Das Line-Up des Unirocks, das am 10.6.2015 auf dem Campus der TU Dresden stattfand, war zwar so ziemlich die einzige Info, die wir im Vorfeld hatten, aber es klang vielversprechend: Hochkarätige deutsche Acts, die sowohl textlich als auch musikalisch zu begeistern wissen und viel Live-Erfahrung mitbringen.
Nachdem wir von jemandem mit gekauftem Ticket die Einlasszeit erfragt hatten, ging es also motiviert und bei bestem Sommerwetter mit dem Zug nach Dresden – vom dortigen Hauptbahnhof konnte man angenehmerweise zum Konzertgelände laufen. Und auch gleich mittendrauf – die Absperrungen für den Einlass wurden erst eine Stunde vor Einlass aufgebaut, der Akkreditierungsstand erst wenige Minuten vorher. Soviel Gelassenheit kannte ich bisher nur von den Briten. Grund zur Sorge um gute Plätze bestand indes nicht, 18 Uhr war ohnehin noch gefühlt früh am Tag.
Wir chillten also erstmal eine Runde im Schatten auf der Wiese vor der Hauptbühne und freuten uns auf Rakede, die den Abend eröffnen sollten. Die in NRW und Norddeutschland bekannte Band hat in Sachsen offenbar noch keine große Fanbase, jedenfalls waren die anwesenden Zuschauer größtenteils nur schwer zu motivieren. Dennoch gab es einen potenziell mitreißenden Song nach dem anderen, Effekte auf Instrumenten und Gesang wurden wild gemischt und der Sound ist richtig fett. Der Frontmann, oder das „Triebwerk I“, wie es bei Rakede heißt, legte sich darüber hinaus mächtig ins Zeug, das Publikum zu animieren. Die drehten sich aber lieber weg und wandten sich ihrem Bier zu, als er in den Graben kam und das Mikro zum Singen anbot. Großen Respekt dafür, dass er kurz darauf trotzdem über den Graben ins Publikum kletterte, um uns bei der Hüpf-Laola zu unterstützen – die dann sogar funktionierte. Großartiger Auftritt einer wirklich guten Band vor leider enttäuschendem Publikum.
Zügige Umbaupause, der Zeitplan, den niemand kennt, weil er nirgendwo aushängt und nicht veröffentlicht wurde, ist offenbar sehr eng. Grossstadtgeflüster sehe ich hier zum neunten Mal und bin doch wieder begeistert. Kleine Clubs, große Festivals und spießige Stadtfeste waren kein Problem für die Electropunker, da bringt auch das Unirocks-Publikum Frontfrau Jen nicht aus der Fassung. Als die „Wall of Love“ erst erklärt werden muss und dann trotzdem scheitert, weil nach der Spaltung der Menge niemand losläuft, amüsiert sich die Band bloß, wie süß unerfahren doch die meisten sind, was Rockkonzert-Aktionen angeht. Und doch wird gegen Ende des Konzertes gehüpft und getanzt wie schon zuvor bei Rakede – hier wurden sicher einige neue Fans gewonnen.
Anschließend Joris als erste Band, die schon am Anfang mehr als drei Fans hat. Besonders beeindruckend: Die Band hat unglaublich Spaß an ihrem Auftritt, selten habe ich die Künstler so offensichtlich glücklich gesehen. Der ekstatisch abwesende Keyboarder fällt da schon fast aus der Reihe. Auch die Zuschauer, die offenbar größtenteils für Joris gekommen sind, sind hin und weg und lassen sich sogar darauf ein, kollektiv die Augen zu schließen und nur noch zu hören. Joris selbst zeigt sich beeindruckt von dem nun recht vollen Platz und gleichzeitig souverän. „So viele Handys hab ich in meinem Leben noch nicht gesehen – packt sie weg, auch kleinere Menschen wollen noch was sehen“, so bei „Herz über Kopf“.
Die Vermutung, dass die anwesenden Festivalbesucher vor allem auf die Deutschrap-Schiene abfahren, bestätigt sich, als der Platz bei Teesy noch voller wird. Der war schon zuvor als Gastact auf der Bühne und präsentiert sich nun gewohnt im Anzug und mit viel Selbstbewusstsein. Leider auch mit lausigem Sound und Licht, so dass wir weder in den Genuss der eigentlich guten Texte kamen noch mit guten Fotos aufwarten können. Teesy bringt die Doublebass in den Hip-Hop – ziemlich cool. Das nun beginnende Geschiebe unter den Zuschauern schreit aber doch eher nach einer Pause.
Während Bier reichlich und zu moderaten Preisen verfügbar ist, fällt das Essensangebot beim Unirocks mau aus, besonders für Vegetarier. Lange Schlangen und vorerst leerer Magen sind die Folgen. Auch die Anzahl der Toiletten ist knapp bemessen. Immerhin kann man im Unigebäude (wo die DJs mangels Tänzern ihre Turntables allein gelassen haben) auch wassergespülte Klos nutzen. Dort finden wir dann auch einen Aushang von Lineup – mit einem QR-Code, der uns auf eine Website mit – tada! – dem Zeitplan bringt. Der erklärt auch, wie bis Mitternacht noch drei Bands spielen sollen – Mega! Mega! werden später parallel zu McFitti auf der Young Talent Stage spielen. Letztere vernachlässigten wir zugunsten der doch wesentlich besseren Acts auf der Hauptbühne.
Insgesamt wirkt das Unirocks wie von Studenten organisiert, die es mit großen Bands mal richtig krachen lassen wollen, aber daraus eine Insider-Party machen. Vor allem der quasi nicht vorhandene Informationsfluss vor dem Festival und die auftretenden (kleineren) Probleme aufgrund der immer noch steigenden Besucherzahl deuten darauf hin. Die Größe der Bühne und die Bekanntheit der Acts lassen aber eher vermuten, dass das Unirocks bereits einige Male stattfand und auch finanziell nicht schlecht gestellt ist.
Ist aber eigentlich auch alles egal, denn die eingeladenen Bands sind allesamt wirklich großartig auf der Bühne. Der Zeitplan drängt und weil wir wissen, dass Mc Fitti live gut ist und gefeiert werden wird, statten wir zugunsten von Mega! Mega! nun doch der anderen Bühne einen Besuch ab. Mit ihrem studentenhaft lockeren und unbekümmerten Auftreten wären auch die ein typischer Opening Act gewesen. Neue Songs werden ausprobiert – das hat sich hier bisher keiner getraut – und in alte Nummern wie „Anti Pro“ eingepackt. Auch Mega! Mega! sind so eine Band, die live immer knallt, mangels Platz auf der Bühne und mehr als 50 Zuschauern hier leider nicht ganz so sehr wie sonst. Für uns dennoch ein schöner Abschluss und die Möglichkeit, nochmal ausgelassen zu tanzen. Es hat ja auch Vorteile, wenn der Platz vor der Bühne nicht so vollgestopft ist – und anschließend sind wir die ersten am Ausgang.
So hat das Unirocks zwar nur wegen seiner Bands geglänzt, aber vielleicht ist genau das das Konzept dahinter – und bei einem Ticketpreis zwischen 10 und 15 Euro sollte man definitiv nicht meckern und sich den Spaß nicht entgehen lassen. Daher freuen wir uns über diesen schönen Konzertabend mitten in der Woche und sind gespannt auf’s nächste Jahr!
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