„Offen und vielfältig, dynamisch und energetisch, experimentell und substanziell“, so kündigt sich das 12. Open Source Festival für den ersten Julisamstag auf seiner Website an. Das Düsseldorfer Festival ist vergleichsweise klein, hat aber eine Menge zu bieten. Musik von drei verschiedenen Bühnen etwa, zusätzlich eine DIY-Arena sowie eine Kunstausstellung. Genau genommen hat man also zwei Festivals in einem und obendrein viel Raum zum Selbst ausprobieren.
Hin- und hergerissen zwischen Kontemplation und Aktion wünscht man sich schnell ein Dutzend Augen, Ohren und Hände mehr. Später bleibt allerdings die Frage offen, ob es experimentell genug ist, Vielfalt zusammenzuwürfeln, oder ob es nicht doch etwas mehr Dynamik gebraucht hätte, um tatsächlich Substanz zu schaffen?
Als Presse-Highlight gibt es gleich zu Anfang ein Meet and Greet mit Studierenden der Kölner Hochschule für Medien sowie mit MusikerInnen der Young Talent Stage. Vielleicht reicht die Aufmerksamkeit für genügend Aufwind, damit es beim nächsten Mal mit dem Flug von der kleinen zur großen Bühne klappt. Vielleicht ist es auch als ein Trostpflaster. Denn leider sind die VertreterInnen der KHM zusammen mit den anderen KünstlerInnen etwas abseits im Führring der Galopprennbahn untergebracht und auch die Young Talent Stage liegt unglücklich hinter Treppen und Grillbuden versteckt.
Der ein oder andere Newby mag sich hier im Schutz des Hauptgebäudes der Rennbahn ganz wohl fühlen, erfahrenere Young Talents hätten sich aber vielleicht über ein größeres Publikum und mehr Präsenz auf dem Festival gefreut. So wirken die Konzerte hier leider sehr wie Schulauftritte und werden vom Publikum oft als nette Hintergrundmusik empfunden, aber nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit bedacht. Denn es gibt einige Potenziale; Bellchild rocken zum Beispiel richtig ab und haben sichtlich Spaß auf der Bühne, das hört und sieht man ihnen an. Dennoch können sie nur wenig gegen die allgemeine Trägheit des Publikums ausrichten.
Tired Eyes Kingdom haben anfänglich mit technischen Problemen zu kämpfen, für die die Band sich zwar entschuldigt, sich anschließend aber leider dazu entschließt, die Pause schweigend aussitzen. Sie kommen tatsächlich etwas müde, vielleicht auch ein bisschen schüchtern daher. So hätten sie die Zeit gut nutzen können, um Kontakt mit Fans aufzubauen, anstatt die Aufmerksamkeit der ZuschauerInnen wieder zurück zu ihren Gesprächen, oder schlimmer noch,ihren Fritten wandern zu lassen. Der Gesprächspegel ist laut und so ganz ohne Einleitung oder Vorstellung können viele mit den verträumten Sounds nur wenig anfangen. Vielleicht ist es der falsche Ort oder die falsche Zeit; In einer intimeren Atmosphäre hätte Tired Eyes Kingdom sicherlich besser wirken können.
Als Festival im Festival angelegt tummeln sich auf dem Kreativmarkt im Führring stolze achtzehn Pop-up-Squares und teilen somit leider das Schattendasein der Young Talent Stage. Am äußersten Rand des Festivals platziert, liegen die KünstlerInnen ab vom Schuss und geraten dadurch schnell in Vergessenheit. Auf die Kunstausstellung angesprochen reagieren manche FestivalbesucherInnen leicht verwirrt: „Was für eine Performance denn?“, „Kunst? Wo denn?“ Das ist wirklich schade, denn wer sich doch in den Führring verirrt, findet sich in einer Welt wieder, die zum Entdecken und Ausprobieren einlädt: Animationen und Performanceausschnitte fragen nach dem Hier und Jetzt von Jugend und Heute, Filme und Fotoinstallationen zeigen Lebenswege auf und spielen mit Tinderträumen.
Während die dargebotenen Snacks jedem Hipster das Wasser nachhaltig (!) im Mund zusammenlaufen lassen, widmen sich originelle Designs und Liveporträts dem Bleiben und dem Besonderem von Schönheit. Außerdem wird den KünstlerInnen die Möglichkeit zum Austausch und zur Vernetzung gegeben. Somit stellt der Führring eine clever erdachte Synergie von Vielfalt dar. In der DIY-Arena kann man den kreativen Input nun in eigene Werke fließen lassen. In einem schönen Miteinander tummeln sich hier Jung, ganz Jung und Mittel- bis Alt und gestalten eigene Klebentattoos und Buttons.
Der Timetable der Hauptacts scheintoptimal an den „Biorhythmus“ der FestivalbesucherInnen angepasst: Auf der Main Stage beginnt es mit eingängiger Pop-Musik, wird dann später durch selbstironisch HipHop abgelöst, bevor über mitreißenden Indiesounds eine psychedelische Nacht hereinbricht. So startet Love Machine die Neugier der Menge mit außergewöhnlichen Stilmixen und regt zu allgemein gelöster Stimmung an. Anschließend werden sie vom funkigen Indie-Pop der Sterne abgelöst. Nach gut 25 Jahren auf der Bühne scheinen diese jedoch schon einiges an Strahlkraft eingebüßt zu haben; ihre Performance ist nach wie vor solide und reicht, um die ersten Reihen zum Strahlen bringen. Doch die vierte oder fünfte Reihe können sie zu kaum mehr als einem beiläufigen Kopfnicken begeistern.
Am späteren Nachmittag wird die Antilopen Gang schon von einer deutliche größeren Meute mit tobendem Beifall begrüßt und lässt schnell richtig Stimmung aufkommen. Allerdings ist der Auftritt der „linksradikalen Hassband“, wie sie selbst die Österreichische Presse amüsiert zitieren, nichts für zart Besaitete; hier wird gepogt und geschubst, bist die ersten leicht genervt das Feld räumen. Den härter Gesottenen wird Entertainment in guter alter Antilopen-Manier geboten: es wird politisch, persönlich, und perplex weil absurd. Dabei bleiben die drei aber immer substanziell, auch, oder vielleicht gerade wenn es um Pizza geht. Gekonnt nehmen sie Köln und Düsseldorf, das Publikum aber vor allem sich selbst auf die Schippe (Panik Panzer: „’Ich grille eine Grille auf dem Grill’, das ist die schlechteste Line, die ich je geschrieben habe!“). Sie spielen Songs aus älteren Alben wie „Abwasser“ aber auch aus dem neuen Album „Anarchie und Alltag“. Die Menge springt jedenfalls voll darauf an. Das mag am sympathisch-pöbelhaften Miteinander zwischen den Antilopen und ihren Fans liegen, oder daran, dass sie den Nerv der Generation (wh)Y so gut treffen; irgendwo zwischen YOLO und gesellschaftspolitischer Kritik.
The Temper Trap bedienen selbstredend ein ganz anderes Publikum. Die Pöbler sind gewichen, die gute Stimmung aber ist geblieben. Über die Tribüne schallen nun astreine Indie-Rock-Sounds, denen man sich nicht entziehen will, selbst wenn man könnte. Dougys Stimme tut ihr Übriges dazu und verzaubert halbe Fans schnell in ganze: „Die haben mich voll umgehauen, eine richtige Live-Band halt.“ Und das stimmt. Die Jungs ziehen ihr Publikum mit einer Präsenz sondergleichen in den Bann, bei dem die ein oder anderen auch mal weiche Knie bekommen. Mehrmals kommt Dougy von der Bühne runter und singt nicht nur für, sondern auch mit seinen Fans. Eins steht fest, die vier haben nicht nur abgeräumt, sondern auch abgeholt.
Der Übergang zu Trentemøller könnte nicht fließender sein. Der Däne schließt mit beinahe erotischen Klängen an die vier Australier an und das Musikfestival mit einer bombastischen Stimmung ab. Die klaren Indiewellen werden nun von minimalistischen Elektrosounds abgelöst, die schließlich in wärmere psychedelische Klänge übergehen und die Fans in tranceähnliche Tänze verführen. Währenddessen übersetzt die Lichtshow musikalische Akzente auf den Nachthimmel und färbt das Schwarz in tiefes Rot und kühles Blau.
Das Programm der WIP Stage ist vor allem eins: experimentierfreudig. Das Publikum braucht lediglich etwas um in die Gänge zu kommen, doch am späteren Nachmittag schafft es BAR schließlich, die Menge zu inspirieren. Selbstvergessen tanzen Christina und Lucas zu ästhetischen bis poppigen New-Wave-Melodien, die ihre Stimmen einem filigranen Muster folgend durchweben. Von so viel Esprit lässt sich auch das anfangs noch steife Publikum anstecken und geht begeistert mit.
Weiter geht es mit Musik aus Kenia. Nachdem in der Pop-Musik lange schon von afrikanischen Klängen abgekupfert wurde, ist es nun an der Zeit, die Bühne für bessere Originale zu räumen. Ogoya Nengo and The Dodo Woman’s Group begeistern mit einfachen Mitteln, sei es a-cappella oder lediglich in Begleitung von original kenianischer Percussion. Ihre Stimmen sind ausdrucksstark, die Rhythmen eingängig und das Publikum in Bewegung. Es geht nicht um kulturelle Selbstausschlachtung, sondern Erhaltung eines Musikstils, der in Kenia fast schon vergessen ist.
Die Londoner Band Mount Kimbie bringt einen interessanten Mix aus Minimalsounds und dissonanten Harmonien auf die Bühne. Die so entstandene Spannung halten sie durch gelungene Übergänge zu immer wechselnden Rhythmen und Melodien. Ein paar Intros und Outros wirken allerdings unnötig in die Länge gezogen, weshalb die beiden manchmal gefährlich nah an der Grenze zu langweilig dubben und steppen. Dabei scheinen sie oft in ihrer eigenen Klangwolke gefangen und verlieren gegen Ende der Songs oft den Flow mit dem Publikum. Setzt jedoch ein neues Lied an, sind ihre Fans prompt wieder da und feiern den neuen Beat mit lauten Jubelrufen.
Das OSF ist mit viel Mühe und Liebe für die Dinge abseits des Mainstreams gestaltet. Auch wenn sein Fokus laut eigenen Beschreibungen besonders auf avantgardistischer Pop-Musik liegt, bedient es ein wirklich breites Publikum. Leider hapert es an der Schnittstelle zwischen Kunst und Musik, die hier isoliert nebeneinander her existieren und das OSF doch eigentlich zu dem machen sollen, was es ist: offen. Nimmt man jedoch alles zusammen, dann zeigt sich das Festival tatsächlich als sehr divers, auch wenn das ein oder andere Schmuckstück im großen Trubel unterzugehen droht. Wir haben unsere Lupen jedenfalls gezückt und warten gespannt auf nächsten Sommer!
17. Juli 2017 um 13:08
[…] Festivalhopper […]
12. Dezember 2017 um 17:30
[…] schon seine Vorfreude aufs Festival schüren will, dem sei unser Rückblick 2017 empfohlen: “So war das Open Source Festival 2017 – Kunst & Musik?!“. Weiteres zum Open Source 2018 hier und auf […]