Nachdem es sich am Donnerstagnachmittag, auf dem Wacken Open Air, bereits etwas abgekühlt hatte, trommelte am frühen Freitagmorgen der Regen auf die Zeltdächer. Zum Glück regnete es nur kurz oder vielleicht auch leider, denn der Wacken Matsch lässt weiter auf sich warten.
Die Temperaturen sind aber deutlich angenehmer und so lohnt es sich, den Weg zu den Bühnen schon früh in Angriff zu nehmen.
Dort spielen Kissin’Dynamite schon früh auf der Hauptbühne. Die 5-köpfige Band schafft es wie „Dynamit“ auf der Bühne zu explodieren und lässt den Funken von Anfang an auf seine Fans überspringen. Trotz Regen rockt die ehemalige Schüler-Band aus Reutlingen, sodass auch der letzte Morgenmuffel im gut gefüllten Infield mitfeiert.
Mit Songs aus dem neuen Album: Not The End Of The Road lassen sie Ihre Fans die „positive Energie“ und „Good Vibrations“ spüren. Treu nach dem Motto: „Niemals aufgeben“, spiegelt das Album die Geschichte der Band wider. Sie verarbeiten u.a. so die Trennung vom Drummer und Gründungsmitglied Andi Schnitzler, sowie den Lockdown.
Von der Hauptbühne gelangt man schnell zum Bullhead City Bereich, wo die beiden mittleren Bühnen stehen. Früher waren diese noch von einem Zelt umgeben, heute kann man auch hier das Open Air Feeling voll auskosten. Und manchmal findet man
dort die eine oder andere Überraschung, zum Beispiel Me and that Man.
Bandleader ist niemand geringeres als Nergal von Behemoth. Doch wer hier Extreme Metal erwartet, der bekommt eine dicke Überraschung. Seine Band spielt nämlich Country Rock. Was an sich schon etwas ungewöhnlich für ein Metal Festival ist. Seine Songs haben aber trotzdem einen sehr dunklen und atmosphärischen Einschlag. Wer die Gelegenheit Nergal hat mal ohne Behemoth zu sehen, der sollte diese nutzen. Es lohnt sich.
Nach der Band geht es weiter in das Wackinger Dorf nebenan. Dies ist eigentlich der Mittelalterbereich, aber heute gibt es auf der dazugehörigen Stage etwas Irish Folk auf die Ohren. The O’Reillys and the Paddyhats verbinden diesen mit einer gehörigen Portion Punk. Mit wehenden irischen Flaggen empfängt die Band ihre Anhänger, die heiß auf gute Musik sind. „Lasst uns gemeinsam springen und den Acker platt machen“. Diesem Aufruf kommt gefühlt das ganze Gelände nach und lässt die Erde beben. Spätestens nach dem dritten Lied sollte das Werk vollbracht sein, was die Fans nur noch mehr anheizt und zum Mitsingen und Tanzen animiert.
Den „vergessenen“ Songtext wird den Fans kurzerhand in schriftlicher Form hochgehalten, sodass auch in der letzten Reihe jeder die Band beim Gesang unterstützen kann und auch tut. Die Band schafft es das Feeling aus dem kleinen Pub auf die Wackinger-Stage zu übertragen und alle feiern mit.
In der Zwischenzeit wurde es von der Louder Bühne schon ziemlich voll. Was so manchen wundert, denn dort soll nun Alligatoah spielen. Und der ist weder für Metal noch für Rock Musik bekannt, sondern für Hiphop. „Keiner wills sehen, aber alle rennen hin!“ hört man da auch auf dem Weg zur Bühne. Und tatsächlich hat man es selten so voll vor der Louder Stage gesehen. Allerdings kann man schwer einschätzen, wie viele nur aus reiner Neugier hier sind.
Lukas Strobel alias Alligatoah möchte die kleine Bühne auf die großen bringen, weil seiner Meinung nach, auf kleinen Konzerten die Stimmung immer besser ist. Deswegen hat er eine eigene kleine Bühne auf die Wacken Stage gestellt. Zumindest kann man ihm nicht vorwerfen, dass er keinen Humor hat. Ein Lied das Fuck Rock’nRoll heißt auf so einem Festival zu spielen muss man sich auch erstmal trauen. Die Fans sind trotzdem zwiegespalten, manche feiern die Show richtig ab, andere schauen sich das ganze eher skeptisch an. Immerhin hat er Gitarren und Schlagzeug mitgebracht und seine Songs in etwas rockige Gewand gepackt. Ob einem das gefällt, muss wohl jeder selber entscheiden.
Eine richtige Rock-Show mit allem, was dazugehört gibt es dann wieder bei In Extremo. Die Jungs geben direkt Vollgas und schießen jede Menge Pyros in den Himmel. Die Band kann nach knapp 25 Jahren Geschichte aus dem Vollen schöpfen und reiht dadurch einen Hit an den nächsten. Das Publikum singt, tanzt und schunkelt bei allen Liedern mit. Die Band ist zwar, laut Sänger Michael Rhein, nicht dafür bekannt sozialkritische Texte zu schreiben, aber „bei allem, was in der Welt gerade los ist“, wollen sie trotzdem auch mit ihrer Musik darauf hinweisen. So haben sie dieses Jahr den Song Lieb Vaterland, magst ruhig sein im Set. Dieser richtet sich gegen die Gewalt und den Irrsinn von Kriegen. Ansonsten bleibt die Band aber ihren Gute-Laune-Songs treu und beenden ihren Auftritt mit Störtebeker, Sängerkrieg, und
Pikse Palve.
Nach In Extremo, bleiben viele Fans direkt an ihrem Platz stehen, denn ist an der Zeit, für den großen Headliner dieses Abends und vor der zweiten Hauptbühne ist es schon brechend voll. Kein Wunder, denn Slipknot treten das erste Mal auf dem berühmtesten Metal Festival der Welt auf. Das ist dann schon etwas Besonderes. Die Band kennt keine ruhigen Songs und bringt den Moshpit mit Disasterpiece, Wait and Bleed und All out Life direkt zum Kochen. Ihre Show ist einfach der Wahnsinn und sucht seinesgleichen. Die unglaubliche Energie dieser Band ist beeindruckend und fasziniert sogar Besucher, die mit ihrer Musik eigentlich nicht so viel anfangen können.
Es verwundert niemanden, dass die meisten Besucher nach dieser Show einfach nur K.O. sind und zurück ins Zelt wollen. Doch auf dem Weg zu den Zelten kommen viele noch am Kampfplatz des Wackinger Village vorbei. Dort überlegt sich der ein oder andere doch nochmal kurz Pause zu machen, denn die Gruppe Devilsfire zeigt dort ihre Feuershow.
Mit verschiedenen Choreografien, zu unterschiedlichen Metal Songs, und viel Feuerspucken, kann man schonmal gebannt stehen bleiben und seine Müdigkeit vergessen. Dann wird es aber endlich Zeit für das Zelt, denn morgen kommt noch ein weiterer Festivaltag und auch der bietet wieder ein volles Programm.
Hier geht’s zu „Der Donnerstag am Wacken Open Air 2022„, „Es geht wieder los – Wacken Wednesday“ – ausserdem könnt ihr Wacken 2022 im kostenlosen Livestream auch aus der Ferne miterleben.
1. Oktober 2024 um 16:01
[…] Erfolgs ist vielleicht, dass Alligatoah es geschafft hat, gestandene Kuttenträger (Beispielsweise bei Wacken 2022, siehe Foto und Rückblick) zu einem No Angels-Cover abgehen zu lassen. […]