Beverungen. 14.000-Einwohner Stadt im Länderdreieck NRW-Hessen-Niedersachsen, Radfahrerparadies an der Weser, wurde wieder stolzer Austragungsort des mittlerweile 19. Orange Blossom Specials.
Eine kleine Warnung vorweg: wer mit einem Besuch des Festivals liebäugelt, sollte ab Herbst die Website nach Vorverkaufsterminen absuchen. In den letzten Jahren hieß es immer noch an Tag 1: Ausverkauft. Dass sich dies zum 20. Jubiläum ändern wird, ist nicht zu erwarten.
Aber nun zurück ins Jahr 2015: unter dem Jahresmotto „Fabelhaft“ traf man sich wieder auf dem Grundstück von Glitterhouse Records, um der einen oder anderen Independent-Band zu lauschen und das ein oder andere Pils zu leeren.
Und dann ging’s auch schon los. Zeltaufbau am Freitag (auch wenn viele schon am Donnerstag angereist sind) und ab ins Getümmel. Das Spektakel findet zum großen Teil auf der Hauptbühne statt, wobei in den Umbaupausen auch auf der Nebenbühne die Musik spielt. Oder die Luftgitarre. Aber dazu später mehr.
Das erste Highlight lieferte bereits die zweite Band des Festivals, das kalifornische Duo Little Hurricane. Nur mit Schlagzeug und E-Gitarre ließen beide mit kernigem Bluesrock aufhorchen, welchen man so zuletzt vielleicht von den White Stripes gehört hat.
Für das jüngere Publikum waren ohne Frage die Kölner AnnenMayKantereit eines der Highlights des Programms. Nachdem sie im vergangenen Jahr die Minibühne zum Toben brachten, durften sie, nach einem für die Band sehr erfolgreichen Jahr, diesmal Ihr Können auf der Hauptbühne beweisen. Mit kraftvoller Stimme und großen Texten zogen die jungen Musiker jung und alt in ihren Bann und bereiteten so das Publikum auf das letzte Konzert des ersten Festivaltages vor: Musée Mécanique.
Der Samstag begann für uns, nach einem gemütlichen Frühstück am Zelt, mit der Gruppe Husky aus Melbourne. Sehr melodisch, teilweise schwungvoll, verbreiteten die Australier eine angenehm zufriedene Stimmung von der Bühne aus und schlossen mit Lover Lover Lover von Leonard Cohen. Zum Mitsingen.
In keinster Weise um einen nahtlosen Übergang bemüht, folgten die Mädels von Baby in Vain (DK) mit großem Krach, auch gern als Noise! Grunge! Stoner! bezeichnet. Eine Schau. (und leider etwas zu schnell vorbei)
Als weiteres Highlight blieben die Kanadier von The Dead South hängen, welche sich – warum auch immer – dem Southern Rock und Hillbilly verschrieben hatten, und dabei noch jeden Südstaatler in den Schatten stellten. Unvergessen auch der Auftritt des Cellisten (!) Daniel Kenyon, welcher sein Instrument anscheinend mit einer Gitarre verwechselte. Nichts für Orchester, großartig fürs OBS.
Den Abend komplett machten The Great Bertholinis aus Nürnberg sowie East Cameron Folkcore und Rocky Votolato aus den Vereinigten Staaten von Amerika.
Drei Bier später, forderten Chuck Airy & Geeky Gisbert auf der Minibühne direkt hinterm FOH zu einem Luftgitarrenwettbewerb auf. Nachdem sie selbst ihre Künste zu Schau stellten, durfte das Publikum die verschiedensten Air Guitars auspacken, welche im Übrigen das gesamte Festival über – selbstverständlich kostenlos – zum Üben zur Verfügung standen. Atze Schröder hätte seine wahre Freude gehabt.
Der wohl bekannteste Act des Samstags war der Norweger Sivert Hoyem. Ein Mann, eine Stimme. Der ehemalige Madrugada Sänger brachte Gänsehaut und viele Erinnerungen. Durch ältere Stücke der Band und viele neue eigene Songs, welche durchaus doch getragener und ruhiger waren, wusste er das Publikum zu begeistern. Wunderschön und einfach ein toller Gut-Nacht Gedanke.
Sonntag, 11:30. Vormittags! Keine klassische Festivalzeit, aber zumindest beim OBS der Stammplatz für den Überraschungsact. Im Vergleich zu anderen Festivals spielt zu dieser nachtschlafenden Stunde aber eher der Headliner als der Underdog. Waren es vor zwei Jahren noch Murder by Death aus Indiana, letztes Jahr die The Great Crusades aus Chicago, kehrte man dieses Jahr erfolgreich vor der eigenen Haustür und präsentierte Gisbert zu Knyphausen und Kid Kopphausen Band. Hurra!
Und die können es halt einfach. Viele Neubearbeitungen alter Stücke, Kid Kopphausen Repertoire und auch neue Songs setzten ein Ausrufezeichen. Faszinierend auch, dass dieser Coup sich bis zum Vorabend nicht rumgesprochen hat. Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank an die Organisatoren des Festivals.
Die Leoniden, als zappeliger Indie-Act angekündigt, machten ihren Namensvettern alle Ehre. Ihr wisst schon, zahllose kleine losgelöste Bruchstücke eines Meteors, welche mit Wucht und gewaltiger Energie leuchtend an der Erdatmosphäre zerschellen. Wildes Umherspringen, Instrument-zerstörende Gesten, Melodie, Gefrickel, musikalisch erinnernd an At the Drive In und Co. wurde Wallung ins OBS Gelände gebracht. Teilweise belächelt sind sie aber in jedem Falle im Gedächtnis geblieben. Ein kleines Fest!
Vom Nachmittag wurde unter anderem durch Sea Wolf (USA), die Charity Children (NZ/D) auf Haupt- und Minibühne hin zu den Bluesrockern Kill it Kid in den Abend geleitet. Neben Seifenblasen machen und Tanzen konnten kleine Snacks verzehrt werden oder man setzte sich unter Bäume und genoss bei einem kühlen Bierchen die Atmosphäre.
Den Abschluss der drei Tage bildeten The Slow Show. Wurde schon bei AnnenMayKantereit über die charismatische Stimme des Sängers geschwärmt, konnte Rob Goodwin von The Slow Show mühelos mithalten und entließ die Zuschauer mit einem fantastischen Bariton in den Pfingstmontag. Den Preis für die am stilvollsten eingesetzte Trompete während eines Einzelkonzerts nimmt die Band noch im Vorübergehen mit. Anhören!
Nicht wegzudenken vom OBS ist eine Sammlung liebenswerter Schrulligkeiten und versteckten kleinen Schmunzlern. Sei es, dass der Veranstalter jeden Abend (und auch zwischen Konzerten) auf der Bühne Witze erzählt. Seien es die „Lächeln“-Schilder an der Bühne, das Schweinchen auf der Discokugel, die Chillout Area „Häng Rum“ oder die Kopfstützen am Pissoir. Und natürlich die prominent angebrachte Proklamation: „Reden ist hinten, Schweigen ist vorn“.
Aber es wirkt. Man merkt jede Sekunde, dass in diesem Festival jede Menge Herzblut der Beteiligten steckt. Und das liebe Geld erst irgendwann ab Stelle zwei folgt. Wenn überhaupt.
Auch das Camping auf dem OBS folgt nicht allen üblichen Festivalkonventionen. Fünf Minuten von der Bühne entfernt kann man direkt an der Weser sein Zelt aufschlagen, die üblichen Einschränkungen (Kein Glas, kein Grillanzünder) gibt es nicht und der nächste Supermarkt ist nur zehn Minuten entfernt. Entspannter geht es nichtmal auf einem „echten“ Campingplatz zu.
Achja: und ab Mitternacht geht’s ab in die Kneipe. Probiert das mal auf dem Southside und bei Rock im Park. Beverungen macht’s möglich.
Wurde also die Sau zum Abheben gebracht? Ja. Wer sich seine Sporen schon auf „richtigen“ Festivals verdient hat, und zur Abwechslung mal wegen der Musik und dem entspannten Ambiente da sein möchte, ist hier goldrichtig. Aber die Warnung gilt: viele Besucher tragen noch T-Shirts vom OBS#5 und lassen sich zumindest beim Online-Vorverkauf ihr Alter nicht anmerken.
Fabelhaft.
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