Typisches Wacken Open Air Wetter – Regen, Matsch und anschließender Sonnenschein. Trotz des unbeständigen Wetters ließen sich die Metalheads nicht abhalten und bahnten sich ihren Weg vom Campground durch den teils knietiefen Matsch zu den großen Bühnen des Holy Wacken Lands. Respekt an all die Fans, die sich trotz der miesen Wegbedingungen zum Infield vorkämpften. Wacken hat offensichtlich das härteste Publikum der Welt, egal welches Wetter, egal wie tief der Matsch, nichts hält den Wackengänger ab seinen Lieblingsbands einzuheizen.
Am Vormittag wurden die Fans der deutschen Power- und Folk-Metal Band Orden Ogan auf die Probe gestellt. Es regnete das gesamte Konzert wie aus Kübeln, dennoch ließen sie sich die Gelegenheit nicht nehmen Seeb, Tobi, Spoony und Dirki auf dem W:O:A sehen zu können. Den Rest des Tages wurden sie für ihr Durchhaltevermögen mit Sonnenschein belohnt, bloß der Matsch auf den Feldern blieb.
Um 15.30 durften Equilibrium auf der Party Stage zeigen was sie konnten. Leider hat die Party Stage immer noch das Problem, dass der Sound nicht sehr überragend ist. Der Sound der großen Bühnen überschallt leider die Musiker auf der kleineren. Dies führte dazu, dass sich die Massen weiter zur Party Stage drängen, um von dem Sound der Mainstages nicht abgelenkt zu werden. Bewegungsfreiheit? Fehlanzeige. Doch selbst, wenn man sich weiter zur Bühne kämpfte, wurde der Sound nicht besser. Dadurch wirkte die Band in den hinteren Reihen leider recht kraftlos, sodass hier wenig Stimmung aufkam. Die vorderen Reihen konnte Equilibrium hingegen voll überzeugen und beweisen, dass harter Metal mit deutschen Texten durchaus funktionieren kann. Wer sich nicht in die Menge direkt vor der Bühne quetschen wollte, konnte sich zumindest mit einem Met oder Bier trösten. Sicherlich war es nicht ihr letzter Auftritt.
Zeitgleich betrat die schwedische Death Metal Band Entombed A.D. die Black Stage, welche sich nach der Trennung der Band Entombed im Jahre 2014 gründete. Bei strahlendem Sonnenschein, gaben sie alles und heizten der wachsenden Zahl an Zuschauern ordentlich ein. Eine Mischung aus Entombed Covern wie „Eyemaster“, „Living Dead“ und „Supposed to Rot“ brachte die Menge vor der Bühne zum Toben. Nach einer Stunde Spielzeit verließen die Schweden die Bühne und viele Metalheads machten sich auf den Weg zur nächsten Bühne.
Im Bullhead City Circus gab es Beschallung der elektronischen Art. Die Krupps, eine deutsche Industrial/ EBM Band ließ die Herzen der Fans der schwarzen Szene höher schlagen. Mit ihrem basslastigen und eingängigen Beat verschlug es viele Fans zum stompen und tanzen. Besonders bei ihrem Hit „To the Hills“ blieb kein Fuß still. Für den Song „Alive in a Glass Cage“ kam Andy, der Sänger der Band Caliban hinzu. Caliban bespielten in der Nacht zu Sonntag ebenfalls die Headbangers Stage im Bullhead Zelt.
Direkt im Anschluss zu den Krupps spielte die ungarische Band Ektomorf auf der selben Bühne. Sänger Zoltàn „Zoli“ Farkas war von Anfang vom Publikum begeistert. Zu Recht, denn die vielen Fans, die sich für die Ungarn in das Zelt begeben hatten, brachten den Bullhead City Circus zum Beben. Sie sprangen, klatschten und gröhlten mit. Die Bodenplatten wackelten und mehrere Moshpits bildeten sich – Müdigkeit seitens der Fans war keine zu erkennen, der Matsch schien ihnen kaum Energie zu rauben. Ektomorf waren das letzte Mal 2008 in Wacken und für sie schien es nicht alltäglich zu sein vor so großem Publikum zu spielen, denn „Zoli“ grinste das gesamte Konzert über und drückte mehrmals seine Begeisterung über die Wackenfans aus.
Wer nicht im Zelt war, konnte auf der Black Stage die Pagan Metal Band Eluveitie sehen. Die Schweizer kombinieren Mittelalterliche Instrumente und Melodien mit deftigem Metal Sound. Diese Mischung beherrschen sie wie kaum eine andere Band. Harte Gitarrenriffs wechseln sich mit weichen Melodien ab und harmonieren dabei so gekonnt als würden sie schon immer zusammen gehören. Darüber hinaus bekamen sie in Wacken noch prominente Unterstützung. Niemand Geringes als Liv Kristine teilte mit ihnen die Bühne. Gemeinsam performten sie unter anderem den Song „A Rose for Epona“.
Im Anschluss spielten Bullet for my Valentine auf der True Metal Stage. Für sie war, wie auch für Ektomorf, 2008 das letzte Mal, als sie auf den großen Bühnen im hohen Norden Deutschlands spielen durften. Lead-Sänger Matthew Tuck war beeindruckt vom Anblick des Publikums. Für Bullet for my Valentine ist es ebenfalls nicht gängig vor solch einer Menschenmenge wie hier in Wacken spielen zu können. Mit einem Mix aus alten und neuen Liedern begeisterten sie die Fans, die lauthals mitgröhlten und sich vom tiefen Matsch nicht die Stimmung vermiesen ließen. Nach Songs wie „4 Words to Choke Upon“, „Hand of Blood“, “Army of Noise”, vielen Gitarrensoli und einem Drumsolo haute Bullet for my Valentine noch die beiden Kracher „Your Betrayal“ und „Waking the Demon“ als Zugabe raus. Sie verlangten dem Publikum wirklich alles ab – pogen, gröhlen, springen und das alles bei Sonnenuntergang im Matsch.
Konträr zu dem was auf der True Metal Stage geboten wurde, kündigten die einarmigen Banditen auf den Leinwänden der Black Stage den Auftritt von Tarja Turunen an. Doch bevor das Konzert anfing, bekam das Publikum auf den Leinwänden Ausschnitte von Tarjas Auftritt am Mittwoch in der Metal Church in Wacken zu sehen. Mit Covern von klassischen Liedern, wie „Ave Maria“ von Schubert präsentierte Tarja ihre Stimme in voller Fülle. Doch wie Tarja in der Pressekonferenz am Donnerstag zugab, kann sie nicht bloß klassisch singen und coverte in der Kirche auch Songs aus der Metalszene, wie „Ohne Dich“ von Rammstein. Bei „Ohne Dich“ sang das Publikum lauthals mit, doch als Tarja selbst die Bühne betrat, wollte der Funke nicht so recht überspringen. Die ersten Reihen feierten sie, die hinteren verhielten sich eher ruhig. Für Tarja hingegen war es nicht bloß ein besonderer Tag, weil sie auf Wacken performen durfte, sondern auch weil ihr neues Album „Shadow Self“ am selbigen Tag Release feierte. Auf dem Album ist sie nicht nur allein zu hören. Der Song „Demons in you“ ist ein Duett mit Alissa White-Gluz von Arch Enemy, die das krasse Gegenteil von Tarja verkörpert: raue Stimme und eine absolute Powerfrau. Als Überraschung holte Tarja Alissa mit auf die Bühne und zusammen performten sie ihren gemeinsamen Song. Bei dem Duett wurde der Unterschied noch deutlicher, Tarja trug ein weißes Kleid und High Heels, Alissa dagegen schwarze Shorts, Boots und Netztop. Stimmlich könnten die beiden ebenfalls nicht unterschiedlicher sein. Tarja sang wie gewohnt mit ihrer hohen klassischen Stimme, Alissa ließ ihrer tiefen Stimme freien Lauf und growlte ins Mikorfon, wie man es sonst nur von Arch Enemy Auftritten kennt. Nach dem kurzen Gastauftritt sang Tarja weitere drei Songs, bevor sich das Konzert dem Ende neigte. „Victim of Ritual“ war einer der drei Songs, welcher von der Titelmusik des Films Fluch der Karibik inspiriert ist.
Zur gleichen Zeit gab es auf der Party Stage eine Special Exclusive Show von Metal Urgestein Kai Hansen. Dieser bringt nach seiner nunmehr 30 jährigen Karriere sein ersten Solo Album mit dem Titel „XXX“ heraus. Auch wenn er es selbst nicht als Solo Album betrachtet, wie er auf Pressekonferenz verriet. Denn zur Verstärkung holte er sich mit Alex Dietz (Heaven Shall Burn), Eike Freese (Dark Age) und Daniel Wilding (Carcass) drei fantastische Musiker an Board. Diese unterstützten ihn auch tatkräftig beim Songwriting. Leider fehlte Daniel Wilding beim Auftritt in Wacken, da er mit Carcass in Kanada tourte. Jedoch fand sich hochkarätiger Ersatz in der Person von Michael Ehré (Gamma Ray).
Die Songs vom „XXX“ Album, das Mitte September veröffentlicht wird, sind dabei extrem rockig und auch der Frontmann selbst versucht wesentlich aggressiver zu klingen. Seine Stimme bleibt dabei jedoch unverkennbar. Aber Kai Hansen wäre wohl nicht er selbst, wenn nicht wenigstens ein paar Helloween Klassiker gespielt werden würden. Der Helloween Evergreen „Ride the Sky“ wurde den Fans direkt als zweiter Song um die Ohren geblasen. Bei weiteren Liedern bekam er Unterstützung von Visions of Atlantis Sängerin Clémentine Delauney und von Gamma Ray Bandkollegen Frank Beck. Auch sein alter Weggefährte Michael Kiske ließ sich nicht lumpen und performte „I want out“ und „Future World“ mit der Band. Wer Kai Hansen mag, aber mal etwas Abwechslung vom typischen Helloween und Gamma Ray Sound haben möchte, dem sei das Album sehr ans Herz gelegt.
Wer Musik weitab der Mainstages suchte, wurde im Biergarten fündig. Auf der kleinen Beergardenstage spielten die niederländischen Jungs von John Coffey. Das Konzert hatte durch die kleine Location und die Bierzeltgarnituren Clubcharakter und ließ einen für einen Moment vergessen, dass man auf dem größten Metalfestival ist. Genauso surreal wie das Konzert dem Wackenbesucher erschien, empfanden John Coffey ihren Auftritt. Der Gitarrist erzählte, dass er als kleiner Junge Leute mit Wacken Shirts gesehen hatte und sich dachte, dass das „pretty badass“ aussah. Zu der Zeit war ihm natürlich nicht klar, dass er 2016 selbst mit Band auf dem Festival spielen würde. Mit ihrer Mischung aus Punkrock und Post-Hardcore brachten sie die Fans im Biergarten zum Headbangen und Pogen. Erstes Mal in Wacken und schon nach den Sternen greifen wollen – John Coffey verlangten von ihrem Publikum alles: von mitgröhlen, über Circle Pit bis hin zur berüchtigten Wall of Death. Der Sänger forderte die Menge in seinem gebrochen Deutsch auf seine Wünsche zu erfüllen, aber nur „wenn das schön ist“. Bei solch niedlichen Fehlern konnte die Menge keinen Wunsch unerfüllt lassen.
Während John Coffey im Biergarten ihren ersten Wacken Auftritt zelebrierten, ging es auf der True Metal Stage hoch her mit Blind Guardian – Headliner am Freitag.
Diese entführten das Publikum wie gewohnt in die Welt der Elfen und Hobbits und spielten dabei viele ihrer Klassiker aber auch neueres Material. Da die Band sich musikalisch über die Jahre sehr gewandelt hat, stehen viele Fans dem neuen Material sehr kritisch gegenüber und viele befürchteten, dass die alten Songs zu kurz kommen. Aber weit gefehlt! Zwar spielten sie mit „Beyond the ninth Wave“ direkt zum Einstieg einen Song vom aktuellen Album „Beyond the Red Mirror“, aber direkt danach bedienten sie mit „The script for my Requiem“ und „Nightfall“ die Fans der alten Schule. Das gefiehl dem Publikum deutlich besser und es bewies direkt seine überdurschnittliche Textsicherheit. Bei „Lord of the rings“ und „The Bards Song“ übernahm es sogar fast den kompletten Gesangspart. Sänger Hansi Kürsch hätte sich hier eigentlich komplett zurückziehen können aber zum Glück heizte er die Menge weiter an. Mit Songs wie „The last candle“, „Time stands still (at the Iron Hill)“ und „Imaginations from the other side“ konnte er auch den letzten Fan überzeugen. Als das Konzert mit „Mirror Mirror„ und „Valhalla“ endete, hatten viele Besucher wohl endgültig die Stimme verloren, hoffentlich findet der eine oder andere sie über Nacht wieder, denn morgen wartet noch ein langer letzter Festivaltag mit vielen guten Konzerten auf die Fans.
Hier geht es zum ersten Teil unserer Wacken Berichterstattung 2016: „Wacken 2016 – Start am Mittwoch und Iron Maiden am Donnerstag„.
Text: Frauke Papencort, Martin Pöpel
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