Nachdem die Donots mit Die Toten Hosen als Überraschungsband Rock am Ring 2022 offiziell eröffnet haben, startete das Festival entgegen aller Vorhersagen bei bestem Sonnenschein. Ein Festival-hungriges Publikum bekam bei Rock am Ring genau was es brauchte nach jahrelangem Entzug: mitreißende, krachende Liveacts. Das letzte Rock am Ring (2019 mit Tool, Die Ärzte und Slipknot) ist schließlich schon drei Jahre her!
Wir springen gleich zu Green Day, dem Headliner des ersten Abends, der sich seine ganz großen Nummern keineswegs für die letzten Konzertminuten aufhob, sondern gleich zu Beginn Hits wie American Idiot und Holiday aufs Publikum abfeuerte. Etwas Nostalgie aber auch viel Frohsinn schwang mit, denn Band und Songs sind ziemlich gut gealtert. Die Show ist und bleibt fett und energetisch und sorgte auch für magische Festivalmomente. Soetwas entsteht beispielsweise, wenn der Headliner des Tages Menschen aus dem Publikum auf die ganz große Bühne holt. Bei Green Day mal zum Mitsingen, mal zum Instrumente spielen. So hält auch Katharina ein Schild hoch „Billie I can play Knowledge“. Green Day covern diesen Song der Band Operation Ivy auf ihren Konzerten und holen dazu regelmäßig Instrumenten-Spieler aus dem Publikum auf die Bühne. Frontmann Bllie Joe Armstrong fragt nach: ‚Kannst Du es wirklich spielen?‘. Auf der Bühne fällt sie dem Frontmann ersteinmal um den Hals und dann gehts los: Zusammen jammen sie den Punk-Klassiker und anschließend darf Katharina sogar die Gitarre behalten – was für eine tolle Show!
Viele weitere Highlights bot der Festival-Freitag. Allen voran die Broilers, die sich selbst noch nicht wie 40+ fühlen – jung geblieben, vereinnahmend und absolut zum Abgehen animierend! Aber auch Kracher wie Weezer, The Offspring, Caliban oder Stick To Your Guns lieferten ab. Allesamt beseelt von der wiedergewonnenen Möglichkeit vor solch einem großen Publikum ein Open Air Konzert bestreiten zu können.
Die beste Freitags-Überraschung für uns waren Spiritbox. Nicht nur, weil Frontfrau Courtney LaPlante als Frau eine krasse Minderheit im männlich dominierten Festivallineup darstellte, sondern vor allem, weil sie es schaffte, wie kaum ein anderer Frontmensch auf diesem Festival das Publikum mitzunehmen. Die kleine Orbit Stage erlebte mit den Kanadiern den besten Abriss des Tages.
Die Mandora Stage mutierte am Freitag zur absoluten Party- und Tanzbühne, spätestens bei den letzten drei Acts des RaR-Freitags: Jan Delay & Disko No.1, Marteria und Scooter!
Am Rock am Ring Samstagabend gab es übrigens noch eine Weltpremiere, als Headline Muse gegen Ende seines Konzerts mit dem neuen Song „Kill Or Be Killed“ eine Weltpremiere gab – ein weiterer dystopischer Prog-Rock-Brocken, der leider gut zur Weltlage passt. Begeisterte Fans feierten nicht nur diesen Augenblick, sondern auch das gesamte Konzert, das natürlich auch voll mit Klassikern der britischen Band gespickt war. Muse lieferten musikalisch hochkarätig ab, blieben aber mit der Show drumherum, die auch hier am Ring vor vielen Jahren Standards setzte, hinter den Erwartungen vieler Besucher zurück. (Foto: Festivalhopper, Muse bei Rock am Ring 2018, dieses Jahr war die Muse-Fotoregelung schwierig)
Das große Feuerwerk, kurz aber dafür heftig, wurde ganz offensichtlich stattdessen an die Mandora Stage zu Casper geliefert, der dort etwas zeitversetzt nach Muse spielte und den Festvalsamstag beschloß. Er konnte vor Ort aller bestens sein neues Album „Alles war schön und nichts tat weh“ vorstellen. Er lieferte eine perfekt inszenierte Show in vier Akten ab. Während Sonderschule von der benachbarten Orbit Stage seine Riffs bis vor Caspers Bühne donnerte, lieferte der Rapper gehörig ab und nahm Bühne, Platz und Publikum zum Tagesabschluß nocheinmal komplett auseinander. (Foto: Festivalhopper, Casper bei Rock im Park 2022, die Casper-Fotoregelung am Ring 2022 war schwierig)
Am RaR-Samstag spielten Placebo. Die Alternativ-Rocker begeisterten mit Classics wie „Special K“ oder dem gefühlvollen, neuen Song „Beautiful James“.
Für Freunde der härteren Gangart war die Show der amerikanischen Band Baroness eine Offenbarung: Wer John Baizley, Gina Gleason und ihre Kollegen bei der Arbeit beobachtete, und sich von den lauten, wuchtigen, aber hoch melodischen Gitarrenwellen fortspülen ließ, war nicht weniger als bekehrt. Ähnlich heavy und noch ein wenig lauter wurde es bei den klangverwandten Mastodon.
Abseits der härteren Gangart und der Beobachtung nach überwiegend fürs jüngere Festivalpublikum zeichnete nicht nur Casper verantwortlich, auch Acts wie der Rapper RIN oder auch Grenzgänger und Entertainer Alligatoah lieferten Beweise, dass das Rock am Ring-Publikum offen für andere Stile ist.
Für die magere Rock am Ring Frauenquote gab es am Samstag auf der Orbit Stage einen der schönsten Auftritte, wo viele begeisterte Fans den Teenagerinnen von The Linda Lindas zujubelten, die auf der Bühne vor den Augen ihrer Eltern zeigten, dass der Punkrock-Nachwuchs gesichert ist. Die Rock am Ring Festivalveranstalter schreiben hierzu durchaus selbstkritisch:
„Die quirligen, wütenden Performances ihrer Hits „Sexist Racist Boy“ und „Growing Up“ zeigten ganz nebenbei in eine Zukunft, an der auch wir mit unserem Festival mitarbeiten müssen und werden: Bei aller Liebe für alte Helden –wir brauchen mehr Künstlerinnen wie diese vier jungen Menschen auf den Bühnen. Das müssen und werden wir uns auf die Fahnen schreiben.“
Den absolut mitreißendsten Knaller am Samstag, für einige unserer Kollegen sogar des gesamten Wochenendes, waren Fever 333. Was hier passierte, wird jedem dagewesenen noch lang im Gedächtnis bleiben. Es wurde geackert, gerannt, gesprungen auf der Bühne, das Bad in der Menge inklusive. Im Publikum gab’s Crowdsurfing at its best. Gegen Ende des Konzerts erkletterten Frontmann Jason Butler das Dach vom FOH, Gitarrist Stephen Harrison das doch ziemlich hohe Mandora-Stage -Bühnendach, seine Gitarre dabei, die er oben noch bespielte. Wir empfehlen hierzu den Konzertstream Fever333 bei Rock am Ring 2022 von RTL+.
Es folgt bei uns noch ein Rückblick auf den finalen Festivaltag, sowie auf „Rock am Ring“ ansich.
Hier geht es zu unserem Rock am Ring Auftaktartikel „Donots und Die Toten Hosen eröffnen Rock am Ring 2022!„, hier zum ausführlichen Rückblick auf Rock im Park 2022: „Endlich wieder Festivals: Rock im Park 2022„, zuvor gab’s dort den Miniartikel mit vielen Bildern Rückkehr zum Zeppelinfeld: Rock im Park 2022.
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