Nachdem im letzten Jahr das Berlin Festival an seiner neuen Örtlichkeit, dem Arena-Gelände, eher kurzfristig improvisiert wirkte (hier unser Bericht vom letzten Jahr), hatte es in diesem Jahr ein ganzheitliches Konzept durch und durch – und das war toll.
Hier ein paar Punkte, die das letzte Mai-Wochenende vom 29. bis 31. Mai 2015 besonders gemacht und die Festivalsaison eröffnet haben.
Das Festival war super gechillt.
Mehr Zeit und mehr Raum als im Vorjahr wurden den Besuchern geboten. Trotz vielfältigen Line-up an allen drei Tagen gab es kaum zeitlichen Stress, einen Act zu verpassen. Auf mehren Bühnen wurde den Besuchern für jeden Geschmack und zu jeder Zeit etwas geboten. Ohne allzu große zeitliche Überschneidungen im Ablauf konnte man sich von Act zu Act gleiten lassen und viel mitnehmen. Ob tanzen beim Open Air auf der
Elektronischen Wiese
oder abhängen auf einem Liegestuhl am Badeschiff, für jedes Bedürfnis gab es einen Platz.
An allen Ecken lauerte eine unerwartete Überraschung.
Das Berlin Festival 2015 lud definitiv zum Treiben lassen ein. Kaum hatte man das Gelände über die Fußgängerbrücke betreten, wurde man von spontanen Operettengesängen empfangen und befand sich schon inmitten des Festivaltumults. Im Art Village präsentierte sich ein Zirkus mit Schießbuden, Trapezkünstler sowie Tänzer auf Stelzen. Neu war in diesem Jahr die Poetry Slam Bühne in der Ofenhafenkantine, eine Tour durch die Wodka Destillerie von Our/ Berlin sowie die Elektronische Wiese, wo jedes Raverherz einen Platz fand.
Auch im Glashaus wurden in diesem Jahr neue Klänge angestimmt, z.B. mit dem wunderschöner Klavierspiel der Valentina Lisitsa, die eine Art Minimal auf ihrem Piano vorführte.
Im Pool des Badeschiffs verzauberten plötzlich erscheinende Synchronschwimmerinnen die Zuschauer und endlich konnte man auch auf der Hoppetosse abhotten. Zum Geheimtipp gehörte auf jeden Fall auch die Funkhaus Europa Party im White Trash bei der von Balkanbeats bis Eurodance alles zu hören war.
Kulinarisch gesehen gab es in diesem Jahr auch eine größere Auswahl als im Letzten mit ausreichend Sitzgelegenheiten.
Das Coolste der elektronischen Tanzmusik im Line-up.
Im Vorfeld war ja bereits durch die Line-up Ankündigung klar: dieses Festival wird den Gitarren größtenteils den Rücken kehren und den Turntables einen Scheinwerferplatz einrichten.
Mit Künstlern wie Marek Hemmann, Ten Walls, Fritz Kalkbrenner und Dixon wurden vor allem DJs eingeladen, die die Tanzfüße zum Schwitzen brachten. Dabei stand der Samstag ganz im Zentrum der Planung, an dem auch die meisten Gäste zu verzeichnen waren. Zu den weiteren Highlights gehörten definitiv die Auftritte von James Blake, Chet Faker und Sylvan Esso.
Dagegen wirkte der Sonntag recht wenig besucht, wobei DJ-Legende Carl Craig aus Detroit am Badeschiff zu den großartigsten Acts des gesamten Wochenendes zählte. Die Elektronische Wiese war durchgängig gut besucht, womit die Veranstalter den Trend des Techno-Raves gut umsetzen konnten.
Roísín Murphy und Underworld schafften es am Ende des Festivals auch noch, eingeschworene Fans glücklich zu machen.
Spontan entdeckte Festivalperlen.
Bei jedem Festival lernt man mindestens einen neuen Künstlern neu kennen. Einen tollen Festivalmoment kreierte der Newcomer Graham Candy, der am Sonntag auf der Bühne der Ofenhafenkantine einen Accoustic-Auftritt gab.
Bekannt ist er bisher aus seinen Kooperationen mit Alle Farben und Parov Stellar, denen er seine Vocals bei den letzten Sommerhits lieh. Am Sonntag zeigte der Neuseeländer, dass er das Publikum mit seiner Stimme extrem begeistern kann und präsentierte mit viel Charm einige Songs seiner EP. Ein toller Auftritt und ein Name, den man sich merken sollte.
Besucher von überall.
Spanisch, Niederländisch, Englisch – wie in den Straßen Berlins, so hörte man kumuliert auf dem Festival eine Mischung der meisten europäischen Sprachen. Viele Gäste kamen eindeutig aus allen Regionen angereist und zeigten sich von Location, Programm und Wetter sichtlich angetan.
Eine Beschwerde gibt es immer.
Und der gilt ganz eindeutig der Einführung des neues bargeldlosen Bezahlsystems. Seit diesem Jahr konnte Geld auf einen Chip am Festivalband geladen werden, um an den Kassen Zeit zu sparen. Nachteile für die Gäste sind aber fast größer, als der Nutzen.
So musste man am Freitagabend sehr lange anstehen, um zunächst Guthaben aufzuladen. Dies war beliebig oft in Euroschritten möglich. Um alles auszugeben, musste man letztlich rechnen und Preise abgleichen, um kein Geld in ungeraden Beträgen verbleiben zu lassen. Die Krux an dem System ist, dass der Restbetrag nicht während des Festivals ausgezahlt werden konnte. So hatte ich beispielsweise 4,50 Euro übrig, das nicht für ein Bier inklusive Pfand ausreichte. 50 Cent konnte ich nicht aufladen, sondern nur einen Euro mindestens. Wobei ich plus Pfand wieder 1,50 Euro Restgeld gehabt hätte. Man male sich den Kreislauf aus.
In den letzten Jahren hat sich das Berlin Festival zu dem gemausert, was es im Namen verspricht. Im Herzen der Hauptstadt und in einer außergewöhnlichen Location hat es einen Ort und einen Weg gefunden, Musik, Kulturen und Kunst an einem Wochenende zu vereinen. Berlin ist für viele Menschen eine Kulturstätte und Heimat der elektronischen Musik, außergewöhnlicher Charaktere und vielen Überraschungen. All das wird in drei Tagen Festival vereint gezeigt und bietet somit die Möglichkeit einmal tief in die Kultur einzudringen. Für das nächste Jahr gibt es sicherlich weitere positive Überraschungen und Neuentdeckungen zu erwarten.
Kommentar schreiben