„Am sichersten seid ihr im Auto“ hieß es 2016 bei der Umwetter-Edition vom Hurricane. Gilt das auch beim ersten Hurricane Festival seit Pandemie-Beginn? Nachdem es eine unserer Festivalhopper-Reporterinnen schon bei Rock im Park erwischte, brachte nun auch beim Hurricane Festival unser Festivalhopper Reporter einen positiven Covid-Test als Andenken mit nach Hause…
Wie schon bereits bei Rock am Ring gab es auch nach dem Hurricane Festival in den sozialen Netzwerken ähnliche Töne: Viele Ansteckungen im Laufe des Wochenendes. „This is a superspreader event“ sagte Brandon Flowers noch während des Sets von The Killers beim Hurricane Festival und grinste dabei. Dass zur üblichen Abgeschlagenheit nach 3-4 durchfeierten Festivaltagen nun auch immer mal wieder positive Covid-Tests bei Festivalrückkehrer*innen dazukommen, wird sich wohl zunächst in absehbarer Zeit nicht signifikant ändern.
Trotz der Quarantäne & Symptome und nicht zuletzt Dank des neu herausgebrachten Aftershow-Videos vom Hurricane Festival wird es einfach schwer werden zu widerstehen, dennoch zu Festivals zu fahren und in die Atmosphäre einzutauchen.
In zwei Jahren Pause hatte man sich beim Hurricane Festival einiges neu überlegt: Die kleinste der Bühnen und Zeltbühne „Wild Coast Stage“ (ehemals White Stage) wurde vom Eichenring-Gelände auf die andere Straßenseite gelegt, und damit auch das Infield substantiell vergrößert. Auch das deutliche Größenupdate der Wild Coast Stage entspannte die Einlasssituation. Teil des Konzeptes war dann auch, dass es nur eine Einlassstelle fürs Infield gab – doch selbst dort war die Security Abdeckung dieses Jahrhäufig ausgedünnt, sodass die Kontrollen fürs Infield häufig sehr lasch waren. Immerhin konnte das Hurricane als eins der größten Festivals Deutschlands das Festival inmitten der unter Personalmangel stöhnenden und leidenden Branche durchführen – was dem PULS Open Air eine Woche zuvor leider nicht gelang.
Was das Konzept allerdings bedeuten kann, wenn das Festival keinen Ein- und Ausgang mehr an der Red Stage hat, konnte man in Ansätzen am Samstag beim Headliner Deichkind erkennen: Vom Veranstalter FKP Scorpio wurde der Auftritt für ein paar Minuten unterbrochen, um eine sich verschärfende Problematik bei den Publikumsströmen nach Ende des K.I.Z. Slots auf der Nachbarbühne unter Kontrolle zu bekommen. Auch die Besucher*innen, die nur zum Campingplatz weiter wollten, wurden schräg an der Hauptbühne, der Forest Stage, vorbei geleitet, sodass sich ein kleiner Flaschenhalszwischen der VIP Loge und dem Deichkind Publikum ergab. Dennoch Props an das Hurricane Festival: Es erfordert Mut, eine Headliner-Show zu unterbrechen, um präventiv die Situation zu entschärfen.
Auch in weiteren Fällen kam das Publikumsmanagement eng an seine Grenzen: Obwohl die Red Stage weiter nach hinten verschoben wurde, um dem Publikum mehr Platz zu lassen, war die Stage für Kummer am Sonntag viel, viel zu klein. Während sich gefühlt das gesamte Hurricane zum Kummer Auftritt verabredet hatten, stiegen Besucher*innen auf Dixies, kletterten über Zäune und drängten sich arg dicht.
Selbst in 2020 wäre die Entscheidung, Kummer nicht auf eine größere Bühne zu buchen, fragwürdig gewesen – wie stark der Kraftklub Sänger mit seinem Solo-Projekt noch gewachsen ist in den letzten zwei Jahren hat man wohl zusätzlich unterschätzt. Auch bei Electric Callboy war es vor der Red Stage rappel voll. Die Platzierung von K.I.Z vor dem Late Night Act Twenty One Pilots war auch schwierig: Twenty One Pilot Fans mit Leib und Seele campten bereits morgens um 8 vor den Infield-Einlässen, um in der ersten Reihe stehen zu können und wurden bei K.I.Z. durch den Druck des Publikums hart auf die Probe gestellt (und reihenweise von der Security herausgezogen).
Insgesamt waren die zwei Jahre Festival-Abstinenz für viele Bands allerdings ein fruchtbarer Boden und ein Realitätscheck im positiven Sinne: Die Giant Rooks konnten den gesamten Auftritt nicht so recht glauben, wie viele Menschen zu ihrem Auftritt gekommen waren und Matthias von Von Wegen Lisbeth gab zu, dass er „schon ziemlich nervös“ sei – und dass dies das mit Abstand größte Konzert sei, was die Band je gespielt habe. Auch Felix Kummer hörte nicht auf, ungläubig in die riesige Menschenmenge zu schauen. Die Jungs von Deichkind waren sichtlich mehr als happy, endlich ihre ausgeklügelte Show-Choreographie und Kostüme darbieten zu können, inkl. einer aktuellen „FCK PTN“ Botschaft und Seeeds Peter Fox war sich nicht mehr sicher, wie viele Orchideengärten er hat und startete „Hale-Bop“ neu.
Wer sind also die Gewinner des Wochenendes? Die Newcomer und Emporkömmlinge der letzten zwei Jahre zeigten allesamt wie auftrittshungrig und wie überzeugend live und in Farbe sie sind: Jeremias in der Wild Coast Stage, Provinz und Giant Rooks, aber auch Schmyt (der beim Hurricane nur mit geliehenem Equipment spielen konnte, weil seine restliche Band auf der Autobahn verschütt gegangen war) brillierten. Bring Me The Horizon, mit wohl einer der eingefleischtesten Fangemeinde im Musikbiz, überzeugte, und ausgerechnet „Hero of War“ von den Routiniers Rise Against unter Eindruck des aktuellen Weltgeschehens einer der großen Momente des Festivals.
Trotz insgesamt gutem, ausgewogenen Booking mit gutem Händchen ist das Line-Up immer noch stark männerdominiert – wenn auch nicht so eindeutig wie beim Konkurrenten Rock am Ring / Rock im Park. Dass es auch anders geht, zeigte FKP Scorpio beim Tempehof Sounds Festival, eine Woche zuvor, bei dem mehr Musikerinnen als Musiker auf der Bühne standen.
Bei der Pressekonferenz am Sonntag versprach CEO Stephan Thanscheidt jedoch mehr Aufmerksamkeit für ein diverseres Line-Up, ebenso wie eine „zeitnahe“ Bandwelle. Wir sind schon gespannt!
Nächstes Jahre findet das Hurricane Festival am 16. – 18. Juni 2023 statt. Die erste Preisstufe ist bereits ausverkauft! Tickets findet ihr unter anderem hier.
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