Im Januar spielten The Hirsch Effekt in der Engelsburg in Erfurt. Die drei Hannoveraner hatten als Support noch SOJUS3000 aus Ilmenau im Gepäck.
Die Festivalhopper Fabian und Franky trafen die Jungs vor dem Konzert zu einem kurzen Interview.
Fabian (Festivalhopper): Hallo! Schön, dass es mit dem Interview klappt!
Nils: Ja normalerweise hätten wir jetzt auch Blumen hingestellt, aber heute ist es etwas knapper.
Festivalhopper: Ihr seid jetzt das zweite Mal in Erfurt?
Nils: Nein, mindestens das vierte Mal. Ich kann mich an 3 Shows explizit erinnern.
Moritz: Ja ich auch.
Festivalhopper: Auch schon hier in der Engelsburg?
Nils: Nein, hier sind wir das erste Mal.
Festivalhopper: Ach stimmt. Vor zwei Jahren habt ihr noch irgendwo anders gespielt
Nils: Genau im Klanggerüst. Da haben wir schon 2 Mal gespielt und dann noch einmal im Museumskeller.
Festivalhopper: Ja der ist auch sehr schön.
Nils: Eigentlich ganz ähnlich oder?
Festivalhopper: Ja etwas kleiner.
Moritz: Das war mein erstes Konzert. Das war cool!
Festivalhopper: Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich euch auf den Tag genau das erste Mal live gesehen habe in Ilmenau im bc-Studentenclub. Da hatte ich euch nämlich selbst gebucht.
Nils: Ach das hast du gemacht? Ja da haben wir auch gerade drüber gesprochen.
Festivalhopper: Ja gut die Jungs von SOJUS3000 [Support in Erfurt, Anm. der Red.] kommen ja auch aus Ilmenau. Und jetzt seid ihr mit eurem Aktuellen Album ESKAPIST auf Tour. Das habt ihr letztes Jahr rausgebracht und es ist auf Platz 21 in den Albumcharts eingestiegen.
Nils: Ja das hat uns auch sehr gefreut.
Ilja: Das kam schon auch überraschend. Wir haben damit nicht gerechnet.
Nils: Es war ja schon fast wieder ärgerlich, weil es nicht Platz 20 war. Das kommt ja vielleicht noch.
Festivalhopper: Textlich seid ihr jetzt nach der Holon Trilogie in eine andere Richtung gegangen, gerade wenn ich an Holon: Anamnesis denke. Das war ja nun die Verarbeitung einer Liebesgeschichte und jetzt ist es auf einmal etwas völlig anderes. Gab es da einen Punkt oder ein Erlebnis, dass ihr euch gesagt habt: „Wir müssen jetzt hier mal politisch klare Kante zeigen?“
Nils: Nein gar nicht. Bei dem Anamnesis Album war es ja auch nicht bewusst, dass ich gesagt habe: „Ich lasse mir jetzt mal das Herz brechen und dann schreiben wir ein Album drüber. Da gab es damals schon große Diskussionen ob das nicht zu einseitig wäre. Da haben wir viel drüber gesprochen, ob man damit wirklich andere Leute anspricht, gerade weil es sehr persönlich ist und ob das überhaupt in so einen Bandkontext gehört. Dann haben wir festgestellt, dass sich das aber auch alles nicht so planen lässt und es war halt in dem Moment genau das was mich beschäftigt hat und alles andere wäre unnatürlich gewesen. Jetzt im Nachhinein war es auch die richtige Entscheidung, weil das Album auch für viele Fans was Besonderes hat, gerade weil es so persönlich ist und es auch eine Sache ist, die jeder schon mal erlebt hat. Bei diesem Album war es so, dass in meinem Leben jetzt nicht so viel Spannendes passiert ist und so viel Drama war. Ich hab mich dann gefragt was sind die Themen, die mich gerade so beschäftigen. Dann war die Migrationswelle 2015 und dann gab es noch den Anschlag in Paris im Bataclan. Da das bei einem Konzert war macht man sich als Musiker da schon irgendwie Gedanken. Kurz darauf war der falsche Alarm bei dem Fußballländerspiel in Hannover und ich war auf der Straße unterwegs. Meine Tante rief mich an und fragte wo ich bin. In den Nachrichten wurde gesagt man solle wegen einer Bombe im Stadion in Hannover zu Hause bleiben. Ich war in einem sehr belebten Multikulti Szene Viertel auf der Straße unterwegs und es war niemand draußen. Das war schon krass. Es war ja dann zum Glück eine Ente aber man bekam eine Idee davon wie es sich anfühlen kann wenn Terror und alles was damit zusammenhängt ganz nah ist. Von daher haben sich dann auch die Texte so entwickelt.
Ilja: Ich finde aber nicht, dass es das komplette Gegenteil von den Themen die zum Bespiel auf der Anamnesis verarbeitet werden. Wir haben ja kein politisches Album geschrieben, es gibt immer einen persönlichen Bezug zu anderen Themen die nix mit politischen Fragen zu tun haben.
Nils: Ich glaube das nehmen die Leute aber so wahr. Ich glaube die Leute finden schon, dass wir ein politisches Album gemacht haben.
Ilja: Ja, klar. Aber das war nicht die Intention.
Festivalhopper: Mir kommt es auch als sehr politisches Album vor. Ich habe es gestern nochmal gehört und mir ist eben aufgefallen, dass es einen sehr politischen Hintergrund hat – auch wenn ihr es nicht als Intention hattet.
Nils: Ich glaube, das was Ilja meint ist, dass es bei uns anders ist als bei politischen Bands. Ich setze das auch einfach als Selbstverständlich voraus, dass wir keine Faschisten sind. Wir gehen jetzt nicht mit Flaggen auf die Bühne. Es gibt natürlich schon ein paar Statements auf dem Album, aber es jetzt nicht so ein: „Leute! So wird es gemacht und das ist der richtige Weg.“ Es ist mehr eine Bestandsaufnahme und ein „Oh krass! Was passiert hier? Wie verändert sich das? Wie wirkt das auf uns?“
Festivalhopper: Genau das ist auffällig. Die politischen Sachen sind ohne Zeigefinger. Die Fluchtstory [Natans, Anm. d. Red.] ist schon krass, weil es auf eine persönliche Art und Weise beschreibt wie jemand auf einmal gezwungen ist abzuhauen. Das ist natürlich auch ein Weg anderen Leuten zu zeigen, dass es ihnen jederzeit auch so gehen kann und dass sie froh sein können, dass es ihnen nicht so geht.
Nils: Ja aber gleichzeitig gibt es noch die Stelle, dass ich ja aber auch nicht wirklich was mache. „Hälst du manchmal auch / dein Phlegma für Großmut / So wie ich?“ Nur weil ich jetzt einen Song darüber schreibe…
Festivalhopper: Ein Song ist mir noch ins Auge gestochen und das ist „Aldebaran.“ Mit wievielen Verschwörungstheorien hast du dich explizit beschäftigt?
Ilja: LACHT. Das ist eine gute Frage.
Nils: Ich bin da mal ein paar Tage bei YouTube versunken. Das war wirklich auch ein Recherchesong. Ich kannte diesen Axel Stoll schon vorher und dann waren die Reichsbürger gerade tagesaktuell. Da wurde irgendwas hochgenommen. Das hat mich dann auf das Thema gebracht und dann habe ich recherchiert und bin auf irgendwelche Gestalten gestoßen. Ich hab mich gefragt wo das herkommt und mir dann Leute angehört, die sich damit auskennen und es sind halt immer Parallelen in den Biografien zu erkennen. Viele von denen sind so gescheiterte Existenzen, meistens steckt noch was Finanzielles dahinter. Da gab es auch so einen Sportler, der dann da irgendwo geschossen hat… oder ein ehemaliges Model? Egal.
Festivalhopper: Ich habe nur eine Sache vermisst und das sind die Reptiloiden.
Nils+Ilja: LACHEN
Moritz: Für das Thema haben wir uns bei der letzten Tour schon die passende Band mit dazu genommen. I:Pero Pero haben eine ganze Band nur darüber gemacht. Die sind noch viel krasser.
Alle lachen.
Nils: Geht das bei denen wirklich darum?
Ilja: Ja schon. Die tragen das Ganze auf eine noch abstraktere und alberne Ebene, aber es hat genau diesen Ursprung. Die waren jetzt 34 Konzerte bei uns dabei.
Nils: War das nicht auch so ein Lovecraft Ding mit diesen Reptiloiden? Kommt das nicht eigentlich daher?
Ilja: Das so ein Ding ist was sich verlaufen hat… Es kann gut sein, dass es daher kommt.
Nils: Ja doch bei H.P. Lovecraft gibt es das auch.
Ilja: Wetten es gibt auch Cthulhu Anhänger auf der Erde?
Festivalhopper: JAMES HETFIELD!
Alle lachen.
Festivalhopper: Die Songs haben bei jedem Album einen relativ verkopften Namen. Womit hängt das zusammen?
Nils: Das ist einfach ein Gimmick, was wir fortgesetzt haben. Das haben wir von Anfang an gemacht. Wir fanden es interessant nicht immer was zu nehmen was in den Texten vorkommt und nicht sofort offensichtlich ist. Das ist auch mit der deuschen Sprache immer etwas schwierig.
Ilja: Zwischendurch hatte wir sogar die Überlegungen mal deutsche Titel zu machen. Das wurde dann aber auch mehr oder weniger intuitiv verworfen.
Festivalhopper: Wie muss man sich das dann vorstellen? Du hast dann den Text und überlegst dann welches Fremdwort dazu passen könnte oder bist du ein wandelndes Lexikon?
Nils: Nein. Ich habe mir ein Fremdwörterlexikon zum dritten Album angeschafft und da dann einfach mal eine Liste mit Wörtern gemacht, die man mal gebrauchen könnte. Jetzt beim vierten Album viel recherchiert, wie bei Aldebaran. Da bin ich darauf gestoßen, dass dieser Planet eine besondere Bedeutung hat, fand den Namen cool und dachte, dass es ein cooler Titel ist.
Festivalhopper: Wie fühlt es sich eigentlich an die zweitbekannteste Band aus Hannover zu sein?
Nils: Wieso? Wer ist die bekannteste?
Festivalhopper: Die Scorpions!
Ilja: Ja aber da gibt es doch noch Eloy und wenn man Mousse T. als Band sieht…
Festivalhopper: Der zählt nicht!
Nils: Dann gibt es doch noch Fury In The Slaughterhouse
Ilja: und Scooter!
Festivalhopper: Na dann eben die fünftbekannteste. Aber es ist doch schön, dass Hannover so musikalisch bunte Stadt ist.
Ilja: Wobei ich die letzten Jahre nicht irgendwas davon gemerkt habe [LACHT].
Nils: Wie soll man das auch merken?
Ilja: Gar nicht.
Festivalhopper: Seid ihr in Hannover in der Musikszene noch so unterwegs, dass ihr euch viele junge Bands anschaut?
Ilja: Es gibt kaum noch eine Szene.
Nils: Noch? War das mal anders? Ich hab das noch nie so wahrgenommen.
Ilja: Nein es gab schon eine Zeit in der in der Musikkultur viel ging. Mittlerweile habe ich aber das Gefühl, dass da gar nichts mehr kommt. Es gibt die Musikstudenten an der Hochschule, die irgendwelche kleinen Sessions machen.
Nils: Das würde ich jetzt aber auch nicht mitbekommen.
Ilja: Ich bekomme das schon noch mit, weil ich ja mit den jüngeren noch vernetzt bin.
Festivalhopper: Ich habe gelesen, dass eure Produzenten mit David Hasselhoff zusammengearbeitet haben.
Nils: Nur der Tim. Tim [Tautorat, Anm. d. Red.] und Max [Trieder, Anm. d. Red.] haben mit mir zusammen in Detmold studiert und arbeiten ganz viel getrennt voneinander. Sie haben ein Studio was sie sich teilen und sind aber ganz selten zusammen. Wir waren jetzt eines der wenigen Projekte, die sie zusammen gemacht haben. Diese Referenzen beziehen sich auch meistens immer nur auf einen von beiden. Tim hat David Hasselhoff gemacht. Die haben das ein bisschen scherzhaft erwähnt. Der hat „I’ve been looking for freedom“ zum 50. Mal aufgenommen. Ich weiß auch nicht mehr genau warum. Irgendwie eine Country Version oder so. Irgendein Jubiläum und da war er Engineer… Aber er hat AnnenMayKantereit produziert und Turbostaat und Faber, falls dir das was sagt.
Festivalhopper: Ja, klar. Also ihr seid zusammengekommen, weil ihr zusammen studiert habt. Man merkt, dass sich der Sound bei jedem Album weiterentwickelt und verbessert hat und ich war einfach nur verwundert, dass David Hasselhoff in den Referenzen zu finden ist.
Nils: Die Wahrheit an der Geschichte ist aber, dass wir jetzt nicht deren Genre entsprechen. Das sind beide keine Metalproduzenten.
Festivalhopper: Wobei sie ja schon relativ breit gefächert sind. Die Bands sind ja schon unterschiedlich.
Nils: Na ja das ist aber trotzdem schon eher so ein Retrosound. Ich möchte jetzt nicht Lo-Fi sagen. Aber jetzt nicht so etwas wo das Schlagzeug irgendwie ballern muss. Daran kann man es auf jeden Fall fest machen. Gerade Tim hat sich da auf jeden Fall nochmal Sachen überlegt und wir haben auch viel mehr mit ihm zusammen über unsere Klangvorstellungen gesprochen.
Ilja: Wir haben auch sehr viel zu Hause vorproduziert…
Nils: … aber gerade was das Schlagzeugsound angeht, haben wir uns nochmal zusammengesetzt. Dann haben wir das Album bekommen und das erste Mal durchgehört und unsere Anmerkungen gesammelt und aufgeschrieben. Dann sind wir nochmal hin und haben es überarbeitet. Das war von Anfang an so eine Abmachung, dass wir gesagt haben dass wir mitreden wollen und nichts Vorgefertigtes bekommen was uns dann überrollt und dann müssen wir das absegnen. Das hat super funktioniert und er war sehr offen.
Festivalhopper: Vielen Dank für das Interview und viel Spaß beim Konzert!
Das Interview mit The Hirsch Effekt führten wir am 13.Januar 2018, hier gehts zum zugehörigen Konzertbericht aus Erfurt. Festivalmäßig werden The Hirsch Effekt dieses Jahr auch beim With Full Force [Tickets] vertreten sein.
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