Wie oft sich am Wochenende wohl FestivalbesucherInnen (mit betrunkenen Kopf?) mit Deichkind und Deichbrand versprochen haben? Vielleicht ja auch die Besucher, die am Sonntag etwas angetrunken auf mich zu kamen und fragten, auf welcher Bühne denn Deichkind später spielen würde – die scheinbar einiges vom Wochenende verpasst hatten.
Festivalhopper Aaron berichtet vom Deichbrand Festival.
Ole von Tonbandgerät erzählte, dass sein peinlichster Bühnenmoment gewesen sei, Dortmund und Stuttgart zu verwechseln; das ausverkaufte Deichbrand-Festival würde aber vermutlich nicht in Verwechslungsgefahr kommen, war er doch als Norddeutscher sichtlich happy darüber, eine Art Heimspiel zu absolvieren. Auch dieses Jahr konnte das Festival in der Nähe von Cuxhaven wieder mit Acts aus dem Norden Deutschlands prahlen, inklusive den Nordisch-by-nature Jungs von Fettes Brot und das Hamburger Party-Kollektiv von Deichkind.
Auch das Wetter zeigte eine nordische Seele: Obwohl es tagsüber am Freitag und Samstag durchgehend sonnig war, regnete es zunächst nur nachts, bevor am Sonntag dann fast das Konzert von Fettes Brot wegen Sturmwarnung abgebrochen werden musste und die BesucherInnen auch zuvor schon ihre Regencapes ausgepackt hatten. Mit Sturm haben die Veranstalter des Deichbrands im nunmehr 11. Jahr die vergangenen Jahre ja immer wieder leidliche Erfahrung machen müssen! Trotz Empfehlungen auf den Screens während des Konzerts von Fettes Brot, die Zelte und Pavillons zu sichern, kam es nicht soweit, dass es nötig gewesen wäre.
Dafür bewies der Boden des Campingplatzes, dass alles andere als Gummi-Stiefel nicht die richtige Schuh-Wahl für’s Wochenende war. Während die richtig harten BesucherInnen Sonntagnacht noch das Zelt zur traditionellen Abrissparty bei Le Fly feierten, bestand der gesamte Platz nur noch aus Matsch und nicht zuletzt stellte Laufen ohne Auszurutschen eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar.
Dabei begann es Donnerstag mit so nettem nicht-staubigen, nicht-matschigen Boden. Die Anreise kam für viele Auto-FahrerInnen einem Alptraum nahe, da rund um das Festivalgelände alles zu stehen schien. Da muss das Deichbrand sich nächstes Jahr noch was überlegen, um die Verkehrslage etwas zu entspannen oder die Parkplatzabfertigung schneller zu gestalten! Wer dennoch das Zelt rechtzeitig aufstellen konnte, traf sich dann zur Warm-Up Party im Füürpüüster Palast Zelt und/oder am Red Bull Tourbus. Adam Angst konnte überzeugen, Less Than Jake versuchte, ein paar Singles auf der Bühne live zu verkuppeln und empfahl den ZuschauerInnen nachdrücklich, Drogen zu konsumieren und mit der Band selbst und den Kumpels von Zebrahead ein/mehrere Bier zu trinken. Zu Skindred war das Zelt dann auch komplett gefüllt, die meisten waren scheinbar fertig mit Camp aufbauen. Nach einer halben Stunde „Kill The Power“ und Power-Rock der Briten ging’s dann aber rüber zu den beiden Drunken Masters, die auf dem Red Bull Tour Bus den Camping-Platz einstimmten. Die beiden DJs, die zuletzt mit Casper eine umjubelte DJ-Set Tour gemacht hatten, konnten begeistern und sogar zu einigen Mosh-Pits motivieren; etwas skurril für ein DJ-Team. Schade nur, dass beide nicht wirklich singen können, der eine es aber immer wieder über die Lautstärke der Musik versucht. Demnächst das schiefe Singen einfach dem Publikum überlassen!
Erfahrene Publikumsinteraktion war dann eher das Ding von Itchy Poopzkid, bei denen Gitarrist Sibbi gerne mal mit seinem Case crowdsurfen geht. Schade allerdings: Die Bassdrum und der Bass bollerten extrem im ersten Block der Wellenbrecher. Ein Problem, das, wie sich zeigen sollte, nicht Band-Spezifisch die „Schuld“ des Technikers von Itchy Poopzkid war, sondern immer wieder auftauchte. Denn statt alle Subwoofer gleichmäßig verteilt vor der Bühne aufzustellen, machten die Hauptarbeit für den Bass-Sound jeweils ca. 5 Subwoofer pro Seite hintereinander gestellt – was dazu führte, dass der Sound im vorderen Bereich eigentlich nur in der Mitte direkt auf einer Linie vor der Bühne bis zum Technik-Turm wirklich gut war.
Zebrahead war dann ähnlich wie die Freunde von Less Than Jake am Tag zuvor sehr chaotisch, energie-geladen und spielerisch witzig; mit seinem Bart könnte der Gitarrist außerdem wunderbar den Polizisten-Part der Village People übernehmen.
Stark am Freitag und Gewinner des Tages: Donots, die momentan auf einer Erfolgswelle schwimmen, spätestens, nachdem sie am neuen Standort von Rock am Ring die Bühne einweihen durften und dafür viel gefeiert wurden. Mit diversen Tierkostümen auf der Bühne, die Sänger Ingo witzig fand und auf die Bühne holte und klaren politischen Statements wurde der Auftritt von vielen BesucherInnen als einer der besten des Wochenendes gehandelt – zurecht!
Clueso schlug dann noch mal ruhigere Töne an, bevor es zum Headliner des Tages ging. Der Sänger aus Erfurt spielte nicht nur seine aktuellen Pop-Songs, sondern erzählte auch seine Geschichte, wie er zum Hip-Hop kam und in den 90’ern zu Hip-Hop Jams gefahren ist. Mit dem Bewusstsein, dass speziell einige jüngere Fans und Fan-Girls sein Hip-Hop Album „Text und Ton“ nicht kennen, spielte er stark auf und bewies mit einem Feature zweier Freunde (DJ Malik und Steer MC) inklusive Freestyle, dass er seine Wurzeln noch nicht vergessen hat. Insgesamt untermalt von einer sehr gelungenen Lichtshow war allerdings klar, dass er schon länger auf Pop-Musik umgesattelt ist und nicht (mehr) die Qualität anderer deutschen Rapper erreicht.
Obwohl die Donots das Publikum schon gut warm gespielt hatten, musste sich Arnim von den Beatsteaks allerdings sehr bemühen, um eine Reaktion vom Publikum zu bekommen. Obwohl Arnim erneut bewies, dass sich kaum jemand, der je auf der Bühne stand, so elegant on-stage bewegen kann wie er, sind die Beatsteaks klar die Verlierer des Wochenendes. Zu Beginn des Konzerts kündigte Armin an, „nur Hits“ den Abend zu spielen – was zunächst nach einer klassischen Show-Ansage klang, geriet in der Wiederholung zunehmend etwas trotzig, da das Publikum nicht so recht zu begeistern war. Irgendwann konnte auch er seine Irritation nicht mehr zurückhalten und rief dem Deichbrand zu „Ihr seid doch müüüüde!“; Da half es auch nicht, etwas unglaubwürdig zu verkünden, dass das Deichbrand das beste Festival sei, welches die Berliner seit „...langer Zeit!“ gespielt hätten. Etwas irritierend außerdem: Der Clown (Dennis Kern), der die Beatsteaks seit 2012 immer mal wieder begleitet und … mal Percussions macht, mal auf einer Box rumsitzt und raucht, wird bei der Band-Vorstellung nicht erwähnt, vorgestellt oder bejubelt. Dennoch ‚korrigiert‘ Arnim die Studio Version von ‚Boombox‘ die Strophen-Zeile über die Band zu „Six people from the world of entertainment“ – gehört jetzt zur Band der eigentlich 5 Berliner oder nicht? Letztlich nur ein kleines Mosaikstück, aber dennoch stellvertretend dafür, dass der Auftritt irgendwie nicht ganz stimmig war. Letztlich wirkte es schon eher wie Pflichterfüllung, gerade nach den großen beiden Wuhlheide-Auftritten der Beatsteaks, auf die sich die Berliner vermutlich mehr gefreut hatten.
Als Late-Nights Act nach dem Headliner spielte dann Fritz Kalkbrenner stark auf. Deutlich wortreicher als sein Bruder im Jahr zuvor fehlte allerdings das gewisse etwas – Paul hatte Laser, Fritz hatte eine eher spärliche Licht-Show. Dabei brauchen gerade DJ’s, bei denen auf der Bühne ja eher wenig passiert, eine Licht-Show als grundlegendes Element! Der Stimmung zum großen, glücklich machenden Hit „Sky and Sand“ zum Abschluss tat das keinen Abbruch. Die Leute, die nach Beatsteaks noch Bock hatten, zeigten sich in Feier-Laune, trotz ausgedünnter Reihen, auch im ersten Wellenbrecher.
Alles andere als halb-voll waren die ersten beiden Bereiche am Samstag zu den Headlinern von Kraftklub und Deichkind: Spätestens bei Party-Show der 6 Jungs von Deichkind war das gesamte, ohnehin schon recht enge In-Field komplett voll. Schon während The Kooks dauerte es gut und gerne eine Viertelstunde, um sich aus dem Medien-Bereich zur Waterstage durchzukämpfen. Vor allem am Samstag merkte man auch, wie die Kapazitäten der Toiletten an die Grenzen kam und diese in den Augen vieler auch überschritt. Selbst, wenn man keinen Luxus erwarten sollte, muss sich das Deichbrand Festival das Hygiene-Konzept noch mal durch den Kopf gehen lassen und im Zweifelsfall ausbessern.
Aber nach und nach: Am frühen Abend zeigte Bilderbuch bei sehr bescheidenem Sound dennoch eine gute Show. Sänger Maurice konnte als Halb-Österreicher, Halb-Italiener trotz deutscher Aussprache mit leichtem Akzent bei Zeilen wie „Du bist hinter meinem Hintern her“ eine Laszivität an den Tag legen, die bei allen anderen ohne italienisches Blut wohl ziemlich überzogen gewirkt hätte, bei ihm jedoch absolut passend wirkte. Wenn man dann noch die modischen Ausrutscher des Gitarristen und Bassisten übersieht, konnte Bilderbuch zeigen, dass sie zurecht eine neue, stylische Führungsrolle in der Indie-Welt beanspruchen.
Ganz anders inszeniert sich Bosse: Als gefälliger, sympathischer in die Jahre gekommener Mann, der sich nicht zu ernst nimmt und gerne Kontakt zum Publikum hat. Mit Aktionen wie Crowdsurfen zu einer Viva con Agua Tonne und einer tiefer gehenden Lobrede, die mehr zu dem Projekt erläuterte als „Hey, spendet für Viva con Agua, die sind cool“ zeigte er, dass ihm diese Organisation am Herzen liegt. Durch Geschichten, dass er eigentlich immer nur (wie) Kurt Cobain sein wollte, machte er sich nahbar und überwand die Barriere zum Publikum wie wenige andere.
The Kooks waren im Kontrast dazu deutlich wort-karger und entschuldigten sich (wie ebenfalls die Wombats am Sonntag) dafür, dass sie kein Deutsch sprechen. Insgesamt wirkte Luke aber auch nicht richtig glücklich mit dem Sound auf der Bühne und der Situation an sich. Bei „See me now“ starrte er die meiste Zeit stoisch auf sein Klavier und auch sonst fand er nicht die richtigen Worte um zu überzeugen. Unter anderem das mag auch ein Grund dafür gewesen sein, dass sich im Laufe des Auftrittes immer mehr Menschen vor der Fire-Stage positionierte und auf Kraftklub warteten.
Obwohl die Band aus Chemnitz mittlerweile schon öfter vor ein paar mehr Menschen gespielt haben (u.a. zwei mal Rock am Ring auf der Centerstage) war Sänger Felix wiederholt sprachlos, konnte einfach nur herausbringen, wie beeindruckt er war. Für Kraftklub, die, wie der Veranstalter letztes Jahr betonte, ein besonderes Verhältnis zum Deichbrand haben und auch letztes Jahr ohne Auftritt im Artist-Village rumhingen, war der Headliner-Slot der erste auf einem größeren Festival, wie Felix wiederholt betonte. Sie erinnerten sich auch noch gut an die „Romi-Geschichte“: Vor zwei Jahren kam es während des Konzerts auf dem Deichbrand zu einem Heiratsantrag, was Felix sichtlich emotional erzählte. Die Stimmung im Vergleich zu den Beatsteaks am Freitag? Wenn man teilweise die Festival-BesucherInnen lauter mitsingen hört als die Anlage den Sänger verstärkt, zeigt sich, dass Kraftklub schon längst die Massen mindestens ebenso gut mobilisieren kann wie die großen deutschen Bands um Beatsteaks, Ärzte, Toten Hosen & Co.
Mit einer exzellenten Lichtshow, Showelementen wie Floater durch’s Publikum mit anschließendem Wett-Crowdsurfen und einem Feuerwerk, dass vermutlich selbst Rammstein als „Nicht schlecht“ einstufen würde, signalisierte Kraftklub, dass sie sich ihrer Rolle als die neue Größe in der deutsch-sprachigen Rock Musik durchaus bewusst sind und ausfüllen können. Einzig die Abgeklärtheit von Armin (Beatsteaks) fehlt Felix noch etwas. Während „Kein Liebeslied“ lief, das an ein kleines Medley anschloss und sich selbst in eins verwandelte, verfeuerte die Pyro-Technik so viel Feuerwerk, dass sowohl Felix als auch Karl beim Singen grinsen und leicht lachen mussten. Auch, wenn es zu der eher ruhigeren Ballade „Kein Liebeslied“ irgendwie etwas überdimensioniert wirkte, war es letztlich dann mit Konfetti Kanonen, Feuerwerk und Flammenwerfern einfach nur beeindruckend.
Nach dem Auftritt wanderte das Publikum dann nahezu geschlossen rüber zu Deichkind. Die Logistik und Organisation hinter dem durchgeplanten Auftritt mit fahrbaren Bühnenelementen, Trampolinen auf der Bühne, ein Fass-Floater und unzähligen Kostümen ist fast so beeindruckend wie die Pyro Show bei Kraftklub. Für viele DAS Highlight beim Deichbrand, wie man im Nachklang auf dem Weg über den Camping-Platz immer mal wieder hörte. Kein Wunder, persifliert doch keiner die aktuelle Lebenswelt und Popularkultur so treffend wie Deichkind mit Songs wie „Like mich am Arsch“ oder „Mehr als lebensgefährlich“. Einziger Wermutstropfen, der nach dem totalen Abriss und Reizüberflutung bei „Remmi-Demmi“ blieb: Die aktuelle Single „Selber machen lassen“ mit Band-Sound von Kraftklub und diversen Features hätte man wunderbar mit Kraftklub selbst performen können – so wie am Sonntag vor ihrem eigenen Auftritt die Drei von Fettes Brot mal kurz bei Thees Uhlmann vorbei schauten. In die penibel durchgetaktete Welt der Deichkind-Show mag es vielleicht spontan nicht eingebaut werden können – aber während des Kraftklub Auftrittes hätte es das gewisse extra bedeutet, wenn Deichkind mal kurz auf der Bühne vorbei gekommen wäre. Gefühlt war ohnehin schon die Hälfte der „gefeatureten“ Musiker auf dem Festival – inklusive Alexander Marcus, der Freitag mit einer Bläser-Band den Jägermeister-Stand rockte.
Nachdem ich schon den Love-Parade Erfinder Dr. Motte im Late-Night Programm am Freitagabend verpasst hatte, wollte ich dann zumindest Klangkarussell und Peer Kusiv sehen. Klangkarussell hatten einen Drummer dabei und bespielten ein volles Zelt, in das wegen Überfüllung zunächst niemand mehr reingelassen wurde. Zu Peer Kusiv waren dann schließlich von 3-5 Uhr nachts nur noch die richtig harten BesucherInnen da und feierten das großartige Set des DJs so sehr, dass er nach Absprache mit den Zuständigen des Festivals noch mal eine Viertelstunde länger machte. Late Night Parties sind doch irgendwie immer die besten.
Am dann doch etwas verregneten Sonntag waren nicht nur einige BesucherInnen, die verkatert waren: Ferris MC, der Deichkind-MC auf Solo-Faden schien es die Nacht nach dem Auftritt am Samstag dann doch noch etwas übertrieben zu haben und erwähnte auch, dass er etwas fertig mit der Welt sei. Durch den Kater wurde er auch unaufmerksam: Er schien es überhaupt nicht mehr gewohnt zu sein, Monitor-Lautsprecher vor sich liegen zu haben (bei Deichkind läuft alles über InEar!) und ließ das Mikro immer wieder in Richtung Monitor-Box sinken, was ein unangenehmes Feedback zur Folge hatte. Das noch etwas spärliche Publikum war trotzdem recht dankbar und verzieh ihm, dass er nicht das volle Potential seiner Songs auf die Bühne brachte.
The Wombats wollten bei ihrem Auftritt auf der Fire-Stage wirklich JEDE Sekunde ausnutzen: Als ihr letzter Song „Let’s Dance To Joy Division“ verklungen war, erkundigten sich die Briten, die gerade mit ihrem Dritten Album auf Tour sind, ob sie noch Zeit hätten. Daraufhin begann Lead-Sänger und Gitarrist Matthew ein Riff, das gar nicht so zu ihrer Indie-Diskographie passte, Drummer und Bassist setzten mit eher Hard-Rock/Classic Rock orientierten Pattern ein und spielten ganz zu Freuden eines Mosh-Pits noch dreißig Sekunden statt fein-luftig-rockigen Indie einfach mal erdigen, bösen Sound. Interessant!
Nicht nur dank des einsetzenden Regens war das Zelt bei Tonbandgerät dann rappelvoll: Die Band ist gerade im Norden bekannt und beliebt geworden – so sehr, dass der Auftritt beim Deichbrand vor zwei Jahren Ole so bewegt hat, dass ein Foto vom Auftritt seit damals auf seinem Nachttisch steht, wie er erzählte. Erwartungsgemäß zeigten die Songs auch ihre Wirkung und die draußen anstehenden Indie-Rock Souveräne von Mando Diao verhinderten nicht, dass das Zeltpublikum die Songs gebührend feierte. „Draußen Mr. Moon, hier im Zelt Halbmond“ kommentierte Ole das und zeigte, dass er was von seiner Indie-Welt versteht und ein Stück weit die Einflüsse der Schweden eingesteht. Vielleicht ziert in Zukunft ein Foto von diesem Auftritt für die nächsten Jahre die Nachttische der sympathischen Band aus dem Norden.
Mando Diao irritierte erst mal: Es brauchte einige Songs, bis Sänger Björn erzählt, dass der zweite Frontman, Gustaf, nicht mehr zu Mando Diao gehört. Was auch immer die Hintergründe sind, klangen bei dem Satz kaum Bitterkeit oder Vorwürfe mit; Da Deichbrand für die Band das erste Festival war, drang die Information, die seit Juni durch den schwedisch-sprachigen Raum schwirrt, noch nicht so richtig durch. So oder so, Björn erledigte den Frontmann-Job alleine – und mit welcher Energie! Besonders schön: Er spielte zwei Songs alleine auf der Akustikgitarre; nach dem ersten Song kamen seine Bandkollegen auf die Bühne, er schien aber spontan Lust auf einen zweiten Song bekommen zu haben, woraufhin der Rest der Band etwas verwundert die Bühne für einen weiteren Song erneut verließ. Die Synth-Pop Phase des Albums Ælita wurde großflächig ausgeklammert, selbst „Black Saturday“, die recht erfolgreiche Single-Auskopplung spielte Mando Diao nicht. Die Fans dankten es den Schweden, dass stattdessen die „gute alte Zeit“ im Fokus stand. Schön dennoch, dass der wundervolle, aber so gar nicht Indie-mäßige Song „Love Last Forever“ trotzdem gespielt wird. Diese harmonischen Klänge können auch die Wolkendecke noch mal lösen und lassen Björn und seine Jungs etwas über-kitschig im rötlichen Licht der Sonne erscheinen. Kitschig und Klischee, aber… irgendwie doch schön.
Während sich einige Menschen schon mal für den letzten Act auf den Open-Air Bühnen, Fettes Brot, im ersten Block einrichteten, konnte Thees Uhlmann auf der Water-Stage noch mal überzeugen: Das Publikum feierte nicht zuletzt den Gast-Auftritt von den drei Broten, die den Rap-Part in „Und Jay-Z singt uns ein Lied“ übernahmen und eigens für das Feature ein paar Zeilen getextet hatten. Thees selbst war auch sichtlich stolz und happy über seinen Auftritt, die Gäste von Fettes Brot und die positive Reaktion des Publikums. So agil wie beim letzten Song hat man den mittlerweile schon 41-jährigen schon lange nicht mehr gesehen
Pünktlich zu Fettes Brot begann dann auch Wind, Regen und nordisch-by-nature Wetter. Mit Regencapes bewaffnet bejubelte das Publikum dennoch die Rapper aus Hamburg, selbst, wenn die Screens zu Beginn alle Besucher aufforderte, aufgrund von Sturmwarnung die Pavillons und Zelte zu sichern. In der Ferne blitze es auch schon bedrohlich, abwechselnd musste mal Dr. Renz oder König Boris zur Technik, um ihre Mikros auszutauschen, welche dank Wasserschaden ausgefallen waren. „Eigentlich wollten wir doch keine Gigs mehr spielen, bei denen es auf die Bühne regnen kann“ witzelte Björn Beton. Das Gewitter zog dann aber doch knapp am Festivalgelände vorbei und am Ende konnte Fettes Brot ihren Auftritt sogar im Trockenen beenden. Ein schöner und gelungener Abschluss für die meisten BesucherInnen!
Für die wirklich ausdauernden Besucher ginge es dann noch ins Zelt, zunächst zu den Punkrockern von ZSK, dann aber zum traditionellen Abschluss bei Le Fly. Die „St. Pauli Tanzmusik“ ist mittlerweile schon im fünften Jahr da; die Kunde von der besten Abschlussparty überhaupt hat sich mittlerweile vom Geheimtipp zum offenen Geheimnis entwickelt. Auch dieses Jahr konnte Le Fly noch mal die letzten Reserven mobilisieren und nicht nur die Securities zum Feiern und das Festival zu einem würdigen Abschluss bringen.
Ohnehin, die Securities: Das Deichbrand hat schon letztes Jahr mit der Freundlichkeit und Ausgelassenheit der Securities punkten können. Zwar scheint es insgesamt der Festival-Welt gedämmert zu sein, dass der direkte ‚Kundenkontakt‘ einen deutlichen Einfluss auf die gesamt-Impression des Festivals hat; so hat auch das Hurricane dieses Jahr gezeigt, dass die Ordner & Securities zwar in keinster Weise Ahnung von irgendwas zu haben schienen, aber dabei nahezu durchgehend freundlich blieben. Das Deichbrand Festival treibt’s aber auf die Spitze: Insbesondere die Securities im Zelt feierten regelmäßig mit – aber auch das Personal an den Open-Air Bühnen wusste sich trotz Job zu amüsieren und nahm die Vorschrift mit dem Crowdsurfing nicht so eng.
Alles in allem faszinierend, wie sehr das Deichbrand Festival nach einem katastrophalen Jahr 2012 in den letzten drei Jahren (nicht zuletzt dank des gutmütigen bis grandiosen Wetters in den Jahren) sich als sehr angenehmes Festival positionieren konnte und schließlich mittlerweile in direkte Konkurrenz zum großen FKP Scorpio Bruder und Flagschiff Hurricane tritt – immer wieder ließt man Kommentare beim Hurricane, dass Besucher von ebenjenem Festival zum Deichbrand abwandern. Perspektivisch dürfte Deichbrand auch vom Ende des Serengeti Festivals profitieren, welches in den letzten Jahren immer mal wieder Line-Up Überschneidungen & BesucherInnen Überschneidungen präsentierte. Wenn die Veranstalter jetzt noch auf die Kritikpunkte, insbesondere die Verkehrspolitik am Donnerstag und die Toilettensituation auf dem In-Field reagieren, baut das Deichbrand Festival am Meer sein Potential zum Lieblings-Festival weiter aus. Weiter so!
PS: Liebes Deichbrand Festival: Was ist mit dem 24-Stunden Store passiert? Das gekühlte Beck’s hatte ich letztes Jahr doch schon in mein Herz geschlossen. Nächstes Jahr bitte wieder!
Das Deichbrand Rockfestival am Meer 2016 steigt vom 21.-24.Juli! Der Ticket-Vorverkauf 2016 hat gestartet.
22. Juli 2015 um 11:10
[…] Zusammen mit dieser Meldung bedankt man sich für “dieses grandiose DEICHBRAND Wochenende – Es war wieder so sensationell gut und einfach fantastisch!” Mit 50.000 “feinsten Feierleuten” hat man einen neuen Rekord aufgestellt. Auf unzählige krasse Shows und die allerbeste Crew weist man noch hin. Überwältigt, total beeindruckt und überglücklich zeigt man sich. Wie unser Reporter Aaron das Deichbrand erlebt hat, könnt ihr hier nachlesen “Deichbrand Festival 2015 – Party an der Waterkant“. […]
14. November 2020 um 02:21
In dem Bericht fehlt leider ein kleiner Hinweis 🤗 (Fotos: Odin Detroy)