Es ist nicht das erste Wacken Open Air mit Matsch und Regen, aber eine traurige Premiere für ca. 40.000 Wacken Fans, die es nicht mehr aufs Gelände geschafft haben.
Für viele war die Nacht von Montag auf Dienstag die längste in der Wacken-Festival-Geschichte. Ab Itzehoe ging bis zu 12 Stunden nichts mehr. Gecampt wurde auf dem Standstreifen der A23 oder auf Notzeltplätzen wie z.B. dem Flugplatz Hungriger Wolf in der Nähe des Festivalgeländes.
Später kam dann Hiobsbotschaft für viele Besucher, die noch auf dem Weg waren oder sich extra eine Unterkunft gesucht hatten, um erst später auf das Gelände zu fahren: Die komplette Anreise per PKW wurde abgebrochen.
Alle, die noch nicht in unmittelbarer Nähe des Festivals waren, mussten wieder umdrehen und nach Hause fahren. Eine harte Entscheidung, besonders für viele ausländische Gäste, die sich auf den teils sehr weiten Weg in den Norden Deutschlands gemacht habe.
Doch es kam noch schlimmer. Später wurde der komplette Zugang zum Festival gesperrt und auch alle Besucher, die sich mit Bus und Bahn auf den Weg gemacht haben, wurden nicht mehr hereingelassen.
Landunter, mit fünf Tagen Matsch ist man hier eigentlich gewohnt, man erwartet es sogar fast. Aber diese Situation hat es noch nie gegeben. Viele Fans machten ihrem Frust über Social Media Luft und beschwerten sich über das Vorgehen und Kommunikation des Veranstalters.
Glückselig, all diejenigen, die es auf den Platz geschafft haben. Man lässt sich die Laune nicht durch aufgeweichte Böden und etwas Wasser von oben vermiesen. Treu nach der Devise des Festivals: „Rain or Shine“, warten alle auf die Eröffnung des Infields, die sich auf unbestimmte Zeit verzögert.
Wer die Wartezeit überbrücken will, genießt bei leichtem Nieselregen Nervosa mit gepflegtem Trash Metal oder Rauhbein auf der Wackinger-Stage. Eine Band, die Irish Folk mit deutschen Texten untermalt, verwandte den Matsch vor der Bühne in einen Hexenkessel. Es wird getanzt und textsicher mitgesungen. Das Wackinger-Dorf scheint fast zu klein für so viel geballte Energie.
Leider ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar, wer es auf die Bühnen schafft und ob es zu weiteren Verzögerungen kommt.
Gegen 18.00 Uhr versammeln sich dann Menschenscharen und fordern die Öffnung des heiligen Bodens vor den großen Bühnen. Da haben die aufgelaufenen Wikinger keine Chance, die aufgeheizte Menge zurückzuhalten. Keine Drohgebärde, kein Kriegsgeschrei und das rhythmische Schlagen der Waffen auf die Schilde, kann einen echten Wacken-Fan von der Eroberung des Infields abhalten. Und so stürmen die Massen um 18.10 Uhr zur Faster-Stage, um zur Eröffnung den Klängen von Skindred zu lauschen. Die Band um „Benji Webbe“ vereint in ihrer Musik Reggae, Metal, Hip-Hop und auch Elemente des Punks. Wer hätte gedacht, dass dieser Stilmix zu gut bei Heavy-Metal-Fans ankommt. „Benji Webbe“ fordert die Fans auf zu springen und sie folgen. Der ohnehin schon aufgeweichte Boden wird so richtig durchgeknetet. So mancher Schuh oder Stief bleibt auch mal stecken, was aber niemanden davon abhält, einen Circlepit zu starten.
Nach einer kurzen Verschnaufpause betreten die Broilers die Bühne. Zu diesem Zeitpunkt weiß noch keiner, wie die aktuelle Running Order aussieht. Auch die App zeigt leider nur den ursprünglichen Plan, der leider komplett durcheinander gewirbelt wurde. Trotzdem schaffen es viele Broilers Fans vor die Bühne und die Party geht direkt los. Mit Songs wie „Zurück zum Beton“, „Schwer verliebter Hooligan“ und „Ruby Light & Dark“ reißen die das Publikum direkt mit. Dass die Punker aus Düsseldorf auch Metal können, zeigen sie mit Cover von „Breaking the law“ von Judas Priest. Den fantastischen Auftritt beenden sie mit „Meine Sache“. Der Gesang des Publikums schallt dabei bis zur Wackinger Stage.
Auf dieser bereiten sich gerade Finntroll auf ihren Auftritt vor. Die sechs Finnen gehörten mit zu den ersten Folkmetal Bands, die ein große Bekanntheit erreichten und sind mit ihrer Mischung aus Death Metal und finnischer Humppa-Musik immer noch Kult. Kein Wunder, dass es voll wird vor der Wackinger-Stage. So voll, dass die Band eigentlich auch auf einer größeren Bühne spielen könnte. Den Fans ist es egal, es wird gefeiert, getanzt und gemoscht. Ein ordentlicher Mosh- oder Circlepit ist auch aufgrund des tiefen Matsches vor der Wackinger Stage nur schwer möglich. Spaß haben aber trotzdem alle.
Von der Wackinger-Stage aus geht es weiter zur Louder-Stage. Hier treten jetzt Beyond the Black auf. Die Band um Sängerin „Jennifer Haben“ spielt klassischen Symphonic Metal, der zeitweise allerdings doch recht poppig klingt.
Bei den Metalheads kommt die Mischung trotzdem gut an. Auch vor dieser Bühne ist es brechend voll. Man merkt kaum, dass es nicht alles Leute zum Festival geschafft haben. Was aber auch daran liegt, dass die Leute sich Inseln im Matsch suchen und deswegen mehr Platz gelassen wird.
Um 22.00 Uhr betritt keine Geringere als Doro Pesch die Bühne. Mit über 40 Jahren Bühnenerfahrung rockt die „Metal-Queen“ wie eh und je. Unter anderem gibt sie Klassiker wie „Für immer“ und „Hellbound“ zu Besten. Mit „Mikkey Dee“ und „Phil Campbell“ singt Doro „Love me for ever“. In liebevoller Erinnerung an Lemmy von Motörhead, der leider viel zu früh verstarb und dessen Aschen nun hier in Wacken beigesetzt werden soll.
Zum Ende wird es dann richtig voll auf der Bühne. Denn keine Geringeren als: Uli Jon Roth, Joey Belladonna, Udo Dirkschneider, Hansi Kürsch, Sammy Amara und Michael Rhein stimmen zu „All we are“ mit ein. Es wirkt wie eine kleine Entschuldigung für die ganzen Ausfälle und Verspätungen. Textsicher ist der Refrain bis zu den Campinggrounds zu hören. So viele Stars lassen die stressige Anreise und das Chaos der letzten Tage und Stunden schnell vergessen. Sie geben uns den Auftrag: „Feiert für all die Zurückgebliebenen, all diejenigen, die es nicht zum Festival geschafft haben, damit sie im Live-stream mitfeiern können.“
Wer auf dem Rückweg zum Zelt noch an der Headbangers-Stage vorbeikam, konnte noch ein letztes Highlight mitnehmen. „Holy Moses“, die eigentlich die Louder-Stage eröffnen sollten, wurden ungünstigerweise ohne große Ankündigung auf Mitternacht verlegt.
Bedauerlicherweise werden kurzfristige Änderungen oder Ausfälle immer noch nicht gut kommuniziert, so dass „Holy Moses“ vor einer kleineren Fan-Gemeinde spielt, die aber stetig wächst, je länger sie ihren allseits bekannten Trash-Metal zum Besten geben.
„Engel auf der Bühne, kleine Teufelchen auch und es regnet nicht mehr“. Mit diesen Worten begrüßt Sängerin Sabina Classen-Hirtz. Sie freue sich hier in Wacken zu sein und dass zu solch später Stunde doch noch Fans mit ihnen feiern.
Schade für die Fans und die Band, da dies ihr letzter Auftritt in Wacken ist. Die 1980 gegründete Band gehen zum Ende des Jahres in Rente.
Text: Mel Nommensen, Martin Pöpel
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