Obwohl das Southside 2009 inzwischen schon ein Weile vergangen ist, wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten, wie es unserem Festivalhopper Thomas Helbig am letzten Konzerttag ergangen ist.
Die inzwischen eintretenden ersten Entkräftungserscheinungen nach zwei Festivaltagen sorgten dafür, dass die zweite Nacht im Zelt mit einem deutlich festeren Schlaf verbunden war. Egal ob es auf dem Campinggelände selber lauter war oder nich. Also schälte man sich etwas, munterer aber mit den gleichen Verspannungen wie den Morgen zuvor aus dem Schlafgemach, um als erstes einen Blick zum Himmel zu werfen.
Die Sonnenstrahlen, die man erspähen konnte, waren glücklicherweise an diesem Tag wirklich Vorboten für deutlich besseres Wetter. Zwar blieben gewisse Wetterkapriolen nicht aus und es zog sich erneut erstmal zu, doch über den Tag verteilt gab es nur vereinzelte kurze Schauer. Diese wichen zwischenzeitlich sogar einigen richtig tollen Sonnenmomenten und häuften sich erst wieder zu den letzten Konzerten. Die wenigen aber intensiven Sonnenstrahlen reichten auch locker aus, damit man mit einem Sonnenbrand vom Southside 2009 wiederkam – wer denkt auch dran sich einzucremen, wenn man bei Regen in Richtung Festivalgelände aufbricht.
Am Sonntagmorgen fielen auch erstmals verstärkt Siren auf dem Campingplatz auf. Scheinbar hatte der ein oder andere den Alkoholkonsum des Vorabends nicht so gut vertragen. Generell kann man an der Stelle aber sagen, dass die Veranstalter durch ständig patroulierende Helfer und Ordnungskräfte auch auf dem Campingplatz für ein hohes Maß an Sicherheit sorgten, was durchaus beispielhaft sein sollte.
Ebenso erfreulich war zu sehen, dass über Nacht die größten Wasser- und Schlammpfützen mit Stroh überdeckt wurden. Dies geschah, wie man später feststellen durfte, vor allem auf dem Festivalgelände selber. Die Strohberge sorgten aber nicht nur für einen deutlich trockeneren und schlammfreieren Ablauf, sondern luden auch zum Chillen und Relaxen zwischen den Konzerten ein. Alternativ kam das Stroh allerdings auch ausgiebig beim Pogen und Feiern zum Einsatz, so dass so mancher wohl noch in den heimatlichen Gefilden an den unmöglichsten Stellen diverse Halme finden konnte.
Der eigentliche Konzerttag begann dann allerdings erst einmal mit einem gewaltigen Schock. Nach dem Frühstück, bei dem man so langsam eher die Reste zusammen suchte, machte man sich rechtzeitig auf den Weg, um pünktlich zum Auftritt der Blood Red Shoes vor der Blue Stage zu stehen. Doch anstatt diese beim Soundcheck zu sehen, erspähte man The Rakes, die eigentlich zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Konzert schon fertig sein sollten, aber selber gerade erstmal Anstalten machten, ihr Equipment aufzubauen. Schnell machten sich Befürchtungen breit, das die Blood Red Shoes ausfallen könnten. Das wäre so ziemlich das Schlimmste gewesen, was hätte passieren können, da die Rockband aus Brighton, England mit einer der Hauptgründe war, auf das Southside zu fahren. Schnell ging es also in Richtung Pressezelt, um in Erfahrung zu bringen, was los sei. Dort erfuhr man dann, dass keine Band ausfallen würde, sondern dass es beim Technikaufbau für die Headliner auf der Blue Stage Probleme gegeben habe und es deshalb zu einer kleinen zeitlichen Verzögerung gekommen ist. Die kleine zeitliche Verzögerung umfasste immerhin eine komplette Stunde, aber dennoch machte sich erst einmal Erleichterung breit.
Die so „gewonnene“ Zeit nutzte man, um eine erneute Runde über das Festivalgelände zu drehen. Vielleicht entdeckt man ja noch irgend etwas besonderes, was man bisher noch nich erblickt hatte. Kurz vor 15:00 war es dann aber endlich soweit: Laura-Mary Carter und Steven Ansell von den Blood Red Shoes betraten die Bühne. Die noch recht junge und unbekannte Britrock-Band ist sicherlich auf dem ersten Blick vergleichbar mit The Ting Tings, die direkt im Anschluß spielen sollten. Doch erzielen sie durch den Einsatz von mehr klassischen Rockelementen und weniger elektronischen Samples einen völlig anderen Sound. Dies wird auch dadurch unterstützt, dass sich bei den Blood Red Shoes sowohl Laura-Mary Carter als auch Steven Ansell im gleichen Maße gesanglich beteiligen und auszeichnen. Durch diese Mischung konnten die beiden Musiker – bei inzwischen perfektem Festivalwetter – das Publikum begeistern und sicherlich den ein oder anderen The Ting Tings-Fan für sich gewinnen der bereits jetzt vor der Blue Stage weilte.
Nach einem verkürztem Soundcheck – schließlich versuchten die Veranstalter irgendwie die zeitliche Verzögerung wieder aufzuholen – wurden auf der Blue Stage The Ting Tings frenetisch von den Fans begrüßt, die zum Großteil die Zeit zwischen den Konzerten vor der Bühne im Stroh sitzend verbracht haben. Die Sonne war zwar zwischenzeitlich wieder von deutlich mehr Wolken verdrängt worden, dafür sorgten aber Sängerin Katie White und Schlagzeuger Jules De Martino mit ihren bekannten Liedern wie „That’s Not My Name„ und „Great DJ“ für ausgiebige Feierlaune. Es wurde gejumped, unzählige Circles gebildet und sogar die ein oder andere Regel mißachtet (Crowd Surfen, auf den Schultern sitzen, etc.). Die energiegeladene Show bot nur selten Raum für eine kleine Pause. Selbst für die Springer der Band, die wohl zu den meistbeschäftigten ihrer Art auf dem gesamten Festival zählen durften. So musste ständig ein Mikro eingesammelt, getauscht oder neu eingestellt werden oder auch mal die umgestürzte Trommel wieder aufgerichtet werden. The Ting Tings verbreiteten einfach nur Spaß, sowohl auf als auch vor der Bühne.
Nach dem Konzert der The Ting Tings stellte man aber ein Phänomen fest, was man so auf dem Festival noch nich entdeckt hatte. Anstatt dass sich der Platz vor der Bühne vorrübergehend etwas leert, füllte er sich umgehend mehr und mehr. Schon während des Soundchecks war es vor der Bühne so eng, wie bei keinem anderem Konzert am ganzen Wochenende. Das Interesse an dem Auftritt von Katy Perry war unglaublich groß. Doch schnell wurde klar, das dieses Interesse unterschiedliche Ursachen hatte. Zwischen richtige Katy-Perry Fans gesellten sich Unmengen an Leuten, die einfach neugierig waren, aber auch solche, die sich einfach nur durch dumme Zwischenrufe profilieren wollten. Ebenso machten mehrere beschriftete Gummipuppen und eine riesen Gummipenis im Publikum klar, dass einen ein Konzerterlebnis der etwas anderen Art blühte.
Zur Pastorentochter aus dem Sonnenstaat Kalifornien selber muss man an der Stelle wohl eher weniger sagen. Sie bot genau das, was alle erwartet haben: eine durchgestylte Show, bei der sie sich als tolle Entertainiern aber erfreulicherweise auch als gute Sängerin präsentierte. Das Styling des Auftritts ging bei diesem Konzert sogar soweit, dass neben dem eigentlichen Bühnenoutfit auch das Gitarrenkabel und das Gaffer mit Rosa die richtige Farbe besaß Das Publikum dankte Katy Perry, in dem sie den kompletten Platz vor der Blue Stage umpflügten und keine Minute still standen. Die aufblasbaren Erdbeeren, die ins Publikum geworfen wurden, dienten eher als Souvenir anstatt als Spielzeug und wurden innerhalb kürzester Zeit zerrissen. Und beim letzten Lied „I Kissed a Girl“, mit dem sie den weltweiten Durchbruch geschafft hat, bewiesen die Mädels im Publikum, wie gut sie für dieses Konzert auch unter ihren T-Shirts vorbereitet waren. Zum Abschluß suchte sich Katy Perry sogar wirklich ein Mädel im Publikum mit dem sie rumknutschen konnte. Wer weiß wieviele Kerle in dem Moment neidisch waren
Als nächstes kam auf der Blue Stage ein wenig 60er Jahre Feeling auf, als das walisiche Stimmwunder Duffy die Bühne betrat und sich in die Riege der Sängerinnen auf der zweit größten Bühne auf dem diesjährigen Southside einreihte. Im Gegensatz zu den Konzerten vorher machte sich aber bei ihrer Musik eine eher relaxte Stimmung breit. Die deutlich gelichteten Reihen lauschten ihrer Stimme und folgten der Darbietung, die sich auf der Bühne bot. Auch beim Konzert von Duffy legte man anscheinend sehr großen Wert auf einen perfekt durchgestylten Auftritt. Dies ging sogar soweit, dass die Background-Sängerinnen wohl eher anhand ihres Aussehens – möglichst ähnlich zu Duffy selber – anstatt nach ihren gesanglichen Fähigkeiten gecastet wurden. Jedenfalls konnte man leicht sehen, das sie zwar ihre Lippen bewegten, aber ihre Gesangparts dann doch eher vom Band kamen. Aber dieses Detail konnte den tollen Gesamteintrug der Show nicht schmälern.
Schon während des Konzerts machte man sich dann aber zu einer letzten Runde über das Gelände auf – schließlich sollte man früher oder später noch was Essen. Und siehe da, man entdeckte doch noch ein kleines Juwel auf dem Festivalgelände: den Converse-Stand. Dieser stellte sich als toller Chillout-Punkt heraus, der zum Sitzen – mit Sicht auf die Green Stage – einlud oder um einen schönen Blick über das Festivalgelände von der Aussichtsplattform zu bekommen. Darüber hinaus konnte man dort eine schicke Bildergalerie selber- und mitgestalten, in dem man seine schönsten Festivalmomente ausdrucken ließ. Natürlich darf an einem Converse-Stand nichts fehlen, was mit Schuhen zu tun hat. So konnte man die Markentreter dort nicht nur käuflich erwerben und sie individuell von einigen Designern gestalten lassen. Man konnte seine liebgewonnen Alten auch einfach nochmal reparieren lassen.
Während auf der Green Stage zu der Zeit mit den Pixies die Zeit der Altrocker am Sonntagabend begann, ging es erneut in Richtung Blue Stage zu Moby. Dort befanden sich inzwischen deutlich weniger Leute – viele schienen schon mit der Abreise beschäftigt zu sein. Dies hatte aber den schönen Nebeneffekt, dass nur noch Leute dort waren, die auch genau diesen Auftritt sehen wollten. Einem ungestörten Musikgenuß stand also nichts mehr im Wege. Und genau das sollte der Auftritt von Moby bieten. Unterstützt von zwei sehr guten Gastsängerinnen, eine davon Kelly Scar, überzeugte Moby mit einer Klangvielfalt und breitem musikalisch Spektrum – von ruhigen Balladen bis hin zu Rave-Stücken – das so seines Gleichen sucht. Auch das Publikum kam dabei nicht zu kurz und konnte beim Johnny Cash-Cover „Ring of Fire“ ordentlich mitsingen. Dabei wurde sogar das Trompeten-Solo mitgesungen. Hervorragend ergänzt wurde das Konzert durch eine minimalistische aber sehr effektvolle Lichtshow und die herrlich witzigen Zwischenmoderationen des Musikers, DJs, Sängers und Musikproduzenten aus New York. Obwohl viele sicherlich zu diesem Zeitpunkt schon gesättigt waren, setzte dieses Konzert nochmal einen absoluten Höhepunkt des Southsides 2009.
Zum Ende des Konzerts von Moby war man dann auch endlich wieder im Zeitplan. Pünktlich zu denen, wegen denen die Verzögerung überhaupt erst entstanden ist: Kraftwerk. Während der entgültige Aufbau noch hinter geschlossenen Vorhängen von statten ging, wußten die Pioniere im Bereich der elektronischen Musik dann vor allem optisch zu beeindrucken. Da sie selber hinter ihrem Laptops und Effektpads nur wenig Abwechslung boten, legte Kraftwerk bei ihrer Show sehr viel Wert auf ein ausgeklügeltes VJing auf bis zu fünf Leinwänden. Vielleicht fielen einem beim Namen Kraftwerk nicht direkt Lieder ein, aber während des Konzerts entdeckte man dann mit Klassikern wie „Autobahn“ oder „Das Model“ viele bekannte Songs. Selbst bei den anderen Liedern konnte man viele Elemente wiedererkennen, die andere Künstler dann viele Jahre später in ihren Liedern verwendet haben.
Den musikalischen Abschluß des Southside 2009 bildeten dann Faith No More auf der Green Stage. Die erst kürzlich wiedervereinigte Band, die mit zu den Gründern und wichtigsten Bands des Crossovers gehört, bewies, dass sie in ihrer Pause absolut nichts verlernt haben. Allen voran Frontman Mike Patton wußte das Publikum absolut zu begeistern und konnte somit für ein würdiges Ende eines tollen Festivals sorgen. Es bleibt zu hoffen, dass Faith No More noch eine Weile touren und man auch weiterhin live in den Genuß ihrer Musik kommen kann
Lest im letzten Bericht ein Fazit über das Southside 2009 und was unserem Festivalhopper Thomas Helbig noch so auf der Abreise wiederfahren ist.
Weitere Links:
7. Oktober 2009 um 17:33
[…] Bericht: Southside 2009 – Die Anreise […]
22. Juni 2010 um 15:51
[…] bei einer Akkreditierung im nächsten Jahr wieder bereit, ausführlicher zu berichten (so wie 2009). Der Bedarf und die Nachfrage nach dem “Southside 2010 Bericht” ist auf […]