Auf ihrer „Laune der Natour“ machten Die Toten Hosen am 1. September 2018 in Minden Halt; um 40 000 Fans am Weserufer auf eine lautstarke Zeitreise von 36 Jahren Bandgeschichte mitzunehmen.
Mit im Gepäck hatten die fünf Düsseldorfer gleich drei aussagekräftige Vorbands: Attaque 77, The Undertones sowie die Österreicher Wanda, welche bei gutem Wetter und Bratwurst die Besucher auf den Hauptact einstimmten.
Alle Fotos im Artikel von Julia Rissling
Ihr Set eröffneten Die Toten Hosen mit den Klassiker „Opel Gang“ aus dem Jahre 1982. Alte und neue Lieder sorgten an dem Abend für eine gute Abwechslung. Die Zeitreise führte den Konzertbesucher einmal quer durch alle 15 Studioalben der Düsseldorfer Rocker.
Es ist kein Geheimnis, dass sich Die Toten Hosen politisch sehr engagieren, insbesondere gegen Rassismus und rechte Gewalt. Und auch an diesem Abend ließ es sich Sänger Campino nicht nehmen; das antifaschistische Lied „Sascha, ein aufrechter Deutscher“ (Jahr 1993) der AfD und den Unruhestiftern in Chemnitz zu widmen. Zudem geht er auf den kürzlich grausam verübten Mord an einem 35-jährigen Mann in Chemnitz ein, welcher derzeit von Rassisten dafür instrumentalisiert wird, auf die Straßen zu gehen und Hetze auf Ausländer zu machen. Anlässlich der aktuellen extremen Situation in Chemnitz haben Die Toten Hosen mit einigen anderen Musikern einen Gig am Montag, den 3. September vor Ort geplant. Frege macht in seiner Ansprache darauf aufmerksam, um die Massen dorthin zu mobilisieren und gemeinsam gegen die rechtsgesinnte Gewalt anzustehen. Denn gemeinsam sind wir mehr! Es folgt der Song „Willkommen in Deutschland“ und laute „Nazis raus“-Rufe aus dem Publikum.
Neben politischen Statements ist das Konzert von Traditionen geprägt, welche typisch bei Die Toten Hosen Konzerten sind. Besonders sichtbar wurde dies, als das Lied „Steh auf“ angestimmt wurde. Aus früheren Konzerten wissen wir, dass Campino die Zuschauer zum Hinsetzen aufgefordert hat. Dies geschah nun inmitten eines Fahnenmeers wie von Geisterhand automatisch. Die Menschen setzten sich gemeinsam hin und standen erst beim Refrain wieder auf. Beim Klassiker „Pushed Again“ folgt direkt die nächste Tradition: Es werden Bengalos gezündet und der Himmel färbt sich feuerrot, als würde dieser brennen. Der Kessel kocht, das Publikum tanzt einen wilden Pogo und die Luft riecht nach Pyrotechnik. Die Atmosphäre gleicht der eines Fußballspiels. Apropos Fußball: Dieses Mal hat Campino ausnahmsweise kein einziges Wort über seinen Lieblingssport verloren.
Die Toten Hosen brachten auch einiges an Witz mit in ihre Bühnenshow ein. Bei den Liedern „Disco“ und „Halbstark“ wurden auf der LED-Leinwand eigens für die Tour gedrehte humorvolle Videoclips dargeboten. Einmal zeigten sie sich als halbstarke Rocker und im anderen als schicke Herren in hellblauen Anzügen. Dazu gab es noch eine teils synchrone einstudierte Choreographie. Freges beschreibender Kommentar dazu war „ich bin zwar bald bei der 56 angekommen, aber wenn wir so vor Euch stehen heute Abend, dann sind wir wieder halbstaaaark!“.
Während der Tournee wird die Band von einem Streichquartett, welches genauso heißt wie dieser leckere Wodka, nämlich dem Michael-Gorbatschow-Gedächtnis-Quartett, und Pianistin Ester begleitet. Letztere hatte Geburtstag und wurde mit einem „Happy Birthday“ vom Publikum lautstark besungen. Es folgt „Eine kleine Nachtmusik“ nach Mozart. Kuddel unterbricht dies, denn er hat eine bessere Idee: „Du lebst nur einmal“ als Klassik-Version.
An dem Abend dürfen natürlich die einstudierten Coversongs „Should I Stay or Should I Go“ von The Clash und „Heute hier, Morgen dort“ von Hannes Wader sowie das trinkfreudige Sauflied nicht fehlen. Bezüglich letzteren soll das Publikum zwischen drei zur Auswahl stehenden Liedern wählen. Die Abstimmung gewann „Bis zum bitteren Ende“ und „eisgekühlter Bommerlunder“.
Bassist Andy Meurer ließ es sich beim Song „Schönen Gruß, auf Wiedersehen“ nicht nehmen, ein ordentliches Bad in der Menge zu nehmen.
Als sich der Abend am Weserufer langsam dem Ende neigt, kündigt Campino das meistgespielte Lied bei Hochzeiten und Trauerfeiern an: „Ficken, Bumsen, Blasen“. Das Publikum ist über den Scherz amüsiert. Die Toten Hosen können sich noch gut selbst auf die Schippe nehmen. Letztendlich löst Frege den Irrtum auf und es wird der Hit „An Tagen wie diesen“ unter einem rot-weißen Konfettiregen gespielt.
Und da ist sie wieder diese Tradition auf Die Toten Hosen Konzerten: das Schlusslied „You’ll never walk alone“ soll dem Abend ein würdevolles Ende setzen. Den Fans passt das nicht, denn diese fordern als letztes noch „Verschwende deine Zeit“.
Alles im allem war dies ein gelungener Abend. Die Band war gut gelaunt und bewegte sich viel auf der Bühne. Bemerkenswert ist auch das bunte Bühnenbild, welches an das Cover des aktuellen Studioalbums „Laune der Natur“ angelehnt ist.
Alle Fotos in Artikel und Galerie von Julia Rissling
4. September 2018 um 07:06
Tolle Fotos. Die geben gut wieder, wie die Jungs sich einsetzen.