Wie kommt man am Besten zum Kosmonaut-Festival? Na klar, mit dem Spaceshuttle – vom Chemnitzer Zentrum direkt zum Stausee Rabenstein in zwanzig Minuten. Oder vierzig, wenn zuviele Kosmonauten gleichzeitig anreisen wollen und man auf das nächste Shuttle warten muss. Ein Bier, ein Wein (neuerdings in Bierflaschen zu haben) und zwei belegte Brote, eins mit Schinken, eins mit Ei, und schon kommt der nächste gut gelaunte Busfahrer, um die angetrunkene und festivalwütige Meute bei strahlendem Sonnenschein durch die Stadt zu fahren. Am Festivalgelände staut es sich auch schon ein bisschen, da doch einige Leute mit Autos angereist sind, aber unser freundlicher Busfahrer lässt uns raus und wir laufen den Rest zu Fuß.
Ein paar Minuten und zwei Wegbier später: Endlich da! Die mehrere hundert Meter lange Schlange an der Bändchenausgabe lässt dann leider die Alkoholvorräte knapp und das Gepäck schwer werden. Positiv denken: Immerhin bekommt man so seine Glasflaschen leer! Die über zwei Stunden Wartezeit sind trotzdem eine harte Probe und dass es hier nicht zu Pöbeleien oder Randale kommt, ist wohl in erster Linie den friedlichen Festivalbesuchern zu verdanken. Hier muss das junge Festival im nächsten Jahr auf jeden Fall nachbessern.
Nachdem man mich als Pressevertreter freundlicherweise an anderer Stelle mit Bändchen versorgt hat, bekomme ich drinnen auch eine recht spärlich gefüllte Fläche vor der Hauptbühne zu sehen, auf der gerade Bilderbuch ihre letzten Songs spielen. Die Österreicher liefern für den vom Hip-Hop geprägten Freitag eine ziemlich rockige Show ab, sind dann aber leider auch pünktlich von der Bühne verschwunden. Auf dem Gelände wird vorne locker getanzt, dahinter sitzen die Zuschauer entspannt im Gras und sonnen sich und natürlich gönnen sich einige Kosmonauten auch ein erfrischendes Bad im Stausee, der direkt neben der Zuschauerfläche liegt.
Auch die Securitys sind ausgesprochen locker drauf und überhaupt geht es ziemlich entspannt zu. An der zweiten Bühne etwas zu entspannt – hier werden ganztags DJ-Sets geboten, aber die große offene Rasenfläche vor der kleinen Bühne taugt absolut nicht zur Clubatmosphäre und die Musik ist ziemlich austauschbar. Kein Wunder, dass nur vereinzelt ein paar Leute tanzen – die meisten nutzen die Nebenbühne eher, um dem Hauptprogramm für ein paar Minuten zu entkommen.
Bis die Mighty Oaks auf die Bühne kommen, haben es auch etliche der schwitzenden Camper vom Zeltplatz nebenan aufs Gelände geschafft und sich unter die zahlreichen frisch mit Bändchen versorgten Tagesgäste gemischt. Die Berliner Eichen moderieren mal deutsch, mal englisch und animieren ihre Fans immerhin zu heiterem Zweigeschwenken und Blätterrascheln.
Dafür, dass viele hier auf den Headliner der Herzen Alligatoah warten, ist schon erstaunlich viel los. Konfettipistolen und Seifenblasen werden ausgekramt, der allgegenwärtige gelbe Hauptsponsor verteilt heute eher Luftballons als Regencapes und letztere fliegen gelegentlich in Richtung Bühne – was der Frontmann erfreut zur Kenntnis nimmt, wenngleich die Zielsicherheit noch zu wünschen übrig lässt.
Alligatoah folgt und spätestens jetzt zeigt sich, für wen die Leute sich hier stundenlang die Beine in den Bauch gestanden haben: Der Platz am See ist rappelvoll, gefühlt jeder Song wird auswendig mitgesungen und trotz Biereinfluss und beginnendem Sonnenstich wird der Takt klatschend gehalten. Solche Fans muss man erstmal haben!
Der Mann mit Hut und Spazierstock ist sich dessen auch völlig bewusst und gönnt sich zu seiner Show einen Butler, der erstmal die Bühne aufräumen darf, auf der eingangs eine Gitarre zertrümmert wurde als Zeichen der, äh… ach, einfach weil er’s kann. Später bekommen wir Amnesie (doch zuviele Drogen!), begeben uns in die riesige Dusche auf der Bühne, um durch die Zeit zu reisen und schlussendlich wird Alligatoah von seinem Butler wie eine Leiche auf einem Tisch über die Bühne geschoben, nun nur noch im weißen Anzug – den Rest schaffen wir allein. Nein, nicht ganz – denn es ist ja noch Suppe da! Die hat der Butler während der Show aus dem ganzen Bühnenplunder in einem riesigen Topf angerührt und nun muss der arme Kerl erstmal vorkosten, woraufhin er zombie-like über die Bühne stakst. Aber was soll’s – wir gönnen uns trotzdem eine Dröhnung und gehen zusammen den Stausee runter.
Wo wir gerade bei Textsicherheit waren – die Bosse-Fans singen auch mal ein halbes Lied alleine. Der Braunschweiger ist der erste, der auch mal selber was dafür tut, dass die Leute ihn feiern, und nicht nur auf ergebene Anhänger vertraut. Zwar darf man hier keine Moshpits erwarten, aber wir sind ja auch nicht auf einem Rockfestival und getanzt wird hier reichlich. Es ist schön, auf der großen Bühne endlich mal ein paar mehr Musiker zu sehen, und auch Bosse ist aufgefallen, dass er heute eher aus der Reihe fällt: „Für die Hip-Hop-Kids: Das ist ein Akkordeon!“
Völlig egal ob fette Bühnendeko und Sampler oder mehrköpfige Liveband, hier scheint einfach alles zusammen zu passen. Bosse feiern auch die Festivalkulisse sehr – und ja, wer früh da war, hat vielleicht einige der Acts im See getroffen. Die Location trägt sicher einiges zur Stimmung bei und auch der Backstagebereich kann sich sehen lassen. Kein Wunder also, dass sich auch die Bands hier pudelwohl fühlen!
Zum Tagesabschluss mit Casper wird es vor der Bühne nochmal voller – so voll, dass die Securitys immer wieder kollabierte Leute rausziehen und schließlich den Bühnengraben vorzeitig räumen müssen. So entgehen uns Fotos von Casper mit Felix von Kraftklub, der für einen gemeinsamen Song rauskommt. Bei dem ganzen Gedränge sind wir aber auch froh, der Menge entkommen zu können – ganz offensichtlich ist zum Ende des Freitags das Tageskartenkontingent erschöpft.
Während es für die Dauergäste anschließend auf den Campingplatz oder zum Weitertanzen noch rüber zur DJ-Bühne geht, geht’s für mich mit dem Spaceshuttle zurück nach Hause und am nächsten Tag ausgeschlafen wieder zum Gelände – diesmal beim ersten Versuch, ohne ewig lange Bändchenschlange und ohne Stau auf der Straße.
Das Schöne an Tagen mit geheimem Headliner ist, dass mittags keine nervigen Fans unbeteiligt vor der Bühne hocken, um sich ihre Erste-Reihe-Plätze zu sichern. So sind bei Durango Riot aus Schweden zwar erneut wenig Leute da, die sind aber alle leicht zu begeistern und gehen trotz einsetzendem Regen schon gut nach vorn. Auch Feine Sahne Fischfilet-Merch ist schon präsent – das Programm am Samstag geht in eine ganz andere Richtung als am Freitag, ist aber trotzdem in sich stimmig und gleichzeitig abwechslungsreich.
An der zweiten Bühne haben sich währenddessen auch endlich mal mehr Menschen eingefunden – gefühlt aber eher aus Mangel an Alternativen. Die Kombination von DJs aus der vocal-armen Elektroszene mit Hip-Hop und Punkrock mutet doch reichlich seltsam an. Das Problem, mehrere Bands gleichzeitig sehen zu wollen, entsteht so allerdings auch nicht – und der Campingplatz ist so nah, dass man eine unerwünschte Band mit Bier und Grill überbrücken kann. Oder man stattet sich mit Schildern aus, um seiner Meinung Ausdruck zu verleihen – neben „Spielt den selben Song nochmal!“ und „Geh weg, du bist kein Bier!“ mehren sich auch langsam K.I.Z.-Schilder – die umstrittenen Berliner Rapper sind einer der Favoriten für den geheimen Headliner am Abend.
Nun gibt’s aber erstmal Feine Sahne Fischfilet, die zwar klar links positioniert sind, aber nicht nur so gesehen werden wollen: „Dieser Song ist nicht gegen Nazis, sondern gegen alle, die ihr Kreuz für eine rechte Partei gesetzt haben!“ Gegen ein linkes Festival ist das Gejohle nur ein müdes Husten, aber wir wollen ja auch nicht mit Pfefferspray in den Augen im Knast landen – anders gesagt: Die Bude kocht auch so, Schuhe und Regencapes fliegen durch die Gegend und sogar Leuchtfeuer werden gezündet, was die Securitys kritisch beäugen, aber tolerieren. Etwas mehr musikalische Abwechslung würde der Band allerdings nicht schaden.
Die bekommen wir anschließend von WhoMadeWho, die aus Dänemark angereist sind. Der synthilastige, hallende Sound und die sich langsam aufbauenden Songs ziehen die Leute von der Electrostage rüber und der Platz wird wieder voller. Wer von FSF noch blaue Flecken zählt, kann kurz durchatmen. Wer gerade erst aus dem Zelt gekrochen ist, wärmt sich hier auf, und wer so gar nichts mit den dänischen Discopunks anfangen kann, geht eine Runde Minitischtennis spielen oder verköstigt sich zu fairen Preisen an einem der bunt gemischten Essensstände. Und dieses Spiel mit dem Ball und den 22 Menschen gibt es ja auch noch…
Die letzteren beiden bereuen ihre Entscheidung später – bei Blood Red Shoes werden volle Mägen wie gewohnt durchgeschüttelt. Nach protzigen Bühnenshows und aktiver Publikumsinteraktion glänzen Blood Red Shoes nun vor allem, indem sie uns einen Song nach dem anderen hinknallen und dabei selbst voll darin aufgehen und auf der Bühne ausrasten. Das britische Duo mit Zweitwohnsitz in Berlin hat inzwischen vier Alben veröffentlicht und entsprechend viele großartige Songs stehen zur Verfügung für das 50-Minuten-Set. Weg mit der Kamera ins Schließfach und erstmal im Moshpit zu Boden gehen. Der abschüssige Boden lässt uns immer wieder Richtung See fallen – kein Grund, mit dem fröhlichen Geschubse aufzuhören. Selber Schuld, wer lieber Fußball geschaut hat.
Zum Abend hin wird es mysteriöser. Die Klaxons kennen viele vom Namen, aber so richtig was vorstellen kann sich kaum jemand. Und natürlich wird auch immer wilder spekuliert: Wer ist der geheime Headliner? Es muss eine riesige Nummer sein, soviel ist klar. Oasis-Reunion? Red Hot Chili Peppers oder U2? Oder realistischer, Marteria oder K.I.Z.? Letztere wurden schon mehrfach vor Ort gesichtet, aber es gibt auch Berichte eines Soundchecks mit Clueso-Songs – der war auch früher mal Rapper…
Die Frage, was man von den Klaxons halten soll, beantwortet deren Konzert nicht so richtig. Ein paar nach Elektrorock klingende Nummern zum Anfang, okay, ziemlich cool und ein bisschen schräg – aber dann geht’s weiter mit gängigem Poprock. Nicht so richtig überzeugend. Was soll’s, wir warten einfach weiter auf den geheimen Headliner und so langsam können wir auch die T-Shirts nicht mehr sehen, auf denen ebenfalls nur ein Rechteck mit „geheimer Headliner“ zu sehen ist. Die Bühne wird inzwischen von einem schwarzen Vorhang verhüllt, auch von der Seite kann man nichts erahnen.
Schließlich lassen es sich Kraftklub nicht nehmen, ein paar Dankesworte an die Besucher des Festivals zu richten – um dann immer noch nicht bekannt zu geben, wer denn der Headliner ist. Vorhang auf – Bühne voller Musiker und auch wer die Gesichter nicht erkennt, merkt’s an den Songs: „Ich liebte ein Mädchen in Chemnitz, sie war die eine die mich nicht hängen ließ“ und der Gummiboden sagte: Erdbeben, was geht’n?!
Als Headliner eines Festivals, das Hip-Hop, Rock und selbst elektronische Musik vereint, sind FETTES BROT die perfekte Band. Unschlagbar beliebt bei den Zuschauern obendrein – von vorne denkt man oft, die Leute winken selbst hinten am Bierstand noch, aber diesmal haben wir uns selbst überzeugt: Vom Graben bis zum Bierstand, von der Frittenbude bis zum See haben zehntausend Menschen getobt und die Brote gefeiert!
Ein spektakulärer Anblick, der auf Fotos kaum festzuhalten ist. Zum Dank bieten die Hamburger ein buntes Programm alter und neuer, bekannter und weniger bekannter Songs. Bettina und Emanuela sind ebenso dabei wie Echo und Nordisch by Nature und bei den Zugaben kommen auch die schwulen Mädchen nochmal raus. Absolute Wahnsinsshow!
Milky Chance bekommen anschließend nur noch den Platz des Absackers. Mit nur einem Album kann man einfach kein so vielfältiges Programm bieten. Zwar ist die kleine Bühne inzwischen umgebaut und der Platz davor gefüllt, aber die in Strömen wieder weglaufenden Menschen sprechen Bände. Auch der Sound ist hier nicht so gut wie an der Hauptbühne, darüber tröstet auch die schicke Lightshow nicht hinweg. Also lieber zurück auf den Zeltplatz oder zum Shuttle und nochmal den enthüllten Headliner feiern – und gespannt sein, wie es mit dem Kosmonaut weitergeht!
Passend dazu gibt es vom Veranstalter die Info: Das nächste Kosmonaut Festival findet am 26. und 27. Juni 2015 statt. Der Vorverkauf startet im September 2014!
11. Dezember 2014 um 09:10
[…] geht’s zu unserem Rückblick 2014 “Hip-Hop und Rock friedlich vereint beim Kosmonaut 2014“. Das nächste und dritte Kosmonaut Festival findet am 26.+27.06.2015 statt. Weiteres zum […]
29. Juni 2015 um 16:49
[…] Jahr deutlich mehr Gedanken über die Planung und die Umsetzung des Festivals gemacht. Nachdem letztes Jahr ewig langes Warten bei der Bändchenvergabe vorprogrammiert war, hatten sie dieses Jahr mehr […]