Das Summer Darkness – oder die Perle im Labyrinth
Der Sommer lockt jedes Jahr die schwarze Szene Deutschlands zu verschiedenen Orten. Mit WGT, Blackfield, Amphi und M’era Luna sind auch die willigsten Festivalbesucher gut beschäftigt und haben eigentlich keinen Grund mehr, über die Landesgrenzen hinaus nach Alternativen zu suchen. Warum also sollte man zum Summer Darkness nach Utrecht, wo schon das eigene Land so viel zu bieten hat und man die Bands, die sich da die Ehre geben, den Sommer über bestimmt auch mal irgendwo anders sehen kann? Zumal das Festival auch preislich nicht gerade zu den günstigeren gehört. Nun… wir haben es getan. Und uns fällt auch nicht ein Grund ein, warum man die festivalmüden Füße auch noch durch ein Studentenstädtchen irgendwo in den Niederlanden tragen sollte – sondern ganz viele!
Wenn einem das Gelände beim M’era Luna, Blackfield und Amphi zu klein ist, beim WGT das hin & herfahren zu nervig, überall die Schlangen zu lang und die Veranstaltungen zu voll, das Gedränge vor der Bühne zu groß und alles zu unübersichtlich, dann ist man beim SUMMER DARKNESS genau richtig. Im hübschen Örtchen Utrecht, wo die Uhren noch ein klein wenig langsamer zu laufen scheinen, alles irgendwie niedlich ist, sind die Menschen netter, die Atmosphäre entspannter, die Strecken zwischen den einzelnen Orten kürzer und das Gras grüner.
Die Veranstaltungsorte sind mittendrin, zwischen Grachten, auf dem Domplatz und fußläufig gut zu erreichen, wenn man sich nicht auf dem Weg von den vielen Geschäften, kleinen Cafés, Kneipen, Eisdielen oder einfach der Schönheit des Städtchens zu arg ablenken lässt. Dafür ist es aber auch gar nicht schlimm, wenn man zu einem Konzert in der letzten Minute kommt, weil man noch Schaufenster gucken oder Eis essen musste.
Denn wenn man dann ohne irgendwo anzustehen oder ewige Taschen- und Bodychecks hinter sich zu bringen, direkt in die jeweilige Halle geschlendert ist und ein Getränk in einem pfandfreien Behältnis zu moderaten Preisen gekauft hat, kann man immer noch ohne groß zu drängeln einen Platz an einer beliebigen Stelle des Raumes einnehmen, in dem sich trotz aller Pfandfreiheit nirgends leere Trinkgefäße stapeln. Wie machen die das nur? Entspannter geht wirklich nicht mehr. So ungefähr muss das WGT in den ersten Jahren gewesen sein. So sucht man dann auch gerne im Labyrinth aus Einbahnstraßen, Grachten, Fahrradfahrern und Menschen nach einem Parkplatz und später einer Möglichkeit, die Innenstadt wieder zu verlassen und ist auch in der dritten Runde durch unübersichtliche Netze aus Einbahnstraßen noch amüsiert und guter Dinge.
Jetzt ist natürlich der schönste Rahmen ohne ein passendes Bild auch nicht das Aufhängen wert, deshalb soll ein Bild auf das Programm nicht fehlen. Auch das war abwechslungsreich, die Örtlichkeiten durchdacht nach Schubladen gewählt, der Ton gut gemischt und die Bands pünktlich.
Der Freitag begann noch etwas verhalten, hatte aber mit Orfeo, Spiritual Front und einem Brendan Perry Konzert in der Domkirche schon einiges zu bieten. Wem der Sinn noch nicht nach Bands stand, der konnte sich auf einem literarischen Boot-Trip von niederländischer Poesie unterhalten lassen oder später zum Bal du Masque ins Tivoli. Obwohl erst skeptisch, sagen wir: Man muss es gesehen haben! Phantasievoll gekleidete Menschen mit Masken, ein unterhaltsames Show-Programm und Spieltische auf den Tribünen versetzten einen in eine andere Welt und trösteten vollkommen über die – zugegeben leicht vermissten – fehlenden Gelegenheiten, das Tanzbein zu schwingen hinweg.
Samstag wie auch Sonntag kamen Fans krachiger Electrorhythmen voll auf ihre Kosten – im Tivoli de Helling gaben sich SAM, Straftanz, Nachtmahr, Amduscia, Spiritual Front und Sophya die virtuelle Klinke in die Hand. Und wer dann immer noch nicht genug hatte, konnte bis tief in die Nacht noch weitere Bands bei der anschließenden Industrial-Party erleben, die abwechselnd mit DJs um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlten. Währenddessen ging es im Tivoli Oudegracht musikalisch abwechslungsreich zu, wo man sich Tag und Nacht von u.a. The Beauty of Gemina, Faith & the Muse, Clan of Xymox, Leæther Strip, And One und der anschließenden Party musikalisch versüßen lassen konnte. Für den einzigen Wermutstropfen sorgten Grendel, welche scheinbar aufgrund des Ausfalls ihrer Apple-Software nach ein paar Minuten Bühnenpräsenz den Gig abbrachen. Dabei stellten sich dem interessierten Besucher zwei Fragen: 1. War das musikalische Bühnenequipment nur zur Zierde mitgebracht worden und kamen die instrumentalischen Klänge etwa nur vom Laptop? 2. Wieso wird der Sänger nicht Alleinunterhalter? Zumindest in dieser Funktion strahlte er während des erfolglosen Versuchs einer Fehlereliminierung doch eine gewisse Souveränität aus. Egal…
Alternativ gab es ruhigere Klänge im Museum oder folkige Musik auf der Domplatzbühne, am kleinen, aber feinen Markt, mit Ess-, Trink- und Sitzgelegenheiten, Ständen, die man endlich mal alle in Ruhe ansehen und bei Bedarf leerkaufen konnte (CD-Count Cutter: Nur sieben Stück aufgrund eiserner Beherrschung) und vielen fotografierwilligen Niederländern.
Der Sonntag bot dann einen abwechslungsreichen Ausklang mit XMH, Aesthetic Perfection, Diorama, In Strict Confidence, Project Pitchfork und DAF im Tivoli Oudegracht, Seventh Harmonic, Allerseelen, IANVA, In Slaughter Natives, Geneviéve Pasquier und Dive im Tivoli de Helling, Folk Musik auf dem Domplatz und Poule de Doods und Bacio di Tosca, die jeweils die Kirche und das Museum ganz für sich allein hatten.
Insgesamt gab es also eine Menge zu erleben, sowohl bei den Veranstaltungen als auch außerhalb. Das Summer Darkness ist eine nette Alternative zu Bekanntem. Ob es nun, da es zum erstenmal nicht mehr zeitgleich mit dem Mera Luna stattfand, in Zukunft einen größeren Zustrom anlocken kann, oder klein und gemütlich bleibt, wird sich zeigen. Fazit: Wir werden auf jeden Fall wieder kommen und legen jedem wärmstens ans Herz, es uns gleich zu tun.
Die Nuss fand Clan of Xymox wieder mal sehr sehenswert und Allerseelen ziemlich eintönig.
Der Cutter hört momentan vorwiegend Social Distortion, Nitzer Ebb und Dry Kill Logic, fand Schwergewicht Claus Larsen alias Leæther Strip besonders gut und hätte auch schon auf die Anfangstöne von Grendel durchaus verzichten können.
Bericht: die Nuss – Fotos: der Cutter
Das Summer Darkness 2011 findet vom 29.-31. Juli in Utrecht statt.
7. Juli 2011 um 13:25
[…] das erste Mal vor Ort (hier der Bericht vom Summer Darkness 2010), konnten wir uns einen guten Eindruck von diesem liebevoll organisierten Festival verschaffen. Die […]
2. August 2011 um 17:21
[…] da uns dieses Festival schon letztes Jahr vollständig begeistert hatte, machten wir uns freudig auf den Weg ins hübsche […]
3. Juli 2012 um 00:00
[…] dritten Mal nun in Folge (Bericht 2010 und 2011) zieht es uns nach Utrecht, die gotische Universitätsstadt nahe Amsterdam. Und dies […]