Rockbands, die in die Musikgeschichte eingegangen sind, haben ein Problem, wenn der Leadsänger wegfällt. Ganz besonders dann, wenn der Frontman eine solche Präsenz und Bühnengewalt hatte wie Freddie Mercury. Der Sänger, der 1991 verstarb, war mit seiner Ausstrahlung so prägend für die Shows von Queen, dass es nicht ganz einfach ist, sich auf einen Ersatz einzustellen.
Adam Lambert machte es aber auf die geschickteste Weise, ja fast wie ein eloquenter Rhetoriker, als er dem nur halb gefüllte Rhein-Energie Stadion erzählte, niemand könne Freddie ersetzen, das sei gar nicht seine Intention. Mit solch Prokatalepsis par excellence gab er solchen Recht, die etwas skeptisch auf einen Sänger gucken, der Freddie ersetzen soll.
Stattdessen gab Adam Lambert den Besuchern eher das Gefühl, nicht ersetzen, sondern nur vertreten zu wollen. „I love Freddie, we all love Freddie“ rief er den Menschen zu, die mit Videos von Mercury auf der Videowand immer wieder daran erinnert wurden, wie es mal in der Originalbesetzung war, und positionierte sich so als einer von Ihnen, als Fan. Es sei eine große Ehre, mit Queen die Songs zu performen. Und das machte er gar nicht so schlecht.
Das knapp zweistündige Set war ein Quer-durch-die-Zeiten Best-Of von Queen, das zugegebener Weise weder besonders ausgefallen, noch viel anders als der Auftritt vor einiger Zeit in der Lanxess Arena war. Was die Setlist angeht, geht Queen eher auf Nummer sicher. Mit Songs wie „Who wants to live forever“, „Crazy Little Thing Called Love“ und dem Song mit dem wohl epischsten Song-Einstieg der Musikgeschichte, „I Want It All“ konnten Queen + Adam Lambert vor allem souverän abliefern und den knapp 25.000 Zuschauer*innen präsentieren, wozu sie gekommen waren.
Adam Lambert machte nicht nur stimmlich eine gute Figur: Sehr selbstsicher zeigte er, wie er nach 7 Jahren im Showgeschäft so bühnenbewusst sein kann, vollkommen entspannt auszusehen, sich entspannt auf einen Thron zu räkeln. Insgesamt fünf Outfit-Wechsel verdeutlichten, dass Adam Lambert seinen eigenen Stil als Bühnenpersönlichkeit einbringen konnte, trotz des omnipräsenten & übergroßen Schatten des Idols Freddie.
Dass Lambert eine brillante vocale Performance abgeliefert hat, konnte an dem Abend niemand wirklich bestreiten. Streitbar blieb und bleibt wohl immer die Frage, ob er Freddie würdig vertreten konnte. Um der Show einen eigenen Touch zu geben, hätte es sicherlich geholfen, ein-zwei Songs von Lambert selbst einzustreuen, wie „Ghost Town“ oder „Whaddaya Want From Me“ – Zeugnisse, dass Lambert selbst ein erfolgreicher Musiker ist und nicht nur fremde Lorbeeren einstreicht.
Bei anderen Gelegenheiten begleitete Queen Adam Lambert ja durchaus bei seinen eigenen Songs – im Rhein-Energie Stadion besann man sich auf pures Queen Material, mit Ausnahme einer May-Kompsition. Doch konnte Lambert dennoch seinen eigenen Anstrich verleihen, insbesondere beim energie-geladenen „Don’t Stop Me Now“ oder bei „Under Pressure“, als er singend einen Regenschirm auf die Bühne holte und damit etwas selbstironisch herumalberte, bis er lachend bemerkte – „I’m sooo queer!“ Trotz aller Diskussion, ob Lambert ein adäquater Ersatz für Mercury ist – jemand besseren, der näher an die Stimmgewalt und die einnehmende Bühnengesten des ursprünglichen Queen Sängers herankommt, hätte man wohl kaum finden können.
Brian May und Roger Taylor, die verbliebenen Queen-Mitglieder, wirkten hingegen ab und an ein wenig müde. Müde vom Showgeschäft, müde, das Publikum zu animieren, das zum Teil lange Zeit im strömenden Regen stand, müde, nach 30 Jahren dasselbe Solo zu spielen. Glänzen konnten beide vor allem dann, wenn sie selbst sangen: May mit dem bedächtigen „Love Of My Life“, bei welchem er von zwei Regenschirmen geschützt wurde, die Techniker über ihn hielten, und Taylor, der rührend „These Are The Days Of Our Lives“ zum besten gab und eine ausgezeichnete Figur machte. Auch bei den Instrumentalparts konnten beide noch mal zeigen, wie jahrzehntelange Erfahrung prägt: Roger Taylor, der im Regen stehend ein Drumbattle mit seinem Sohn, Rufus Taylor, zum besten gab, May bei seinem vertrackten, atmosphärischen Gitarrensolo. Kaum ein Bühnenbild war an dem Abend so stimmig und wirkungsvoll inszeniert wie der promovierte Astrophysiker May, der auf einer Hebebühne vor dem LED-Backdrop-Bildschirm stand, welcher durch virtuelle Sternengalaxien flog, umsäumt von strahlenden Lasern.
Vielleicht war die Location mit dem Rhein-Energie Stadion am Ende doch zu überdimensioniert für die ergrauten Rock-Giganten von Queen, selbst mit frischer Unterstützung von Lambert. Ob es am Ende am Brückentag lag, an dem viele potentielle Besucher ins verlängerte Wochenende fahren, Familienväter & -mütter, die Queen noch vor über 25 Jahren kennen gelernt haben als Freddie noch lebte? Manche Show-Neuheiten, die es zu Freddies Zeit noch nicht gab, wie die Laser, die ausgiebig benutzt wurden, konnten den alten Songs was neues einhauchen – einiges, wie die Nebelkanonen, wirkte dagegen übermotiviert zufällig drapiert und benutzt.
Ambitioniert, so oder so. Es hätte besser laufen können, für Queen und die Veranstalter, mit diesem einzigen Auftritt in Deutschland auf der aktuellen Tour. Und doch: Trotz der manchmal durchblickenden Bühnen-Erschöpfung blitzten jugendlich-verschmitzte Momente durch das eher alters-milde Gesicht von May, wenn er für die Zugabe ein „Cologne – Köln“ Touristenshirt anzog oder noch mal mit einem majestätisch-silbernen Umhang souverän auf der Bühne umherstolzierte. Damit zeigten die beiden doch erneut, wie viel die Bühenbretter ihm und Roger Taylor noch bedeuten, weshalb sie nach all den Jahren mit Adam Lambert doch noch mal auf Tour gingen. Lang werden sie das vermutlich nicht mehr machen. Das könnte ihnen niemand übel nehmen – trotzdem wird es schade sein, denn überzeugen kann Queen noch immer. Und Adam Lambert sowieso, egal, wie passend er nun Freddie vertreten kann oder nicht.
Fotos: Aaron Wilmink
1. Juni 2016 um 00:15
Ja, was soll man sagen …
Tolles Konzert, tolle Bühnenshow. Vor allem lichttechnisch und virtuell (Back-Drop-Bildschirm) wurde ein wahres Feuerwerk abgebrannt, wie man das von Queen gewohnt ist. Zu hören bekam man leider überwiegend … viel Krach. Seit Jahren besuche ich Rockevents in Clubs, Hallen, OpenAir und auch in Stadien. Wenn man keinen Tontechniker hat, der den Sound einer Rock Bühne auf eine Arena wie das „RheinEnergieSTADION“ abstimmen kann, sollte man es bleiben lassen. Ein Stadion mit überdachten Rängen und den daraus resultierenden Reflektionen, Überlagerungen und Interferenzen ist immer eine Herausforderung. Aber auch das geht, gar bei geschlossenem Dach, wie andere Arenen eindrucksvoll beweisen. Dies jedoch war das schlechteste an Sound, was ich je in einem Stadion hören musste. Sobald Liedgitarre und/oder kräftiger Gesang ertönten verschmolz der Sound auf den Rängen zu einem undifferenzierbaren Schallgemisch, eben: Krach. Im Parkett vor der Bühne war der Sound in Ordnung. Aber ein Stadion ist nun mal kein freies Feld à la „Rock am Ring“ oder „Wacken“. Da konnten sich die Künstler auf der Bühne noch so mühen, auf den Rängen und Tribünen war der Sound unterirdisch. Schade. Versöhnlich stimmten da nur die leisen Töne: Die Balladen und Vokal-Solos kamen gut rüber. Auch die Bässe waren verzerrungsfrei abgestimmt, die Roger und Rufus Taylor Drumbattle war der Hammer und geradezu eine Wohltat.
Und am Schluss? Like Queen eben. So und nicht anders muss ein Queen Konzert Enden.