Wenn man sein Zelt in Hamburg ins Auto warf und Richtung Südosten nur so einmal richtig Gas gab, dann hatte man auch schon alles richtig gemacht. Man hatte das Gefühl, dass das Auto von der A7 hinunter von ganz allein nach Luhmühlen zum A Summer’s Tale Festival kullerte, seit im Navi das Ziel feststand. Es war wie ein kurzes Blinzeln. Dann das Grün, heftig sattes Grün. Idylle, wie sie per Definition im Buche steht, und in der Luft lag nichts als Lust.
Wir hatten vier Tage und das Herz genug Platz für eine Sommergeschichte.
Das Auto war schnell abgestellt, das Zelt eben hingeworfen, da blätterten meine Finger auch schon durch ein aufwändig gestaltetes Programm-heft, und ich dachte daran, wie schön es doch ist, dass es Menschen gibt, deren Gedanken immer rotieren, die im Kopf ungeahnte Kurven nehmen und so zu immer neuen Ideen finden. Das A Summer’s Tale wollte besonders sein, das sah man ihm gleich an. Es taten sich so viele Programmpunkte auf, dass man sich gut und gern vierteln und jedes Körperteil mit einem „Los, lauf!“ auf Entdeckungstour schicken wollte. 5000 Menschen konnten die Macher dieses Kultur- und Kunstevents so freudestrahlend zur Festivalpremiere in die Lüneburger Heide locken, wo sie nebst friedlich grasenden Kühen ihre Zelte aufschlagen wollten. And please, don’t stop the moo-sic!
Der Himmel zeigte sich bereits am Mittwoch von seiner schönsten Seite, und unsere Sommergeschichte begann daher auch direkt mit einer 2-stündigen Kanutour auf der Luhe. Wir trudelten das wunderschön klare Flüsschen stromabwärts und keine 10 Minuten später flogen uns auch schon die ersten Eisvögel entgegen. Wait, what? Da guckt der Städter natürlich nicht schlecht und muss auch direkt erstmal nachschlagen, was ihm da kolibrimäßig vor der Latichte herumfliegt. Insgesamt eine wirklich entspannte und spaßige Angelegenheit, die uns nicht zuletzt noch zur unfreiwilligen Abkühlung verhalf. Doch die Luhe ist eindeutig der Pool unter den Flüssen. Das Kentern geht hier also absolut klar.
Locker luftig verteilten sich Jung und Alt in den folgenden Tagen auf dem Gelände – und das trotz Hitze, denn Schatten gab es hier genug. Geklönt wurde auf saftigen Wiesen, kunstvollen Holzmöbeln oder in Hängematten am Waldrand. Lass baumeln! Wer Lust hatte, traf sich beim Yoga Flow, einer Lesung von Heinz Strunk oder in der Activity Arena bei dem Versuch das lebensgroße Jenga zu beherrschen. Wir hatten die Slackline selbst noch nicht überquert, da wollten wir schon zum Siebdruck und anschließend unser ganzes Geld auf dem Designmarkt
lassen. Es gab viel zu erleben und zu sehen. Die Optionen, die sich dem Publikum hier boten, erschienen schier endlos. Während sich manch einer beim Nähen von Espadrilles entspannte, lauschten andere den Talenten beim Poetry Slam. Man hatte hier irgendwie alles bedacht. Wer auch immer dieses Programm zusammengestellt hat, bei dem Hatha Yoga auf Charleston Workshop und Insta Walks trifft – er hatte einen verdammt guten Riecher, dass das aufgehen würde.
Alle waren so spitz auf die Angebote, dass einige Workshops schon am 2. Tag ausgebucht waren. Gott sei Dank wurde zeitnah nachgelegt! Die Menschen hatten so richtig Bock. Und überhaupt war das auf dem A Summer’s Tale vermutlich insgesamt die kunterbunteste (und vielleicht beste!) Mischung, die ich je auf einem Festival erlebt habe. Es gestaltete sich alles so viel entspannter und unkomplizierter, als man es von anderen Musikfestivals gewohnt war. Es fand sich keine Spur von Hektik, alles verlief wie in SloMo. Hier verlor man seine Zeit nicht, man gewann sie. Das Motto? Chillax!
Auch kulinarisch entschleunigte man das Treiben klassisch mit Slow- statt Fastfood und dabei blieben nun sowas von keine Wünsche offen. Süßkartoffelfritten mit Chili Mayo, Pulled Pork Sandwiches, Schafskäse vom Grill oder Lachsdöner – Herzlich Willkommen im Foodheaven! Selbstverständlich kamen hier auch Veggies und Veganer auf ihre Kosten, sowie Liebhaber eines formidabel gerösteten Kaffees. Und als Mitternachtssnack vielleicht noch ein gaumenkitzelndes Caipirinha-Eis vom Hof Lübberstedt ums Eck? Genau, hier legte man nämlich – bei so vielen Essensangeboten wie möglich – Wert auf kleine, regionale Hersteller mit Bio-Zutaten. Und für diese Form der Nachhaltigkeit gibt es ganz viel Applaus. Das A Summer’s Tale ist nicht nur optisch grün, sondern auch inhaltlich.
Wem der alltägliche Imbiss nicht reichte (lies: uns), der buchte sich für den Extrataler am Abend eben noch das Upgrade: ein 3-Gänge-Menü aus der Summer’s Cuisine – auch vegetarisch! – Ja, wo gibt’s denn sowas? Jedenfalls, es war ein Kracher. Die Vorspeise binnen 2 Minuten inhaliert, tanzten die Geschmacksknospen auch schon Livin La Vida Loca. Dafür wollten wir dem Chefkoch Frank Wiechern eigentlich direkt ans Bein fallen. Großes Kino!
Auch in puncto Sauberkeit wurden beim A Summer’s Tale neue Maßstäbe gesetzt. Nicht einen Krümel fand man auf dem gesamten Gelände, weil die lieben Festivalisten zum einen natürlich mitgedacht und ihren Kram nicht in die Landschaft geworfen haben; zum anderen weil die Crew aber auch einfach zu schnell im Aufräumen war. Die süßen kleinen Erdbewohner, die auch auf dem Gelände hausen, danken es uns allen. Obendrauf dann noch die liebevolle Umgestaltung der Mülltonnen hin zu äußerst ansehnlichen Kunstobjekten. Das gibt ’ne 1 mit Sternchen, Jungs und Mädels.
Und musikalisch?
Das Line-Up war passend zum Rest natürlich sehr (schön) ausgesucht, weniger trendig, eher substantiell. Man setzte auf einige Ikonen, wie Tori Amos, die den charmantesten Text-Hänger aller Zeiten hatte und ganz nebenbei erwähnte, dass sie sich für längere Zeit auf den Bühnen dieser Welt nicht mehr zeigen werde. Punk-Legende Patti Smith rockte auch mit ihren 68 Jahren noch ganz passabel und Zaz hauchte zu späterer Stunde leichtfüßig französisches savoir-vivre in den Nachthimmel. Allein diese Abwechslung! Erweitert hat man dann mit zum Teil Altbewährtem, wie den grandiosen Get Well Soon (immer, also wirklich immer toll!) und zum anderen mit noch recht unbekannten Singer/Songwritern, wie Eaves oder John Allen. Eine gute Mische, bei der wohl jeder für sich auch Neuland entdecken durfte. In Erinnerung blieben mit ihrem Auftritt auch Die Höchste Eisenbahn, als sie sich einfach mal nonchalant an den bekannten Lyrics von Kelis‘ „Milkshake“ bedienten. So richtig herausragend waren Damien Rice mit einer wahrlich fetten Lichtshow und das Musikgenie Yann Tiersen am letzten Abend, der da die Geige merklich härter rannahm und ihr so ganz besonders intensive Töne entlockte. Auf den Soundtrack von Amélie warteten einige hier vergebens. Das machte allerdings mal rein gar nichts.
Letzte Worte
Auf dem A Summer’s Tale gehen Musik und Kulturprogramm eine einzigartige Symbiose ein, die diesem neuen Festival einen besonderen Anstrich geben. Das Gelände versprüht mit seinen großen und kleinen Bühnen einen besonders muckeligen Charme, was an jeder Stelle zum Verweilen einlädt. Es war uns wie eine ausgedehnte Gartenparty unter Freunden, ein Kurzurlaub für die Seele, wobei am Abend gute Musik die zauberhaften Tage zu konservieren versuchte. Das Konzept stimmt. Es umarmt Familien mit Kindern wie auch ältere Singles, und es schreibt sich vor allem die Nachhaltigkeit und das Bewusstsein auf die Stirn, die Dinge auch mal anders zu machen. Es gibt genug große, laute Festivals für die jungen Tanzbeine; das hier ist lauschig-leise und mit all seinen verschiedenen Protagonisten nicht weniger entzückend. Und wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann, dass es klein bleibt und die 10.000er Grenze nie überschreiten wird. Man schnappe sich also am besten gleich im nächsten Jahr seine Liebsten für diesen besonderen Trip ins Grüne. Das A Summer’s Tale geht vom 3. bis 6. August 2016 in eine bestimmt noch schönere Runde zwei.
Text: Anne Giese
Fotos: Anne Giese und Hinrich Carstensen (der übrigens noch mehr schöne Bilder hier in seinem Blog veröffentlicht hat)
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