Das kleine, angenehme Electronic Beats Festival im Kölner E-Werk zeigt, dass es nicht immer Berlin sein muss, das den heißen Scheiß bringt: Die Festivalreihe, die jeweils auch in Bratislava, Warschau und Prag halt macht, bringt jedes Jahr innovative Künstler aus der elektronischen Musikszene, aber auch Szenegrößen wie James Blake oder in diesem Jahr – Róisín Murphy.
Obwohl im E-Werk beheimatet, wirkt die Veranstaltung in vielen Belangen deutlich eher wie ein Festival und weniger wie ein Konzert, wie es sonst im E-Werk typisch ist. Neben dem Bühnenprogramm gab’s in diesem Jahr viele kleine Extras, die die Umbauzeiten versüßen konnten. So konnte man eine elektronische-Touch-Variante des Spieleklassikers „Pong“ spielen, sich (s)ein T-Shirt bedrucken lassen oder auch im Greiferautomat nach elektronischen Spielzeugen wie Mini-Synthesizern fischen. Ehrensache für ein Telekom gesponsertes Event: Free Wi-Fi. In den Umbaupausen gab’s außerdem Musik von DJ Team Broken Luxury auf die Ohren.
Festivaltypisch begann auch der erste Act, Adi Ulmansky, vor eher mäßig gefülltem Raum. Nach Cover von u.a. James Blake versuchte die israelische Künstlerin, Stimmung zu schaffen und forderte die handvoll Menschen auf, mitzusingen. Dass dies (etwas vorhersehbar) nicht klappte, kommentierte sie mit einem schnippischen „You know what, fuck you!“ und machte alleine weiter. Schade, denn eigentlich lieferte sie eine gute Vorstellung ab; doch die frühen Slots bei Festivals waren noch nie die dankbarsten.
David August ließ es vielleicht deshalb auch ganz mit den Begrüßungsworten an das Publikum, so, wie niemand auf der Bühne irgendwas sagte oder sang – bis auf die Harfenspielerin, die sich für einen Song ans Mikro bewegte. Irgendwo zwischen Fritz Kalkbrenner-Beats und Brian Enos „Music for Airport“-Ambient ähnlichen Sounds legte die Band, die die Stücke von David August instrumentierte, mehr Wert auf atmosphärische Sounds als auf Songstrukturen. Das Publikum dankte es ihm bzw. der Band allerdings nicht wirklich: Die zuweilen ruhigen Parts waren überschattet von einem sehr hohen Geräuschpegel des Publikums durch Unterhaltungen. Etwas respektlos, aber vielleicht auch ein Feedback, dass solche sphärischen Musikideen noch nicht den Weg in die Massen-Musikkultur geschafft hat.
Umso besser das Feedback für Howling: Das Projekt des Australiers Ry Cuming und des Berliners Frank Wiedemann konnte das erste mal richtig Stimmung aufkommen lassen, die Beats, die zur Gitarre dazu kamen, wurden frenetisch gefeiert. Hinter dem Act in jedem Fall ein ausgezeichnetes Lichtdesign Team, das den Fokus vom Sänger wegrückte zum Gesamteindruck des Projekts: Häufig war Sänger Cuming so eingenebelt, dass man ihn nicht mehr ausmachen konnte. Zusammen mit den Lichtschienen im Hintergrund erzeugte das allerdings genau die richtige Atmosphäre. Gehört dringend auf die Liste „erfolgversprechende Bands“!
Dass beim Electronic Beats Festival ein Act nicht so ganz in das Line-Up reinzupassen scheint, etabliert sich langsam als Tradition in der Kölner Ausgabe. Nach den chaotisch-wilden Reptile Youth 2013 und dem sympathisch-verpeilten Mac DeMarco 2014 waren es jetzt Django Django, die als Indie-Band mit elektronischen Elementen die Grenzen der beiden Musikrichtungen auszulösen versuchten. Mittlerweile war es wirklich voll geworden, es aber auch immerhin schon kurz vor 12. Dass Django Django noch eher in die Rockmusik als in die elektronische passen, wurde vor allem durch die Gesten des Sängers klar – bereit für Stadien, forsch und selbstbewusst, am Ende mit der Aufforderung, sich klischeehaft hinzusetzen und zusammen zu springen. Kennt man alles, aber von Electro-Festivals? Nicht nur da zeigt sich, dass die Electronic Beats Reihe dann doch zwischen den Stühlen von Tomorrowland, SonneMondSterne und co sitzt – doch das ist auch gut so. Die Briten von Django Django passten letztlich doch ziemlich gut ins Bild des Abends mit ihrem stylischen drehenden Saturn, der auf den Hintergrund projiziert wurde. Das Publikum feierte die Band ähnlich wie Howling zuvor, jedoch auf andere Weise; Mittig vor der Bühne war eine Gruppe von Freunden unter anderem dank Alkohols kurz davor, von drei unterschiedlichen Menschen eine Schlägerei abzubekommen, weil sie ihre Umgebung so bedrängten.
Die Irin Róisín Murphy löste die Briten in Sachen Stimmung ab. Offenbar mit vielen Fans im Publikumsfeld ausgestattet zelebrierte Murphy ihre Exzentrik mit einigen Konstümwechseln im Laufe des Abends, nahezu ebensovielen Sonnenbrillen, schelmischen Gesten ihren Fans gegenüber und Kult-Ansagen wie „Do you like my tight sweater?“
Für den Headliner stand schließlich auch die ganze Bühnentiefe zur Verfügung: Zuvor hatten die Bands in etwas die Hälfte schmaler spielen müssen, als es Murphy konnte. Das schien auch notwendig zu sein, denn sie hatte gefühlt ihr gesamtes Studio-Equipment mitgenommen und auf die Bühne platziert. Ihre Musiker wirkten auf ihren Plätzen eher wie an Arbeitsplätzen statt wie auf einer Bühne, hatten allerlei elektronische Geräte vor sich stehen und hängen. Auf eine Art und Weise wirkte das ganze heillos überdimensioniert – niemand im Publikum hätte gemerkt, wenn einer der beiden Knöpfedrücker im Hintergrund statt eines Synthie-Midi Pads, das mit einem Riesenstativ vor ihnen platziert wurde, stattdessen Gameboy gespielt oder mit seiner Mutter geskyped hätte (Free Wi-Fi gab’s ja zur Genüge). Nicht zuletzt durch diese Trennung der Bandmitglieder durch die Geräte und den Equipment-Overkill wirkte die Darbietung um Welten weniger organisch und kohärent als z.B. die von Django Django. Doch letztlich war der Star Róisín Murphy und nicht die Band – und sie wusste voll und ganz die Rolle auszufüllen. Mit großen Gesten, die ab und zu an einstudierte Theaterbewegungsabläufe erinnerten, war sie ganz klar die souveränste Akteurin an diesem Abend und stellte damit auch die zahlreichen Menschen zufrieden, die mit ihren ab und zu an Hysterie grenzenden Begeisterungsrufen eher so klangen, als hätten sie die Karten für den Abend auch nur ihretwegen gekauft.
Insgesamt beweißt das Electronic Beats Festival erneut einen guten Riecher für Acts, ein Feingefühl für stylische Deko und kleine verspielte Extras drumherum und die richtige Atmosphäre. Mit etwas über 20 Euro erkennt man auch gut, wie viel der Sponsor für die Veranstaltung dann doch springen lässt; Dabei bleibt das Ein-Tages-Festival eine sehr günstige Alternative zu anderen ähnlichen Veranstaltungen. Weiter so, Electronic Beats!
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