Ich sprinte zum Zug, denn fast hätte ich meine Fahrt nach Eggolsheim verpasst. Was es in diesem kleinen, fränkischen Dorf zu sehen gab, würde ich schon noch herausfinden auf dem mittlerweile neunten Shamrock Castle Festival!
Die Festivalhopper Laura und Florian berichten vom wunderschönen Shamrock Castle Festival von Schloss Jägersburg.
Das in diesem Jahr mit 2000 Besuchern restlos ausverkaufte Celtic & New Folk Festival der Marke Fiddler‘s Green erstreckte sich vom 13.-14.Juli wieder auf dem schönen Schloss Jägersburg.
Bafög sei Dank erschienen meine Freunde und ich – ein wenig extravagant für ein Folk Festival – gegen 16:30 Uhr mit dem Taxi vor dem Zeltplatz, auf dem bereits die ersten unter großen Pavillons neben ihren Zelten auch Grill und Bierkästen aufgebaut hatten. Das barocke Jagdschloss erhebt sich einladend in der Sonne und wir erkunden das Gelände. Kulinarisch konnte man sich auf jeden Fall sattsehen und auch -essen. Von gefülltem Hanfbrot, über klassische Bratnudeln oder Burger, bis hin zu Süßigkeiten gab es alles, was das Herz begehrt. Auch der Alkohol durfte natürlich nicht fehlen und so genehmigten wir uns zum Einstieg ein kühles Murphy‘s, als wir am Biergarten vorbeiliefen. Ebenso vertreten waren andere irische Biere und Whiskeys, ein Stand voller landestypischer Bekleidung, sowie ein Badezuber für die Freunde gemeinschaftsdynamischer Hygiene.
Doch gegen 18 Uhr erwartete uns bereits die erste Band und so eröffneten die Broom Bezzums die Hauptbühne!
Das Duo mit charmantem britischen Akzent begeisterte durch einen Mix aus Traditionals und eigenen, teils sogar politisch bewegten Songs, etwa gegen Waffenhandel. „Fuck Trump“, so Mark, der Gitarrist.
Bei Broom Bezzums merkte man, dass der Folk studiert wurde. Mit einer Liebe zum Detail, perfektionierter Keltik seitens Andrew und Mark und einem umfassenden Angebot folktypischer Instrumente, wie Whistle, Geige und Mandoline, wurden die Besucherinnen und Besucher spontan zu leidenschaftlichen Tänzern schottischer Reels und irischer Tunes. Beeindruckt haben mich Broom Bezzums ebenso durch ihren britischen Humor, denn wann hört man schon mal einen Sea Shanty aus der Pfalz oder lauscht einem Song mit einer Small Pipe, welche „offenkundig a) small und b) eine Pipe ist?“
Man konnte getrost die Seele baumeln lassen, sich von den gefühlvoll dargebotenen Melodien treiben lassen und sich beim nächstbesten Nebenmann einhaken und umeinander hopsen. Alles, was das freiheitsliebende Folkherz begehrte, bekam es auch!
Einen stilistischen Umbruch lieferten als zweiter Act des Abends The Dreadnoughts aus Kanada, deren Auftritt ich als den wohl chaotischsten einstufen müsste, den ich je gesehen habe. Aber das ist keineswegs etwas schlechtes, denn es passt zum Image! Der Soundcheck verläuft nicht nach Plan? Ach, der Bass muss wummern! Patzer im Song? Quatsch, gekonnt drüberspielen, die Leute werden schon moshen. Das ist Punk! Und tatsächlich, mit der ikonisch-süffisanten Stimme des Frontsängers Nicholas Smith und Ins-Gesicht-Polka-Beats schaffte es die Band, die ersten großen Moshpits aufs Gelände zu zaubern. Dabei glich ihr Bühnenauftritt einer halben Artistikshow, zumindest was das Umherspringen und Spaßhaben angeht. Apropos Spaßhaben, was macht man als Schlagzeuger, wenn einem nach einen frischen Bier gelüstet? Korrekt. Man crowdsurft auf einem Brett mit einem Besen als Paddel Richtung Schenke. Darauf gab es von der Band erstmal „ein Prosit“.
Auch das Publikum sollte Teil der Performance werden, indem die „Freiwilligen“ Daniela und Fuckface (Nicholas gab ihm diesen Namen) bei einem Song einspringen mussten, um mehr oder weniger verständlichen Text nachzusingen. Ein kleiner Fan allerdings schaffte es später, unbemerkt auf die Bühne zu gelangen und wurde spontan mit ins Programm genommen. Die Zuschauerschaft steckte der kleine Mann eindrucksvoll mit Hey und Ho an und er durfte sogar mit an der Gitarre spielen.
The Dreadnoughts brachten in ihrer eigensinnigen und energiegeladenen Show mit Liedern über Bier, Cider, Freiheit, Frauen und unbekannte Himmel schwungvollen Wind auf Schloss Jägersburg, denn wie schon so oft zuvor: „Polka never dies!“. Damit stimmten sie uns schon mal mit dem richtigen Gefühl auf die letzte Band des Abends ein, The Mahones.
Der Schauplatz des Shamrock Castle füllte sich immer mehr, bevor The Mahones gegen 22 Uhr das Rampenlicht betraten und ihr Banner unter den Moving Heads aufleuchtete.
Wir merkten direkt das wilde, rockigere Temperament der Gruppe und eh man es sich versah, landete man auch schon in einem Tumult aus schwitzenden Menschen, die ihre Körper aneinander warfen. Publikumsnähe war den Mahones wichtig und so nutzten sie die Applausphasen, um direkt das nächste Lied anzustimmen. Durch geladene Mitschrei-Lieder fühlte sich jeder angesprochen, und der Rock kam auf keinen Fall zu kurz. Auch der Folkaspekt wird natürlich beleuchtet. Stark aufgefallen ist mir persönlich der Akkordeonist, welcher neben einer berührenden Sologesangsstimme ebenso über ausreichend Talent mit der Tin Whistle verfügt. Für genug Lieder zum verträumt Hin- und Herwippen wurde demzufolge auch gesorgt. The Mahones waren in ihrem Auftreten durchweg solide. Treibende Schlagzeugpatterns heizten die Stimmung vor und auf der Bühne immer wieder an und man merkte der Gruppe um Finny McConnell den Spaß deutlich an. Gemeinsam wurden die Biergläser gehoben und mit einer Zugabe, die noch einmal alles abverlangte, beendeten die kanadischen Irish Punker den Abend, zumindest auf der Hauptbühne.
Tag eins des Festivals komplettierte die nicht außer Acht zu lassende Biergartenbühne, auf der O‘Malley über den ganzen Nachmittag vor den zufriedenen Sitzsympathisanten und Skatspielern bis in die Nachtstunden hinein alles von klassischen irischen Liedern der Kategorie Folk bis hin zu Country und American-Folk zum Besten gegeben hat.
Müde, aber mit einem dicken Lächeln im Gesicht, begab ich mich in mein Zelt, umgeben von den noch lachenden, sich bettfertig machenden Nachbarn. Die vom Biergarten tönenden Klänge lassen mich dösend mitwippen und meine daheim hinterbliebene Isomatte fast vergessen.
Samstag, sieben Uhr morgens. Nach viel zu wenig Schlaf auf viel zu hartem Boden höre ich die ersten ploppenden Bierflaschen, woraufhin ich mich kurze Zeit später zwischen Dosennudeln und Erdnussbuttertoast zum Frühstück wiederfinde. Ich liebe es. Meine Blicke schweifen über den Zeltplatz, welcher allmählich aufgrund der glühenden Sonne am wolkenlosen Himmel einer Savanne gleicht. Wie an einer erfrischenden Oase versammeln sich nun Löwen und Gazellen gleichermaßen an den großen Waschbecken, um dem kühlen Wasser zum Waschen oder Zähneputzen zu frönen.
Die Zeit, bis die Hauptbühne wieder eröffnet werden sollte, verging wie im Fluge, und so begaben sich um 13:30 Uhr die zwei „alten Säcke“ von Strings & Drones aufs Showgelände.
Die Geschichte der beiden Bandmitglieder reicht tatsächlich bis 1979 zurück, als sie die ersten Straßenmusiktouren durch Europa unternahmen. Einen dementsprechenden Quell an Lebensweisheiten stellten Rainer und Mick zur Verfügung und so ließen sie uns teilhaben an Geschichten übers Saufen, oder etwa über irische Bräuche, die oft mit Saufen zu tun haben. Die souveräne Harmonie, die die beiden über Saiteninstrumente und Pipes sympathisch herüberbrachten, ließ uns zu landestypischen Jigs und Reels, deren Namen laut Rainer ja eigentlich auch egal sind, die Sorgen vergessen und die Beine bewegen.
Weiter ging es mit punch’n’judy, die sich nach eigenen Angaben dem Crossover-Folk zugehörig fühlen. Mit einer prägnanten Mischung aus Rock-, Metal- und Mittelalterelementen ließ die Band aus der Ruhrstadt ein weiteres mal seit 2012 den Boden beben und uns singen, denn „Koboldkönig wird der eine, der laufen kann über heiße Glut“. Mit deutschen und englischen Texten über Märchengeschichten und historische Personen, untermalt von einem treibenden Akkordeon und einer schweren, unterstützenden E-Gitarre, sprachen punch’n’judy eine breite Zuschauerschaft an, da die Lieder zwar anspruchsvoll, aber nicht zu komplex gehalten wurden. Der charismatische Frontsänger Sascha animierte den Moshpit brillant nach allen Kräften. Mitmachen vorprogrammiert!
Etwas anders ging es bei der dritten Band des zweiten Festivaltages zu, denn schon im Vorfeld fragte sich der ansässige Fanclub von Tir Nan Og „Who the fuck is Shaun O‘Malley?!“ – ohne die Biergartenkünstler des Vortags zu meinen.
Sie überzeugten unter anderem mit einer Querflötenspielerin mit kräftiger Singstimme, einem elektronischen Dudelsack, irrwitzig flinken Fiddletunes und einem wahrhaftig irisch aussehenden Frontsänger. In ihrem Auftritt zeigten Tir Nan Og dynamisch in melodisch-traditionellerer Weise Missstände im Leben auf, sprachen über Traumata, die Männer nach verpatzten One Night Stands haben können und bewiesen sogar Hip-Hop-Künste. Die Spannung wurde permanent aufrecht erhalten und nebenbei sogar noch ein Livevideo für OHanlans gedreht! Neben dem Fanclub der Band genossen sowohl wir als auch die restlichen Besucher auf Schloss Jägersburg das gelungene Arrangement von Tir Nan Og, welches in einem Aftershow-Stagedive sein Ende fand.
Die nächste Band hat die Komponenten des traditionellen Folk und peppigem Rock genau richtig verstanden, und so betraten In Search Of A Rose die Bühne. Die Gruppierung aus Ostwestfalen mit dem perfekten Schiebermützengesicht als Leadvocalist stach mit sehr guter Dynamik im Scheinwerferlicht hervor. Die Flexibilität an den Instrumenten überraschte mich stark, denn Bass, Mandoline und Gitarre wurden des öfteren zwischen den Mitgliedern einfach hin- und hergetauscht. Von tanzbarem „Shamrocknroll“ über „Star of the county Down“ mit Rapeinlage bis hin zu einer astreinen Performance der Violinistin durch irische Tunes bot diese Band wirklich alles, was man sich nur wünschen kann. Zusammen mit John Travolta wurden die alten Gemäuer durch hitzige Tanzgelage zum Erschüttern gebracht. Eine wahrlich großartige Combo dieser „old craic-heads“! Wer eine Wah-Wah-Gitarre im Folk verwendet, kann kein schlechter Mensch sein.
Langsam wurde es ernst, und mit der irisch-schwedischen Celtic Punkrock-Band Sir Reg wurden erneut internationale Gäste nach Eggolsheim gebracht. Und ja, genau hier kam der harte Punk, den wir wollten! „Muss an den Schweden liegen“, so einer meiner Begleiter. Sir Reg verbanden mit ihrem irischen Leadsänger die Seele der grünen Insel mit dem schwedischen Sinn für das gewisse Temperament. Ihr Sound war verspielt, ins Gesicht und er ging vor allem in die Beine. In den nahezu permanenten Moshpits konnte man sich neben Eindrücken vom Festival auch Eindrücke in Arm- und Bauchregion holen. Sir Reg hatte allen Grund, von den Medien gern mit den Dropkick Murphys verglichen zu werden. Der Bassist und die Violinistin der Band schafften es immer wieder, neues Feuer in den Fans zu entfachen, um den Adrenalinpegel auf ein Maximum zu treiben, bevor auch mit ruhigeren, textlich tiefgründigen Songs über das Kerrygoldland geglänzt werden konnte.
Doch nun sollte es soweit sein. Die Gastgeber themselves, Fiddler’s Green, waren bereit, das Shamrock Castle Festival durch ihren Auftritt würdig zu vervollständigen.
Auf dem Vorhang erschienen die Silhouetten der Bandmitglieder und unaussprechlicher Jubel brach aus, als Bouzouki und Fiddle den Anfang machten, bei dem wir Gänsehaut bekamen. Zum Fall des Vorhangs eröffneten sie passenderweise mit „Down“ und setzten sogleich den Grundstein für ein schweißtreibendes Programm. In einem neuen Set, anders als zu ihrer Devil‘s Dozen Tour, brachte die berühmteste Folkrockband Deutschlands einige deutlich ältere Lieder wieder zurück auf die Bühne. Mit „P stands for Paddy“ und „I‘ll Tell Me Ma“ sorgten Fiddler‘s Green bei vielen Fans für positive Überraschung. Auch Tobis eigenes Stück an der Geige, ergänzt durch Trommel und Bodhrán von Frank und Stefan, durfte natürlich nicht fehlen, wodurch die Menge ausrastete und es Applaus hagelte. Man könnte sagen, er hatte den Bogen raus. Genau die richtige Menge an Shamrock Tunes.
Neu im Repertoire war seit dem Acoustic Pub Crawl Ende 2017 der Sea Shanty „John Kanaka“, den die Erlanger Fiddlers mit dem bekannten Cupsong verbanden. Hut ab für dieses Maß an Koordination! Was ebenfalls von keinem ihrer Gigs wegzudenken ist, waren die „Rocky Road to Dublin“, bei der die typische Wall of Death Folk etabliert werden musste, sonst weigerte sich die sechsköpfige Band zu spielen. Todesmutig begab sich Sänger Albi in diese Gasse und ließ die Massen um sich herum von Seite zu Seite rennen. Um dem noch eins draufzusetzen, wurde das Publikum dazu aufgefordert, die Shirts auszuziehen und umherzuwedeln. „Egal, ob Männer- oder Frauenbrüste!“, so Pat, der Gitarrist. Bei der alkoholreichen Story über die brennende Kneipe der „Old Dun Cow“ wurde das wohl am lautesten geschriene „MacIntyre!“ in der Geschichte des Shamrock Castle gemessen. „Geil!“, raunte Albi. Mehrmals.
Doch auch für gemäßigte Momente wurde gesorgt, indem sich Fiddler’s Green schon mal vorläufig bei uns und allen bisherigen Bands für das wunderbare Festival mit „Greens and Fellows“ bedankte. Als sich die Showtime der Fiddlers langsam dem Ende zuneigte, bettelten die Zuschauer nahezu nach einer Zugabe. Und so legten sie sogar zwei mal nach! Es war Zeit für ein Sauflied. Die Gläser wurden gehoben, denn eine „bottle a day keeps the doctor away“! Als krönenden Abschluss verabschiedeten sich die Gastgeber mit „Blarney Roses“ und luden dazu die zuvor aufgetretenen Bands zum Mitsingen auf die Bühne ein. Es war, wie als würde man einer liebenden Familie goodbye sagen. Jeder lag dem Nebenmann in den Armen, schwenkte nach links und rechts … Da war es wieder, dieses Gefühl, das bei mir zumindest nur Folk hervorrufen kann.
Was kann ich als Fazit zu meinem ersten Shamrock Castle Festival sagen?
Eigentlich durchweg Positives. Dieses kleine Festival im sonst recht verschlafenen Eggolsheim ist unglaublich familienfreundlich. So viele nahmen einfach ihre Kinder mit, ausgestattet mit Kopfhörern. Es war komplett friedlich. Wie lange ist es her, dass ich auf einem Festival noch Glasflaschen kaufen konnte? Generell, die Szenerie, in die man hineinversetzt wird, passt einfach maßgeschneidert zum Charakter des Festivals. Das Schloss und der Biergarten strahlten im permanent sonnigen Wetter eine entspannende Atmosphäre aus und jeder, den man traf, war freundlich. Unausgeschlossen. Ebenso erfreute uns die riesige Bandbreite an Folkfans. Ich sah Steampunks, Vollblutfantasyfetischisten und sogar einen Mann in Borat-Unterhose!
Mit namhaften Bands hat das Shamrock Castle ordentlich Eindruck geschindet und meine Erwartungen bei weitem übertroffen.
Die einzigen Mankos, die wir feststellen mussten, waren eine geringe Spärlichkeit an sanitären Einrichtungen und die Essenspreise, die teilweise unverständlich hoch waren. Aber das kann man als Besucher im Eifer des Gefechts gern mal außer Acht lassen. Ebenfalls muss ich feststellen, dass der Ersatz für Joe Ginnane, der am Samstag leider nicht auftreten konnte, nicht bei jedem Fan auf gute Resonanz stieß. Manche mochten den musikalischen Unterhaltungskünstler Atze Bauer, manche nicht. Aber das ist ja immer Geschmackssache.
Wenn ihr auch Teil dieser wunderschönen Folkfamily werden wollt, dann haltet euch nächstes Jahr das zweite Juliwochenende frei – das nächste Shamrock Castle am 12.+13.07.2019!
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