Schon ein Jahrzehnt lang organisieren Mandy & Ralf mit der Unterstützung ihrer vielen, freiwilligen Helfer das TonART-Festival in Ilmenau. Am 07. November 2015 öffnete die Festhalle in Ilmenau wieder einmal die Tore für alle Freunde der Vokalmusik. Von Nah und Fern strömten die Besucher herbei, um sich dieses Spektakel aus sechs A-cappella-Gruppen aus Deutschland, Italien, Schweden und den Niederlanden durch die Gehörgänge schallen zu lassen.
Im Jahr 2016 fand kein TonART-Festival statt – weil aktuell aber Geschenkezeit ist, veröffentlichen wir als Dankeschön für zehn tolle Jahre jetzt (endlich) den TonART-Festivalrückblick 2015, auch um die Lücke etwas zu schließen und Vorfreude auf 2017 zu schüren (..bisher gab’s von uns nämlich nur im November 2015 eine Fotogalerie zur Jubiläumsausgabe). Text & Bilder: Festivalhopper Steve & Yoda.
Dabei bewiesen die internationalen Künstler die Absurdität einer Sprachbarriere. So zogen sie durch einfache, aber kraftvolle Töne aus ihren Kehlen das Publikum in ihren Bann und übertrugen sowohl lautes Gelächter, tiefe Emotionen und helle Begeisterung auf den mit weit aufgerissenen Augen und Ohren lauschenden Saal.
Den Startton zündeten in diesem Jahr die italienische Gruppe SeiOttavi, die wie das Festival selbst ihr 10-jähriges Jubiläum feiern. Während das Betreten der Bühne stark künstlerisch wie expressionistisch daherkommt, gewinnt die A-cappella Gruppe aus Palermo, durch unterschiedliche Medleys aus bekannten Musical-, Film- und Opernsongs sowie durch ein mit süßem Dialekt gesprochenes „Herzlich Willkommen“, schnell die Herzen des Publikums. Klassiker, wie Mama Mia und Die Zauberflöte über Flintstones und Popeye bis hin zu James Bond, Die Unendliche Geschichte und Indiana Jones, gehören zu ihrem Repertoire ebenso wie die Melodien aus ihrem romantischen wie geschichtsträchtigen Heimatland. Dabei belegen sie nicht nur ihre beeindruckende Fähigkeit Musikinstrumente nur durch das Öffnen und Schließen der Stimmlappen des Kehlkopfs perfekt zu imitieren, sondern zeigen auch ihr Talent zur Komik. Die akustische Darstellung einer Schreibtischszene mit lauthals schlagender und klingender Schreibmaschine eines Bandmitglieds erfüllt diesen Zweck in den Augen der Zuhörerschaft voll und ganz. Den Abschied dieses ersten Showacts beschließt SeiOttavi mit einem eigenen Musikvideo aus Palermo „Vucciria“ und einem freundlichen Handschlag unter den Bandmitgliedern sowie den begeisterten, paarweisen Handschlägen durch die Zuhörer.
Auch die zweite Gruppe des Abends umgibt eine geschichtliche Verbindung mit dem Festival, denn auch Acoustic Instinct feiert eine Dekade des Bestehens. Das Duo, welches zugleich die Rolle der Moderation über den Abend einnimmt, zeichnet sich durch spielerischen Umgang mit Geräuschkulissen aus und motiviert das Publikum bei immer wieder neuen Rateaufgaben verschiedenste Klangkulissen zu entschlüsseln. Von Muscheln, Seepferdchen und Delfinen bis Helikopter, Fensterputzen und Spielautomaten als auch dem gesamten Spektrum des Beatboxens scheint ihnen keine Aufgabe zu schwierig. Die beiden Herren aus Freiburg singen scheinbar schon seit vielen Jahren Schlagzeug und geben sich in einer lockeren, spritzigen Art alla Stan und Oli oder Donald und Goofy. Dabei überzeugen sie gleichzeitig in Performance und musikalischem Geschick bei gefühlvollen Balladen sowie einem Querschnitt durch alle Radioprogramme aus Omas Zeiten.
Doch sie wissen nicht nur Geräusche und Stimmung zu machen. Sie beweisen auch, dass das TonART-Publikum wie kein anderes in der Lage ist zu musizieren. Aufgeteilt nach primären Gesangsmerkmalen, wie der Form von Kehlkopf und Stimmlippen, wird die Festhalle, auf das Signal der Künstler hin, als riesiger Resonanzraum abwechselnd von einem hellen „YEAHYEAHYEAH“ sowie einem gebrummten „LALALALALA“ durchdrungen. Auf diese Weise und mit lustigen Anekdoten leiten Acoustic Instinct die Zuhörer enthusiastisch und mit starkem Beat durch den gesamten Jubiläumsabend sowie in die erste Pause des Abends.
Während das erste Drittel eher durch Medleys bekannter Titel besticht, zelebriert Klangbezirk, als die dritte Band des Festes, vorzugsweise jeden dargebotenen Song mit größter Anmut und Leidenschaft für sich allein. Schon bei dem Eröffnungsstück „Back to the garden“, unter Zuhilfenahme der Rhythmusgruppe aus drei der vier Bandmitglieder, steigert sich die vierte als helle Frauenstimme in neue Höhen und erobert die Gästeschaar für sich.
Dabei geleitet diese Berliner Stimmgarde im Laufe ihres Auftritts durch die unterschiedlichsten Musikgenres, wie bspw. dem Jazz Bebop-Genre, der Volksmusik aus Danzig und sogar Klängen aus der chinesischen Hochkultur, eine der Paradedisziplinen der Band.
Unter diesen zahlreichen, akustischen Vergnüglichkeiten sollen zwei absolute Highlights des Abends hervorgehoben werden. Dazu zählt zum einen der Soloauftritt von Matthias Knoche. Er schmettert den Rockklassiker „Roxanne“ als Mann in Beige im Rotlicht der Bühne über die Dirne aus selbiger Szenerie und bedient sich dabei herzhaft am Bass und schrillen Tönen, um die Zuhörerschaft zur Ehrfurcht zu ermahnen, sodass sich der ekstatische Applaus erst einige Sekunden nach dem Verklingen der letzten Silben zu erheben erlaubt. Der zweite Höhepunkt krönt und beendet den Auftritt von Klangbezirk. Es handelt sich um einen Titel in der chinesischen Sprache Mandarin, welcher übersetzt „Nebeliges Wasser“ bedeutet. Die Bühne sowie die Klangenergie der vier Stimmvirtuosen werden dafür in blauen Dunst getaucht. Auch ohne Sprachkenntnisse in Mandarin oder einer anderen Zitrusfrucht („AUTSCH – Der Autor entschuldigt sich an dieser Stelle für diesen Flachwitz, aber der Redakteur hat ihn dazu gezwungen.“) bringen die Melodien eine Phantasie zum Erklingen und entführen die Hörer in fremde Länder und Landschaften.
Auch die zweite Band dieses Drittels zeigen was die richtige Atemtechnik, volumenschaffende Stimmenergie und Begeisterung beim Singen ausmachen. In Unduzo, vier Männer und eine Frau aus Freiburg, leben jedoch zwei Gesangsseelen, wie sie unterschiedlicher scheinbar nicht sein könnten. Der erste Teil wird eher mit Augenzwinkern und Schmunzelmund gespielt. Darin referiert die Gruppe, zu der auch der Moderator Julian gehört, über die unterschiedlichen Betrachtungsweise des Frühlingsanfangs, einer skurrilen Banderzählung mit Geräuschuntermalung des Publikum von Herzklopfen, über Mastschweine bis zu Kaninchensex sowie der Leidensgeschichte eines Beatboxers in Freiburg mit viel Witz, Charme und nicht wenigen Lachtränen. Doch dann, wie aus dem Nichts, beweist auch dieses Gesangsensemble, dass A-cappella zum Ausdruck tiefgreifenden Emotionen einsetzbar ist und der Musik mit Instrumenten an keiner Stelle nachsieht. „Der Clown“, als Ausdruck der unerreichbaren Liebe eines einfachen Narren zu einer anmutigen Hochseiltänzerin, rührt die Szenerie der Festhalle in wenigen Minuten zu tränenden Augen und beschreibt die in allen beständige Sehnsucht nach Nähe und Zuneigung auf unnachahmliche Weise. Anders als ihre Vorgänger entlassen Unduzo die sitzende wie stehende Saalgemeinschaft jedoch mit obszönem Lachen, ausgelöst durch die überspitze Darstellung des französischen Frauenhelden und gleichzeitigem Namensgeber des Schlussacts: „Der Gigolo“, in die wohlverdiente Pause.
Nachdem die zahlenden Gäste sich erneut der Plauderei über Gehörtes als auch dem Alkohol und Snacks der Örtlichkeit hingegeben haben, macht sich am später werdenden Abend immer mehr eine Welle der Lethargie bemerkbar. Den Moderatoren, als wahre Zierde ihrer Zunft, bleibt dieser Sachverhalt nicht unbemerkt und so beschließen sie schnell und nachdrücklich Gegenmaßnahmen einzuleiten. Und tatsächlich: Nach kurzem Abendsportprogramm, mit verschiedenen Arten des La-Ola-Wellen-Schlagens, rhythmischer Sportgymnastik in Klatsch-Konzentration-Haltung und der etwas anderen Bauch-Beine-Po-Übung, ist von den eben noch müden Knochen und Hörorganen in den Sitzreihen nichts mehr zu erkennen. Das letzte Drittel kann beginnen.
Unter dem Motto: „Hört auf den Mann im schwarzen Anzug“ betreten sechs Männer, dieser Beschreibung nicht ganz unähnlich, die Tribüne. Vocal Six pflegen sie sich selber zu nennen und das inzwischen schon seit 1988. Wie alle Bands, waren auch sie bereits vor einigen Jahren beim TonART-Festival in Ilmenau dabei und stellen auch dieses Mal ihr Gesangsvermögen im vollen Umfang zur Verfügung. Mit Songs wie „Reet Petite“ von Jackie Wilson, einem Potpourri aus Michael Jackson Hits und „Love Runs Out“ von OneRepublic bringen sie die Saalreihen vollkommen ohne Instrumente – an dieser Stelle zum letzten Mal erwähnt – zum Klingen, Schwingen und Mitsingen.
Doch bei so vielen Alphamännchen mit Drang nach Aufmerksamkeit, wie in ihrem Leitspruch vom Beginn betont, bleibt auch eine gewisse Rivalität unter den Tonkünstlern nicht aus. So drängen sich die einzelnen Herren des klangvollen Ausatmens in ihrem Tom-Jones-Medley immer wieder in den Fokus der Hörerschaft und kämpfen so um den Titel des besten Jones Imitators. Die dabei wilden wie witzigen Bühnenszenen im Band-internen Battle finden durch das Gelächter und die Anerkennung des Publikums sowie durch das durchsetzende Brummen des Basssängers ihr verdientes Ende. Als zweites Glanzstück findet ein nicht minder amüsanter Song seinen Platz im Arrangement des Sextetts und lehrt uns, dass Leidensgeschichten nicht nur von Beatboxern stammen und auch sich nicht immer um die Liebe drehen müssen. „What`s the meaning of Stonehenge?“ ist dabei die Frage, die den Mann, der schon alles hat, nach und nach in den Wahnsinn treibt. Wer hierbei kein ehrliches Mitleid und nur Spott und Heiterkeit verspürt, hat ausnahmsweise alles richtig gemacht. Vocal Six können damit ihren Auftrag eines erfolgreichen Auftritts als erledigt verbuchen und verabschieden sich mit ihrer Zugabe „I Gotta Feeling“ von dem Rampenlicht.
Noch bevor die zeitablaufbedingt letzte Gruppe den ersten Ton anschlägt, wurde es Zeit den Veranstaltern Ralf und Mandy zu danken. Sie organisieren, planen und packen das TonART-Festival in Ilmenau nun seit einem Jahrzehnt. Einem Jahrzehnt der berauschenden Klänge. Ein Jahrzehnt mit wachsender Bekanntheit und Publikumszahlen. Und ein Jahrzehnt mit vielen, freiwilligen Helfern, die inzwischen eher Familie als Mitarbeitern sind und häufig nur für das Fest und zur Unterstützung anreisen. Die Zukunft dieses A-cappella-Spektakels als kulturelles Hochvergnügen in Ilmenau scheint unter dieser Leitung gesichert. Wir danken Ralf und Mandy!
Es folgt der letzte Akt. Schüchtern schleicht sich ein Mann über die Bühne ans Mikro und beginnt leise in selbiges zu summen bis das Geschehen mit dem Auftritt und Einstimmen der drei anderen Sänger in einem Beatfeuerwerk explodiert. „Let`s Get It Started“ dröhnen iNtrmzzo in den Raum und die Menge reagiert wie ihr geheißen. Sie springen selbst im Sitzen auf den Bühnenbrettern hin und her und zeigen eindrucksvoll mit Lippenzittern, Sitz-Platz-Choreografien und dem Einsatz von NICHT-Musikinstrumenten, wie man das Publikum für sich begeistern kann. Die Erwähnung der gespielten Songs „Shape of my Heard“, „Superfreak“ und „Gangster`s Paradise“ sollen an dieser Stelle nur einmal die Bandbreite dieser vier Timbre-Meistern offenbaren.
„Wir sind einen A-cappella-Band aus Holland“ tut der A-Kapellmeister gebetsmühlenartig zwischen jedem der nun angestimmten Stimmbekenntnissen kund, wobei sein übertriebener Akzent den Bluff perfekt macht. Die Gruppe ist wohl aus Holland, doch er selbst kommt aus Good old Germany, was er mit klarem Hochdeutsch den verblüften Zuschauern gegen Ende unter Beweis stellt. Ein Scherz auf Kosten der Gäste zur Belustigung für Band und der Reingelegten, den wohl keiner ernsthaft übel nehmen kann. Den absoluten Gipfel der Heiterkeit erreicht das Quartett aus Sängern mit Nebenfach Tanzen in ihrer Performance zum Titel „Stayin` alive“ von den Bee Gees. Beinaufschlag, Retour und Angabe beim Spreizen der unteren Extremitäten wirken im ständigen Wechsel unter der lebensbejahenden Botschaft wie eine Übung, die in keiner Schwangerschaftsgymnastik fehlen dürfte. Unter tobendem Klatschen verlässt iNtrmzzo als letzte Band die Theaterspielfläche, nur um sie mit allen Sängern des Abends für ein abschließendes Geträller zum Thema „Disko“ von Jan Delay erneut zu betreten und somit das Ende des 10. TonART-Festivals zu einzuläuten. Wir freuen uns auf die nächsten 10!
Hier geht es zu unseren Rückblicken auf das TonART Festival “Lettische Medlz mit Beat Poetry und Viva Voce an Scampi im Tonalrausch (2014)“, zum Rückblick 2013 „TonART 2013 – „wonderful“!„, 2011: „Ilmenauer TonART Festival verzauberte Jung & Alt„.
28. August 2019 um 10:24
[…] TonART Besucher konnten das a-cappella Feuerwerk von Unduzo bereits 2015 in Thüringen erleben. Damals, zum 10-jährigen Festivaljubiläum buchte man sich schon einmal dieses Highlight ins Programm. Wer das erleben durfte, wird sich nun über die Nachricht freuen, die A-cappella Band mit einem neuen und vollständigen Programm erleben zu können. Mit 75 Minuten steht ihr Auftritt im diesjährigen Programm – zur TonART Jubiläumsausgabe hatte jede der sechs auftretenden Bands nur knackige 30 Minuten zur Verfügung. Ausserdem gibt es seit diesem Jahr auch “eine Neue” bei Unduzo: Julie ist ab sofort für die Frauenstimme zuständig. Hier geht es zu unserem damaligen Rückblick “TonART – Das A-cappella Festival feierte 10-jähriges Jubiläum“. […]