Strand, Lagerfeuer, Akustikgitarren – das gab’s am Freitag beim Jubiläumsfestival der Lagerfeuer Deluxe Konzertreihe. Na gut, Strand stimmt nicht ganz und das Feuer kam auch nur vom Bildschirm – dennoch steht das Prinzip: Reduzierte Instrumentierung, persönliche Atmosphäre und Songs im Akustikgewand – wie es am Strand wäre, würde man neben der Akustikgitarre auch noch den Flügel ans Meer schieben.
Lagerfeuer Deluxe – das bedeutet 20 Minuten, um das Publikum zu überzeugen (beim Festival waren es ausnahmsweise 30 Minuten pro Act) und ein besonderes Publikum, das besonders jubelt: „Bravo“ Rufe gehören zum guten Ton und zur besonderen Szene Kultur des Publikums, ebenfalls wie durch ein „Psst!“ andere Besucher zur Stille zu bewegen, um die ruhige, persönliche, nur knapp verstärkte Atmosphäre des Konzerts zu erhalten.
Ansonsten ist der Altersdurchschnitt des Publikums etwas höher, als ich es erwartet hätte: Ein Festival ohne Gummistiefel & Matsch, Ravioli und Cantina Band im 10-Stunden Mix ist eben doch attraktiver für die gediegenen MusikhörerInnen. Ich fühl mich jedenfalls teilweise als einer der jüngsten Besucher.
Wenn man gerade vom Hurricane kommt, wirkt das Festival irgendwie putzig süß und wie eine kleine Festivalsimulation: Drei Bühnen gibt’s im Stadtgarten, nach einer Band wechselt ein Teil des Publikums mit auf die nächste Bühne, die im Wechsel bespielt werden. Insgesamt ist das Bühnenwechseln deutlich stressfreier als bei großen Festivals, man findet auch noch gut seinen Platz im Raum. Anders als bei riesigen Events nimmt man das mit dem Zeitplan auch nicht so ganz genau – Die Künstler überziehen ganz gerne ein paar Minuten, aber das ist in diesem Kontext kein Problem und wird wohlwollend vom Publikum, aber auch vom Moderator aufgenommen.
Seit mittlerweile zehn Jahren gibt es die Konzertreihe, was zusammenfällt mit dem hundertsten Konzert. In der Zeit haben sich einige Traditionen ergeben, unter anderem das klassische Lagerfeuer Deluxe Quiz, bei dem der Text bekannter Popsongs vorgelesen und erraten wird – nachdem der Text durch Google-Translate übersetzt wurde. Diejenigen, die zuerst erkennen, worum es sich handelt, können sonst Gästeliste-Plätze für das nächste Konzert oder einen Schnaps gewinnen – dieses mal gibt’s allerdings nur den Schnaps. Gar nicht so einfach, u.a. Radioheads „Creep“ zu erkennen, nachdem es der Translator-Bot elegant übersetzt hat!
Nach zehn Jahren zum ersten Mal selbst auf der Bühne, um zu spielen und nicht zu moderieren war schließlich einer der beiden Gründer der Konzertreihe – Pe Simon. Da er von sich selbst sagt, dass er nicht singen könne, hat er sich ein paar Freunde eingeladen, die Coversongs in geerdeter, ruhiger Version singen wie „Black or White“ oder „Eye Of The Tiger“. Der Auftritt des Abends, der vermutlich am ehesten einer Lagerfeuernacht gleich kommt; jemand schnappt sich die Gitarre und singt Songs, die alle mitsingen können.
In der Saalbühne hat Celina Bostic mal ihre Loopstation zuhause gelassen und spielt allein mit ihrer Stimme und ihren Songs. Das macht sie ziemlich gut! Fasziniert von der ruhigen, aber guten Atmosphäre im Saal macht sie Witze, interagiert gekonnt mit dem Publikum und animiert es gar zu witzigen Zug-Geräuschen beim Song „Irgendwo“. Stärkster Auftritt des Abends!
Unten in der Studio-Bühne spielt Maxim schon früher als im ursprünglichen Plan. Schade für die, die’s vielleicht nicht mitbekommen haben, gut für diejenigen, die Maxim UND Flo Mega sehen wollen, die sonst parallel gespielt hätten. Der Kölner, der schon mehrmals bei Lagerfeuer Deluxe zu Gast war, erzählt davon, dass sich die Konzertreihe einen kleinen, feinen Ruf unter Künstlern erspielt hat und dass es immer wieder schön ist, hierher zurückzukommen. Mit reduzierten Schlagzeug und Klavier spielt er ein sehr stimmiges Set und darf, festivaluntypisch, sogar eine Zugabe spielen.
Vor Flo Mega geht’s dann noch mal zum Headliner der Café Bühne, JJ & The Acoustic Machine (siehe Titelbild oben). Die Jungs spielen Musik, die klingt, als wäre sie direkt aus den Südstaaten der USA importiert. Die Temperatur im Saal geht auch in die Richtung – insgesamt scheint die Lüftung im gesamten Gebäude nicht so gut zu funktionieren. Doch JJ & The Acoustic Machine reißen es und wenn ich nicht noch weiter wollte, bliebe ich da, um mit den anderen im Raum zu den Bluegrass-Songs ein bisschen zu tanzen.
Der Headliner des Abends, Flo Mega, tritt mit Kontrabass und Flügel auf. Er selbst hat sich eine Hi-Hat neben sich aufgebaut und macht eher sporadisch etwas Perkussion. Insgesamt wirkt Flo Mega immer wieder wie ein Getriebener, ein manischer Sänger, der nicht so richtig von der Welt (und seinen Mitmusikern) verstanden wird. Auch diesmal erzählt er zwischendurch Geschichten, die eher etwas verwirren, singt am Ende einen neuen Song (?) A capella, der so wirkt, als habe er sich zu dem Schritt erst fünf Minuten vor der Show entschieden. Ab und zu bricht er im Song ab zu singen, läuft zum Flügel und soliert neben seinem Pianisten jazz-typisch für ein paar Minuten; dann fängt er doch an, auf der Hi-Hat irgendwas vor sich hin zu spielen. Dass alles nicht ganz schlüssig wirkt, mag zum Konzept gehören, aber irgendwie wirkt es eher so, als wenn Flo Mega ein sympathischer, aber seltsamer Kerl ist.
Nichts wirkt so richtig abgesprochen, selbst den Namen seines Bassisten muss er bei der Vorstellung noch erfragen und wirkt so, als höre er diesen Namen zum ersten mal – aber diese Offenheit zur Spontanität scheint der Katalysator für Flos Kreativität zu sein. So oder so klingen die Songs in dieser Akustik-Version grandios und zeigen eine ganz neue Seite des Soul-Mann, der sagt, dass er sonst bei Auftritten eben doch „rocken“ muss, um die Leute zu begeistern – hier bringe es ihm eine Ruhe, die „gut tut“.
Fazit: Angenehmes Festival, das ruhig mal öfter stattfinden könnte, nicht nur alle 10 Jahre. Am interessantesten sind letztlich dann doch die Auftritte von Künstlern, die sonst nicht schon ohnehin Akustik-orientiert spielen – JJ & The Acoustic Machine waren zwar stark, spielten aber wie üblich; Die Veränderung und Reduktion macht die Magie und letztlich auch die Einzigartigkeit aus.
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