In den Zeiten in denen gefühlt nicht viel Gutes von der anderen Seite des großen Teiches zu uns nach Good Old Europe kommt, lässt eine Institution wie EVERGREEN TERRACE uns in der Hoffnung, dass längst nicht alle im Trump-Land evolutionär den Rückwärtsgang eingeschlagen haben. Unsere Reporter für´s Grobe, Kay & Marie, haben sich im Rahmen der 19. Auflage des Metal-Gulasch-Events im Erfurter Club From Hell eine Brise „Gute alte Zeit“ gepaart mit progressivem Stuff der neuen Schule ins Trommelfell gedrückt. Aber lest selbst…
Annähernd genau ein Jahr ist vergangen: Selbes Event, selber Club, selbes Wetter, bekannte Gesichter uuuuuund wieder eröffnen die Dudes von FORESTER den Abend. Doch wo damals die Aussie-Prolls um DEEZ NUTS (Bericht hier) bis oben standen, tritt heuer die Florida-Connection EVERGREEN TERRACE als Lineup-Leader auf die Bretter. Und dass das nicht selbstverständlich ist, weiß jeder, der das On-Off-Drama der letzten zwei Jahre um Frontmann und Gründungsmitglied Andrew Carey mitbekommen hat. Es versprach ein bunter Abend zu werden: Von Pop-Punk über klassischen Hardcore bis hin zum melodischen Metalcore standen einige Variation der härteren Gangart auf der musikalischen Speisekarte. Das die Hütte gefühlt zu 80% ausgelastet war, ist angesichts der tief religiösen Meute am Tag des Herrn (Sonntag) nicht selbstverständlich und versprach auch seitens der Crowd eine solide Show á la Stagedives & High-Fives.
Der Abend startete früh (18:30 Uhr), wohl auch, weil nicht jeder am folgenden Montag zum ersten Pflichtermin Mittags in der Mensa erscheinen musste und bestimmt auch, weil das From Hell eher in dörflicher Struktur eingebettet ist und der Oma nebenan irgendwann die Beruhigungs-Pillen ausgehen. Wie erwähnt hatte FORESTER die Ehre, den Opener zu geben. Über den Gig der Hillbilly-Lokalmatadore im Rahmen des Metal Gulasch XIV (Bericht hier) schrieben wir damals:
„Die Bretter anheizen durften die Jungs von FORESTER – eine noch junge Local-Combo die ihren Bandnamen von ihren Wurzeln im Fichtendickicht des Thüringer Waldes abgeleitet hat. Die Mischung aus Pop-Punk & HC-Elementen ist definitv erfrischend innovativ. Sänger Retro überzeugt gesangstechnisch sowohl bei den Melodic- als auch bei den Scream-parts. Die Dudes haben definitiv Potential und bringen auch ne ordentliche Schippe Erfahrung mit, denn der Kern der Wald-Rednecks hat schon beim früheren Metalcore-Projekt Medea Rising gerlernt die Klampfe auf Drop C zu stimmen und brutale Breakdowns in die Crowd zu prügeln. Fazit: Da kommt ´ne tighte Truppe aus der Lichtung, die in Zukunft den Staatswald anteilig roden werden.“
Dem ist verdammt nochmal nichts hinzuzufügen, außer, das die Dudes ein weiteres Jahr Erfahrungen gesammelt haben und die Bühnenperformance durch meisterhafte Rülps-Kompositionen an Professionalität & Glaubwürdigkeit dazu gewonnen hat. Auch wurde neues Material erwähnt und angestimmt – da werden wohl bald frische Sounds ins Vinyl gekratzt.
Next Combo on stage: CROWNED KINGS. Die Jungs aus Down Under verstanden es, uns musikalisch in längst vergessene Zeiten zurück zu führen. Da war schon ´ne ordentliche Schippe alte Schule mit bei und Szenegrößen wie Hatebreed oder Terror wären definitiv stolz, dass die Jungs aus Melbourne dem (gefühlten) demographischen Wandel im Hardcore so entschlossen den Mittelfinger entgegen rotzen. Auch die Lyrics sprechen 100% die Sprache des klassischen HC – ordentlich FuckYou-Mentalität gepaart mit Zusammenhalt und Szene-Identität wirken nicht besonders innovativ, halten aber die Werte hoch, für die sich weitaus ältere Bands über Jahre hinweg die Seele aus dem Leib gezockt haben. All in all eine solide Show, welche musikalisch überzeugte und gepaart mit dem Brüllorgan von Sänger Makka definitiv ihren Teil zum abwechslungsreichen Lineup beigetragen haben.
An dieser Stelle muss eingeworfen werden. Das From Hell hat definitiv ein Problem, welches uns schon im Vorjahr die Disziplin raubte, vor der Stage zu verharren. Da ist dieser endlos chillige Innenhof mit einer mega-schönen Linde im Zentrum gepaart mit dem geilen Sommerwetter und dem umfangreichen Angebot an Kaltgetränken und Hot Soups. Fressen, Saufen, Sonne-chillen – die größen Laster, die am Ende eines Festivals dazu geführt haben, dass man mehrheitlich hackedicht und halbnackt in der Camping Area rumgeasselt ist und nur 20% der Bands gesehen hat, die man sich vorher in der Running Order als „Must see“ markiert hat. Das From Hell schafft es immer wieder, diesen Fluch auf eine Club-Show zu übertragen.
Das ganze Geseier soll aber eigentlich nur davon ablenken, dass wir ein dezent schlechtes Gewissen haben, kaum eigene Eindrücke zu Band No. 3, OUR HOLLOW OUR HOME, auf´s digitale Paier bringen zu können. Die jungen Briten, die mit ihrer Gründung im Jahr 2013 zusammen mit Forester die Welpen im Lineup waren, haben sich verdammt schnell in der Szene etabliert und treffen mit ihrem ausgeprägt melodischen Metalcore offensichtlich den Nerv von vielen Fans der neuen Schule. Das offenbarte sich auch bei unserem Gang vom heiligen Innenhof zurück zur Stage. Wow, die Crowd feierte die Jungs echt hart und gab die bis dahin geschlossenste Performance ab. Wir, die alten Säcke, die ewig Gestrigen, fremdelten dagegen mit dem finalen Song, einem Cover von Ed Sheeran („Shape of You“), so sehr, dass das Innenhof-Gechille definitiv die besser angelegte Lebenszeit war.
Umso größer die Freude, als der Mainact aus Jacksonville, Florida endlich auf die Bretter stieg. Wir hatten die Jungs live zuletzt 2011 im Rahmen der damaligen Hell on Earth-Tour (Bericht hier) gesehen und seitdem wurde die Band mehrfach ordentlich durchgemosht. Das 2013er-Release „Dead Horses“ war nochmal ein richtig fettes Brett, bevor Frontsau Drew Carey 2015 ernsthaft mit den Worten „Too old for this shit“ das Handtuch geworfen hatte. What the fuck – JUNGE – krieg dich ein! Und er kriegte sich ein, weshalb erfreulicherweise seit Mitte 2016 die Dudes wieder vollzählig die Stages besteigen. Im Rahmen der „Return of ET“-Gigs stand nun endlich Europa auf dem Tourplan und, dank der überragenden Orga der Metal-Gulasch-Guys, eben auch die Capital of the Green Heart – Erfoooooooooooord! AHU!!
Los gings mit good old stuff – „No Donnie, these men are nihilist“ released in 2002 war der Opener und sollte zeigen, wer auch die alten Schinken kannte und feierte. Und hey, die Crowd ging von Beginn an vorwärts und animierte Carey zunehmends, mehrheitlich vor der Stage als an der Seite seiner Kameraden abzuhustlen. „Where there is fire, we will carry gasoline“ wirkte derart als Brandbeschleuniger, dass die Bude zunehmend auf Temperatur kam und selbst der bandeigene Ventilator nur noch übersättigten Wasserdampf auf der Stage zirkulierte. Von den Querelen der Vergangenheit keine Spur – die Band drosch so viel Energie durch die Amps, dass dieser Gig es definitiv in mein geschundenes Langzeitgedächtnis schaffen wird. Careys kompromissloses Shouting und die hymnenartigen Clean-Parts von Craig Chaney harmonisieren auch live derart gut, dass ET zurecht als Institution im Meldodic HC gelten. Die Crowd war dank des unbändigen Geballers richtig angefixt, sodass die Kette an Stagedives und Crowdsurfern zu keiner Zeit abzureisen drohte. All time favorites wie „Dead Horses, Wolfbiker, Dogfight, Chaney can´t quite…,“ und dem Tears for Fears-Cover „Mad World“ brachten die ganze Hütte derart zum kochen, dass dieser Abend den Klimawandel temporär befeuert hat. Spätestens als der halbe Club die Stage stürmte und das Mikrophon annektierte, musste auch jeder Nicht-Fan klar einsehen, dass solche Live-Performance einer fast 20 Jahre alten Combo definitiv nicht selbstverständlich ist und durch mehr oder weniger dezentes Ausrasten zu quittieren ist. EVERGREEN TERRACE – ANYTIME AGAIN!!!
Wir wierderholen uns, aber es muss gesagt werden: Fettes Danke an die Veranstalter für die gesamte Orga, vom abwechslungsreichen Lineup bis zur vollumfänglichen Gastro – DIY as it´s best! C ya soon…
Rinjescheppert & High5,
Kay & Marie
Kommentar schreiben