Eher zu den Geheimtipps gehört wohl das Eier mit Speck-Festival in Viersen hinter Duisburg. Das ist aber in keiner Weise negativ zu verstehen – macht das Festival doch alleine schon dadurch einen sympathischen Eindruck, dass es – daher der Name – morgens auf dem Zeltplatz Eier mit Speck zum Frühstück gibt. Außerdem waren Marteria und Madsen angekündigt und auch verschiedene Bands, die schon bei anderen renommierten Festivals wie dem Rheinkultur oder Bochum Total spielten. Wir waren am Sonntag vor Ort und haben uns selbst eine Meinung gebildet.
Das Prinzip „folge der Masse“ ist in Viersen etwas anders zu verstehen – hier ist es eher „folge den drei Menschen, die an der gleichen Haltestelle ausgestiegen sind wie du“. Das Festivalgelände ist mit dem Bus vom Bahnhof aus schnell erreicht, aber da die Stadt für uns Ruhrgebietler schon wie ein Kaff erscheint, sind 10 Minuten Entfernung vom Bahnhof schon total außerhalb. Entsprechend leer sind die Straßen, aber dank auffälliger Beschilderung finden wir das Geläde ohne Probleme und fühlen uns dort auch sofort wohl, denn Parkplätze und Campingplatz liegen im Grünen, direkt nebenan ist ein Wald. Die Sonne scheint, es ist grün, ruhig und – sauber! Keine Spur von den sonst üblichen Müllbergen bei Festivals. Nur die Bierdosen-Kunst am Bauzaun, die fehlt auch hier nicht. Im Gegenteil, die Künstler des Werkes „Pacman will Titten“ verdienen einen Preis für die großartigste Pfandkunst die ich bisher gesehen habe!
Nach den ganzen großen Festivals wirkt alles sehr klein und irgendwie niedlich. Der Check-In klappt problemlos und schon sind wir auf dem Konzertgelände. Eine Bühne am Kopfende des Geländes und am Rand die üblichen Stände – Essen, Getränke und Bier und Merchandise. Rechts von der Bühne gibt es einen Toilettenwagen, der vorbildlich sauber ist. Auch die Preise sind vertretbar. Ungewohnt ist hingegen das Wertmarkensystem.
Die erste Band, die wir sehen, sind Melloy aus Berlin. Die freuen sich sehr darüber, dass sie auch in Viersen Fans haben, die sogar die Texte mitgröhlen, und der Sänger erzählt, wie er 2011 selbst Besucher beim Eier mit Speck war. „Ihr wollt tanzen, ich will ganz schnell Bier trinken!“ ist die Ansage. Dazu gibt es eine Polonaise, bei der die Besucher einmal ums Gelände laufen – bei einem größeren Festival wäre das völlig unmöglich, hier gelingt es tatsächlich.
Bei der Hitze ist das Feiern gleich doppelt anstrengend. So bleiben wir auch nach der Umbaupause noch im Gras liegen und ziehen uns ganz entspannt Three Chord Society rein. Die haben natürlich mehr als drei Akkorde mitgebracht, auch wenn sie die Meinung vertreten, dass drei Akkorde ausreichen würden um die Massen zu begeistern. Mit mehr als drei geht es aber auch und während wir in der Sonne braten, feiern die Leute vorne vor der Bühne.
In der nächsten Umbaupause ist es dann Zeit etwas zu essen. Dabei zeigt sich dann auch nochmal wie entspannt die Atmosphäre hier ist: Wellenbrecher gibt es nicht und sind auch offensichtlich nicht nötig, dafür gibt es Stehtische und Bierbänke mit Sonnenschirmen. Kein Wunder, dass auch aus dem Ort viele Zuschauer einfach mal so vorbei kommen um mal zu gucken.
Weiter geht es mit polnischem experimentellem Pop; Julia Marcell erweist uns die Ehre. Ihre Musik ist uns aber deutlich zu anstrengend. Zuviel Pop um richtig zu rocken und zu experimentell, zu viele wirre Synthiklänge, um entspannt zu zuhören. Dazu sind die Texte teilweise auf polnisch, so verstehen wir auch nicht, worum es geht. Schade. Englische Erläuterungen hätten vielleicht noch mehr rausreißen können.
In eine ebenfalls sehr alternative, aber doch ganz andere und vor allem tanzbare Richtung schlagen Movits!. Die vier Schweden stützen meine Theorie, dass aus Skandinavien viele großartige Bands kommen. Die Musik könnte prinzipiell als Hip Hop eingestuft werden – aber der DJ und der Rapper werden von zwei Bläsern ergänzt und meistens gibt es statt harten Beats wohlklingende Samba-Rhythmen. In Kombination mit einem teilweise hohen Raptempo macht die Band ordentlich Druck und gute Laune. Schwer zu beschreiben, aber unbedingt sehenswert!
Die nächste Band wird mit der Info angekündigt, dass sie vor längerer Zeit ihren Bassisten rausgeworfen haben – es sind The Inspector Cluzo aus Frankreich. Die haben letztes Jahr beim Rheinkultur auf der kleinen Bühne die Leute zum Toben gebracht und die Bühne dabei halb abgerissen und auch heute ist kräftig was los. Zu ihrem Song „Fuck The Bass Player“ gibt’s noch die lapidare Erklärung: „The bass player is like Nicolas Sarkozy: a fucker!“. Wer sich dem anschließen möchte, kann sich am Merchandise-Stand dem „Super Fuck Pack“ widmen, wo es T-Shirts mit allen gewünschten Aufschriften gibt („Fuck The Bass Player“, „Fuck The Inspector Cluzo“ etc). Zwischendurch wird ein Zuschauer auf die Bühne gerufen, weil er einen Batman-Pulli trägt – und erntet Applaus, als er den auszieht und ein Superman-T-Shirt darunter trägt!
The Inspector Cluzo sind nur zu zweit, liefern aber außer wilder, lauter Rockmusik auch eine großartige Bühnenshow, bei der der Schlagzeuger im Mittelpunkt steht – nicht nur, weil er ständig Teile seines Schlagzeuges durch die Gegend wirft, sondern auch wenn er auf die Boxen klettert, um den Leuten zu zeigen, wie man anständig tanzt. Zum Finale baut der Gitarrist und Sänger nach und nach das gesamte Schlagzeug ab, bis nur noch die Bassdrum auf dem Boden liegt.
Für uns heißt es danach leider schon Abschied nehmen vom Eier mit Speck, denn abends kommt man aus Viersen nicht gut weg. So verpassen wir leider das Dubioza Kolektiv und Madsen. Aber wir kommen sicher wieder – vom 26. bis 28. Juli 2013, mit Camping!
20. August 2012 um 19:22
[…] mit Speck waren schöne Neuentdeckungen für mich. Und das Hurricane ist ja sowieso großartig. Eier mit SpeckDeichbrand 2. Teil – Bands (von Marina)Deichbrand 1. Teil – Ankunft & FestivalBochum Total: […]