Der freundlichen Begrüßung bleibt das gesamte Gelände treu. Am See kann man sich in einen riesigen transparenten Wasserball stecken lassen und versuchen, darin übers Wasser zu laufen. Der Strand lädt zum Verweilen ein, auch Sonnenliegen sind aufgestellt worden. Gegenüber der Main Stage kann man sich an einer Slackline versuchen. Alle Wege sind mit Sand oder Holz ausgelegt und mit schicken Schildern oder liebevoller Deko versehen, in der Fressbudenmeile herrscht Biergartenatmosphäre. Es ist wirklich schön hier und nicht selten sieht man Festivalbesucher einfach herumliegen und der Musik etwas abseits lauschen. Bis Sonntagabend spielt da auch das Wetter mit, strahlender Sonnenschein und blauer Himmel haben auch mir einen Sonnenbrand beschert.
Gegen 17 Uhr am Freitag ist aber erstmal Musik fällig. Captain Capa sind von der Warped-Tour zurück und erweisen uns auf der Hauptbühne die Ehre. Die „Fire Stage“ mit dem Echtholzparkett ist der einzige Ort, an dem an diesem Wochenende Bands im klassischen Sinne zu sehen sind – wenn man bei Captain Capa denn davon sprechen möchte. Immerhin haben die beiden auch eine E-Gitarre mitgebracht, die gelegentlich zur Verwendung kommt. Insgesamt werden wir aber doch eher mit tanzbaren Beats und eingängigen Rhythmen bespaßt, sowohl Tracks aus dem aktuellen Album „Foxes“, als auch „ältere“ Songs werden gespielt. Nicht im Programm ist Nirvana – obwohl Daniela, die spontan und eiskalt den Graben überklettert und die Bühne stürmt, „Smells like Teen Spirit“ einfordert und die Capas damit doch ziemlich verwirrt.
An dieser Stelle eine Anmerkung: Das Utopia Island bevorzugt Bandfotos von eigens ausgewählten Fotografen. Entsprechend gibt es diesmal nur eine kleinere Auswahl von Fotos der Live-Acts. Da es bei elektronischer Musik aber generell weniger zu sehen und mehr zu hören gibt, glauben wir aber, dass ihr darüber hinweg kommen werdet.
Durch die umfangreichere Instrumentierung der Acts auf der Fire Stage kommt es hier auch öfter zu Umbaupausen, was auf den Dancefloors größtenteils vermieden werden kann. Währenddessen füllt sich das Parkett zusehends – auch wenn Claire nicht ganz so hart touren wie Captain Capa, profitieren sie doch eindeutig von rasant ansteigender Beliebtheit und natürlich auch vom Regionsbonus, denn von ihrer Heimatstadt München ist das Utopia Island nicht weit entfernt. So sind mir hier als einziges Fans aufgefallen, die mit riesigen Plakaten angereist sind oder Luftballons umgestaltet haben.
Der Auftritt enttäuscht dann auch nicht. Die Show büßt durch die frühe Tageszeit etwas von ihrer Effektgewaltigkeit ein, der großartige Sound geht aber trotzdem direkt in die Beine. Mit ihrer brückenschlagenden Musik zwischen poppigen Melodien und wuchtigen House-Sounds sind die Münchner am frühen Freitagabend durchaus gut platziert. Wir tanzen zu „Games“, fühlen uns „Invincible“ und beim druckvollen „Resurrection“ brechen schließlich sogar die ersten Bohlen des Parketts. Claire ihrerseits sind ausgesprochen erfreut über den Besucheransturm und das schöne Setting im beginnenden Sonnenuntergang und so ist ihr Konzert eine unangestrengte, ausgelassene Party und ein schöner Einstieg in ein Festival voller elektronischer Musik.
Wer nun noch nicht den Sprung in den Rave wagen mag, bleibt an der Fire Stage zu Milky Chance, mich zieht es aber nun endlich ins Aura-Zelt zu Dumme Jungs. Die treten noch nicht ganz so minimalistisch auf wie die meisten Acts, die im Laufe des Festivals noch folgen sollten, und mischen auch durchaus mal Samples bekannter Rocksongs in ihre Techno-Tracks. Hier würde Daniela auch „Smells Like Teen Spirit“ finden und ich freue mich sehr über „Heads Will Roll“ von den Yeah Yeah Yeahs. Dazu passt auch das Dumme Jungs-Outfit mit den roboterartigen Armen, die mit zahlreichen LEDs bestückt sind, in verschiedenen Varianten leuchten und sogar Nebel ausstoßen können. Der Technosound überwiegt nun aber doch und ich löse mich von dem Gedanken an Vocals, die immer weniger werden und mehr Raum für den Beat lassen.
Noch weiter reduziert wird der Sound bei Torsten Kanzler im Terra-Zelt. Passend zum Namen gibt’s hier nun etwas, was ich als „bodenständigen Basis-Techno“ bezeichnen würde. Wenig verschiedene, knackige Sounds, mehr Kick als Bass, viel Druck und nicht so viel Tempo und lange Loops, die nach und nach variieren, aber wenn man nicht darauf achtet, merkt man es kaum. Eine interessante Erfahrung und für eine Stunde auch gut anzuhören, aber danach schreit mein Gehirn nach mehr Herausforderung und da kommt Kölsch gerade recht.
Weit entfernt von der Herkunft des gleichnamigen Erfrischungsgetränks macht Kölsch für mich den Abschluss des Freitags. Soundtechnisch geht es wieder entspannter zu, der geneigte Besucher – und es sind ziemlich viele geworden an der Hauptbühne – kriegt weniger spitze Sounds an den Kopf geknallt, dafür mehr melodische Verläufe und etwas, was mich an die Karibik denken lässt. Gelegentlich kommen sogar die Vocals zurück. Wer die semibegeisterte Tänzerin auf der Bühne ist, die ständig im Nebel und manchmal auch ganz verschwindet, weiß man nicht so genau (vielleicht hat Daniela es nochmal an der Security vorbei geschafft), ist aber auch egal. Was auf der Bühne passiert, ist sowieso nicht so wichtig, was zählt, ist der Sound, und der ist gut und lässt mich tanzen, bis die Füße nicht mehr mitmachen und ich den Tag mit meinen sympathischen Zeltnachbarn und einem Gute-Nacht-Bier beende.
Hier geht es weiter mit dem zweiten und letzten Tag Utopia Island 2014 „Teil2: Utopia Island – Tanzbewegungen zwischen Koks und Zombie„.
29. August 2014 um 16:17
[…] zweite Tag (Hier geht es zu Tag1 “Techno für Anfänger und Fortgeschrittene“) des Utopia Island startet und mich wecken die unfassbare Hitze und von der Zeltdecke […]
22. Oktober 2014 um 12:26
[…] Captain Capa beim Utopia 2014, und rechts die 257ers die wir dieses Jahr bereits beim exklusiven “Auf den Dächern” […]