Musikfans aus ganz Deutschland und vielerorts Europas strömten am Wochenende zur ersten Ausgabe des Lollapalooza Festivals in Berlin. Mit einem hochkarätigen Line-up aus allem, was die derzeitigen Charts zu bieten haben, wurden vier Bühnen an zwei Tagen ganztägig bespielt. Jeder Musikgeschmack wurde bedient und die Besucher hatten die Chance sehr viele tolle Livebands an einem Wochenende zu erleben.
Aus dem Angebot von knapp 50 Künstlern haben wir ein paar Auftritte gewählt, die wir hier Revue passieren lassen wollen. Dabei gab es sehr viele tolle, aber auch ein paar enttäuschende Erlebnisse.
Deichkind
Deichkind waren „leider geil“. Natürlich. Ihre Live-Show ist das pure Entertainment, das kann niemand schlecht finden. Es gibt eine durchgestylte Bühnendeko aus vielen leuchtenden Dreiecken, sechs echte Männer in abstrusen Kostümen und eine Choreografie, die bis auf die letzte Handbewegung sitzt.
Für eineinhalb Stunden lieferten sie eine fette Show, gegen die selbst Lady Gaga alt aussieht.
Am Ende rollten sie sogar noch in Fässern durch die Massen. Wer da nicht schweißgebadet, aber in Freudentrubel zur nächsten Bühne waberte, der hat was falsch gemacht. Zum Stimmungsmacherrepertoire gehörten natürlich „Leider geil“, „Like mich am Arsch“, „Denken Sie groß“ und „Bück dich hoch“.
Bastille
Das Lollapalooza hatte für jeden Besucher mit selbsterklärten gutem Musikgeschmack auch eine ganze Reihe gut funktionierende guilty pleasures zu bieten. Oder anders gesagt: viele Lieder, die man mitsingen kann, obwohl man gar nicht wusste, dass man diese so gut kennt. Bastille gehört definitiv zu einer dieser Bands. Ihr Hit „Pompeii“ lief bei Spotify bereits 300 Millionen Mal. Auch im Radio werden ihre Songs rauf und runter gespielt und so ist es kein Wunder, dass man im Stande ist, den gesamten Text live voller Inbrunst mitzusingen.
Sie legten am frühen Samstagabend eine gute Show hin und haben mit ihren pompösen Sound sicher das Zeug, mal ganze Stadien zu füllen. Auf jeden Fall glühten die Teenieherzen heiß, als der Frontmann mit dem niedlichen britischen Akzent und tiefsitzenden Kapuzenpulli durch die Massen wanderte. Beim Cover von „Rhythm is a dancer“ hatten sie dann auch die Mütter in der Tasche. Spaß hat es in jedem Fall gemacht und ist daher als Festivalband eine gute Wahl.
Macklemore & Ryan Lewis
Eine weiteres guilty pleasure und viele Fanherzen wurden mit dem Headliner des Samstagabends, Mr. Macklemore & Ryan Lewis, erfüllt. Die Show war groß, unterhaltsam und sehr amerikanisch. Hipster Hip Hop oder Rap für Mädchen, egal wie man es nennen will, Macklemore und seine Crew wissen, wie eine gute Show funktioniert. Dazu gehören fancy Animationen, ausdauernde Tänzer und ein guter Moderator.
Wie auch in seinen Songs erzählt Macklemore gern Geschichten. Vom Storytelling lebt bei ihm alles, aber das kann er auch geschickt. So erzählte er von leckeren Schnitzeln, seiner neulich geborenen Tochter sowie dem Kennenlernen von Ryan Lewis über MySpace. Trotzdem verliert er nicht an Coolness als Musiker und gewinnt sogar noch Sympathiepunkte als er aufruft, das Smartphone mal in die Tasche zu stecken, den Selfie-Stick loszuwerden und einfach den Moment zu genießen. Mit diesem Aufruf stand er am Wochenende im Übrigen nicht allein auf der Bühne.
Ryan Lewis lieferte im Hintergrund fast unsichtbar den Sound und sorgte für die tanzbaren Beats mit seinen Bandkollegen. Es liefen alle Hits von Thrift Shop, Can’t hold us down, Same Love bis hin zur neuen Single Downtown, bei der Eric Nally persönlich mit einstimmte. Auch bei Thrift Shop wurden die Lyrics von Wanz in gut sitzenden Anzug live präsentiert.
Run the Jewels
Gegen Run the Jewels wirkte Macklemore tatsächlich wie eine seichte Nummer. Die Rapper haben sich im letzten Jahr einen Rang auf allen Playlists der Musikmagazine ergattert. Beim Lollapalooza feierten sie ihre Berliner Bühnenpremiere. Mit toughen Beats, mächtig Lautstärke und ordentlichem Straßenslang begeisterte das Duo die angereisten Fans und platzierten sich als der Hip Hop Act schlechthin beim diesjährigen Lolla.
Belle & Sebastian
Für viele Musikfans war der Name Belle & Sebastian im Line-up ein guter Grund, das Lollapalooza zu besuchen. Die Glasgower strahlten mit der Sonne um die Wette und zeigten, dass ihre Gute-Laune-Indie-Lieder noch immer toll auf der großen Bühne funktionieren. An sich eine recht unspektakuläre Show, aber dafür wunderbare Musik, sympathische Menschen und am Ende wurden einfach 20 Fans auf die Bühne gezogen, die umher tanzten und ein spontane Selfies mit der Band knipsten.
Sam Smith
Eine Band, drei Backgroundsänger und dazwischen ein schüchtern wirkender Sam Smith mit wunderschöner Stimme. Auch wenn diese laut eigenen Angaben am Sonntag etwas angekratzt war, performte der junge Brite die besten Hits aus seinem Debütalbum. Gänsehautstimmung, Kuschellaune und viel Liebe wurden verteilt. Leider fehlte sein Dancehit „Money on my mind“, dafür gab es „La, la, la“ ein paar Coversongs und die stolze Verbreitung der Nachricht, dass er den Titelsong für den neuen James Bond Film beisteuern wird. Vielleicht hat er dabei seinen größten Hit auch einfach vor lauter Aufregung vergessen.
Clean Bandit
Im letzten Jahr wurde Clean Bandit von allen Radiostationen non-stop gespielt, von der Presse gehypt und somit große Erwartungen aufgebaut. Auf der Bühne wirken sie dann leider doch etwas verloren. Außer dem Ohrwurm Rather Be ging nicht viel ab und als Nachmittagsuntermalung war es eben nett, aber noch nicht festivalbewährt.
Beatsteaks
Wieder eine Band mit der auf einem Festival nichts schief gehen kann. Während ihres Auftritts schafften sie es drei Punkte wirklich fest zu manifestieren: sie kommen aus Berlin, sie lieben Berlin und sie werden in Berlin bleiben. Seit 20 Jahren machen sie gemeinsam Musik und haben sich zu einer der besten Livebands Deutschlands gerockt.
Arnim ist der geborene Frontmann, der auch die Nähe zum Publikum sucht und strahlte das pure Vergnügen aus. Auch wenn die Hits etwas in die Jahre gekommen sind, die Darbietungen sind immer noch ein sicherer Garant zum tanzen, mithüpfen und pogen. Das obligatorische in die Knie hocken durfte natürlich beim Rock’n’Roll Erlebnis auch nicht fehlen. Die Beatsteaks sind und bleiben eine gute Live-Nummer – hingehen und mitrocken, wenn sich die Gelegenheit bietet!
Parov Stelar Band
Die swingende Partyband mit den eingängigen Elektrobeats sollte am Samstagnachtmittag bei schönstem Sonnenschein die Gäste in Tanzlaune versetzen. Leider wirkten die Animationsversuche der etwas selbstverliebten Frontfrau weniger anheizend, sodass man dem versucht sexy eingesetzten Hüftschwung auf den Großbildleinwänden leider nicht länger als 20 Minuten beiwohnen wollte. Schade, denn nach den Gute-Laune-Alben Clap Your Hands und The Art of Sampling waren die Erwartungen wohl etwas zu hoch gesteckt.
Seeed
Wie die Beatsteaks so ist auch Seeed ein Garant für ein tolles Festivalerlebnis. Bei deren Live-Show kann man absolut nichts falsch machen, auch wenn die Hits steinalt sind und in der eigenen Playlist nicht mehr laufen. Ebenfalls großes Thema ist auch bei ihnen ihre Heimat Berlin, das dicke B an der Spree. Die vollbesetzte Bühne aus Band, Trommlern und den Frontmännern blitzte und glitzerte im Showlicht und die Tanzeinlagen animierten zum mitmachen. Für 90 Minuten powerten sie ohne Pause durch und Peter Fox führte charmant durch die Hits wie Ding, Augenbling und Deine Zeit.
In diesem Jahr war der Auftritt beim Lollapalooza eines von ganz wenigen Konzerten der Berliner Formation. Glück gehabt, wer dabei war!
Tame Impala
Zu beneiden waren die Australier nicht. Im Line-up parallel zu Muse zu spielen, ist sicher für jede gerade am Durchbruch stehende Band etwas einschüchternd. So war es für sie und das Publikum auch ein besonderer Moment als zum Abschluss des Festivals viele den Weg zur Alternative Stage statt zur Mainstage gefunden hatten und mit Tame Impala gemeinsame den Europatourabschied feierten.
Frontmann Kevin Parker gab dann auch rührend preis, dass er es kaum glaube könne, das so viele sie gegenüber Muse auf der Mainstage, gewählt hatten. Diese Wahl hat sich aber gelohnt. Für volle 90 Minuten zeigten sie eine Mischung aus den drei veröffentlichten Alben in ihrer unprätentiösen, aber charmanten Art und kreierten eine tolle Atmosphäre aus den stimmigen Melodien, dem Sommerabschiedsschmerz und dem Gefühl, endlich richtig gute Musik zu hören.
Muse
Lange wurde gerätselt, welcher Headliner das Festival anführen wird. Mit Muse hatten viele zunächst nicht gerechnet. Eine Weile waren sie in der Versenkung verschwunden, nun sind wie wieder auf den Bühnen weltweit und mit neuem Album unterwegs.
Wenn auch vielleicht nicht jedermanns Geschmack – aber von den Festivalbesuchern blieben viele trotzdem vor der riesigen Mainstage hängen, die durch Muse noch zehnmal größer wirkte. Auf jeden Fall schafften sie es, Eindruck zu machen und dem Festival zu einem positiven Finale zu verhelfen.
PS: The Libertines
Punkt 1: Ja, sie waren da. Punkt 2: Ja, Pete war auch dabei und Punkt 3: sie waren (fast) pünktlich. Eingefleischte Fans waren natürlich begeistert, alle anderen mussten sich zwischen Fatboy Slim, Macklemore und ihnen entscheiden.
Nächstes Jahr kommt das Lollapalooza am 10. und 11. September 2016 wieder nach Berlin. In den nächsten Tagen soll bereits der Vorverkauf gestartet werden. Zum Line-up gibt es noch keine Infos, wir halten euch aber auf dem Laufenden.
Wie das Festivalfeeling insgesamt so war am Wochenende, lest ihr hier.
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