Man merkte, dass die Festivalreihe „Electronic Beats„, die auch in Prag, Budapest und anderen großen Städten in Europa stattfindet, einen finanzstarken Sponsor im Rücken hatte. Insgesamt über 25 Beamer waren am Freitag im Einsatz, um im E-Werk für eine andere Atmosphäre zu sorgen, als es ein gewöhnlicher Besuch in der Halle im Kölner Stadtteil Mülheim vermittelt. Bild links: Cologne Sessions DJ Team colognesessions.com Logos des Festivals wurden an die Wände geworfen, Leinwände an den Seitenwänden und an der Bühnenrückwand mit Designs und Mustern des Festivals projiziert. Dank des Sponsors waren auch die Bändchen und das generelle Design in einem auffälligen Magenta gehalten. Im Eingangsbereich war neben der Theke ein Medienschwerpunkt aufgebaut, an dem man sich über Tablets und Smartphones Aufnahmen von vorherigen Electronic Beats Festivals anschauen konnte, das Bild wurde dann auf mehrere Bildschirme übertragen. In „I Love EB“ Bechern wurden die Getränke ausgegeben, die DJ’s für die Umbauzeit zwischen den Bands standen an einem designten DJ-Pult und Taschen mit dem Logo gab es auch zu kaufen. Nicht zuletzt konnte man über das passwortfreie W-Lan seine Fotos des Festivals mit dem passenden Hashtag teilen. Das alles wirkte jedoch gar nicht protzig, sondern schuf eine recht angenehme, entspannte Atmosphäre. Das gute Wetter und der Biergarten des E-Werks taten das übrige für eine gute Ausgangslage.
Ursprünglich seit einigen Wochen vorher ausverkauft, schickten einige ihre Tickets kurz vorher wieder zurück: Milky Chance hatten krankheitsbedingt am Dienstag zuvor absagen müssen. Der Veranstalter ermöglichte nun eine Rückgabe der Tickets, was unter normalen Umständen nicht möglich ist. Ebenfalls außergewöhnlich: Ein exklusives Zusatz-/Nachholkonzert mit Milky Chance wurde versprochen, für welches die Karten des Festivals ihre Gültigkeit behalten sollen. Der Termin dafür wurde allerdings noch nicht bekannt gegeben. Trotz Enttäuschung wegen der Absage ein klares „Hut ab“ für die reibungslose Lösung von Seiten der Veranstalter.
Als die lokale Band „Vimes“ den Abend eröffnete, waren die Zuschauerreihen noch eher übersichtlich. Zu unrecht, denn die Band konnte mit einem soliden Sound und einer Mischung aus Pop und Electronic überzeugen. Ähnlich sympathisch ging es nach einer kurzen Umbaupause mit Mac Demarco weiter. Die Band aus Kanada rund um den Solokünstler Demarco präsentierte Indiepop, den sie selbst irgendwo zwischen „Jizz Jazz“, „Slacker Rock“ und „Rock’n’Roll“ einstufen. „The First Song is about salad!“ begann der Frontmann und startete mit einem Song aus seinem Album mit dem eigenwilligen Namen „Salad Days“. Kaum begonnen, riss dem Multimedia-Artist und Musiker Demarco allerdings auch schon eine Saite seiner Gitarre.
Interessant: Das wohl erste Festival bzw. Konzert im E-Werk, bei dem ich die Musiker ihre Saite selbst wechseln sah. Anscheinend war aus Kanada kein Gitarrenroadie mitgereist und so huschte Demarco hinter die Bühne, besorgte sich eine Saite, wechselte sie auf der Bühne. Der Bassist und Gitarrist versuchten sich derweil mit Ablenkung des Publikums und einer wackelig-spontanen Version von Coldplays „Yellow“. Auch, als Demarcos Mikrofon spontan den Geist aufgab, war er es selbst, der sich das Mikro seines Bassisten schnappte ein paar Kabel umstöpselte – während des Songs. Ingesamt wirken die sympathischen Kanadier trotz netter Bühnenperformance so etwas fehl am Platze: Irgendwie wirken sie zu schludrig und seltsam für die eher stylisch-cool gestaltete Atmosphäre des Festivals.
Deutlich souveräner und cooler folgte der Headliner Goldfrapp. Die Band um Sängerin Alison Goldfrapp wirkte professionell und abgeklärt, anfangs fast schon etwas kühl. Dem Namen des Festivals etwas konträr kündigte Goldfrapp an, mit etwas akustischem von ihrem letzten Album, Tales of Us starten zu wollen. So begann die Show mit intimen, ruhigen Songs, begleitet von sehr dezentem Lichteinsatz zu Kontrabass, Akustikgitarre und Geige. Im Laufe des Auftritts nahm die Band soundmäßig an Fahrt auf, ebenso wie die Lichtshow:
Zum Ende hin begeisterten effektiv eingesetzte Moving Heads, die hinter der Band platziert waren, nicht nur das Publikum: „Fair enough…“ kommentierte Sängerin Goldfrapp und zeigte sich so auch dezent überwältigt, ohne dabei ihre Souveränität zu verlieren. Das mittlerweile zahlreiche Publikum im gut gefüllten E-Werk zeigte, dass sie sich die Karten nicht nur für Milky Chance gekauft hatten. Die Band schaffte es nicht zuletzt mit fulminanten Soundgebilden gegen Ende ihres Acts, das Publikum auf ihre Seite zu ziehen und zu begeistern. Zuletzt betrat Soundtüftler Jon Hopkins die Bühne im E-Werk, ohne ein Mikro zur Begrüßung des Publikums, dafür aber ebenfalls mit lichttechnischen Schnick-Schnack: In einem Dreieck um das Pult des Briten waren Moving Heads gesetzt, die ihn gekonnt in Szene setzen konnten. Hopkins testete nun auch die Limits der Anlage im E-Werk aus: In einem durchgehenden Soundfluss brauchte er das Publikum nicht groß zu animieren, um bei Drops zum Einstieg des basslastigen Beats mitzugehen.
Bei hauptsächlich instrumentaler Dancemusik ohne Vocal Parts (kann man elektronische Musik „instrumental“ nennen?) tanzte die Zuschauermenge begeistert mit. Im Hintergrund lief, per Beamer auf die zahlreichen Projektionsflächen geworfen, kleine Filmchen, so z.B. auch sein Musikvideo „Open Eye Signal“, in dem zum Großteil ein Jugendlicher beim Skaten durch verschiedene Landschaften gefilmt wird. Dass Jon Hopkins mal mit Coldplay & Brian Eno zusammengearbeitet hat und es noch immer teilweise macht, konnte man hören, als er eine Melodie vom
Reprise aus „Death and All Of His Friends“ von Coldplay samplete. Ohne ein Wort zu sagen (ohne Mikro konnte er sich nur visuell für den Applaus und Zuspruch bedanken), verließ er die Bühne und ließ das Publikum zufrieden zurück. Insgesamt präsentiert sich das Electronic Beats Festival dieses Jahr erneut als zeitgemäß und angesagt, schafft es, ein vielseitiges Programm auf die Beine zu stellen und eine außergewöhnliche Atmosphäre zu schaffen, indem man viel Wert auf einheitliches Design und Deko setzt.
Bewusst werden die Genregrenzen der namensgebenden Musikrichtung verschoben und stoßen damit scheinbar auf Zustimmung – auch, wenn die Konstellation der Bands zuweilen eher wie zusammengewürfelt wirkt. Wie die Organisation des Zusatztermins mit Milky Chance weitergeht, wird sich zeigen, bislang lässt sich jedoch sagen: Eine durchaus überzeugende Organisation lässt hoffen, dass es reibungslos laufen wird. Soviel zum Electronic Beats in Köln, am 01.06.2014 findet das Electronic Beats Festival Bonn statt.
Edit: Milky Chance Nachholkonzert: Sehr kulant vom Veranstalter als eigenes kleines Konzert gestaltet, trat Milky Chance einige Wochen später im E-Werk in Köln auf. Zwar hatte man verständlicherweise auf die ganze Deko vom eigentlichen Electronic Beats Festival verzichtet, mit Ausnahme von zwei Logo-Displays, stattdessen waren zwei große Banner, die eine Berglandschaft (?) zeigten, an der Seite der Bühne angebracht. Damit war der Platz deutlich kleiner, was aber wohl auch das Ziel dieser Deko sein sollte – denn die beiden Jungs sind maximal zu dritt auf der Bühne, als sie einen befreundeten Mundharmonikaspieler für drei Songs auf die Bühne holen. Das E-Werk war zwar gefüllt, aber man hatte gemütlich Platz zwischen den Reihen. Die Tickets waren schließlich nicht im Verkauf, sondern ausschließlich noch gültige Tickets vom Electronic Beats Festival oder Verlosungen – man kann also davon ausgehen, dass nicht alle Besucher des Festivals ihren Weg zum Nachholkonzert gefunden hatten.
Insgesamt wirkten die beiden sehr entspannt; man merkte, dass sie nicht mehr grün hinter den Ohren sind und schon einige Auftritte gespielt haben. Milky Chance Bühnenstil strahlte sicherlich nicht die Abgeklärtheit und Präsenz von Alison Goldfrapp aus, stattdessen präsentierten die beiden eine Eigenschaft, die nur wenige Bands in diesem Grad zeigen: Gelassenheit. Ab und zu in etwas Verpeiltheit abdriftend, holte Clemens beispielsweise sein Smartphone raus, tippte etwas drauf rum und kommentierte das dann: „Ich hab hier unsere Setlist drauf, hab hinter der Bühne kein Papier und Stift gefunden…“ und bleibt dabei absolut entspannt. Böse Zungen würden behaupten, er wirke, als stünde er unter dem Einfluss von beruhigenden Drogen Gespielt wurde laut Setlist neben Songs vom Debütalbum, welches sie kurz nach ihrem Abitur veröffentlicht hatten, auch neue Songs von ihrem zukünftigen Album, unter anderem eine ‚Weltpremiere‘ eines neuen Songs. Souverän scherzten die beiden mit dem Publikum, als der Mundharmonikaspieler auf die Bühne kam, der den Vornamen Justin trägt, kommentierte Philipp einen Zuruf aus dem Publikum mit „Ja, sing uns ein Lied, Justin! ‚…. Baby, Baby, Baby…'“ Das rumblödeln ließ die beiden sympathischen Musiker eher so wirken, als wenn sich bei einer ganz normalen Bandprobe zufällig ein paar hundert Menschen in den Bandraum verlaufen hätten. Und wer sich fragt, warum die Wuschelhaare von Sänger Clemens so aussehen, als sei er gerade erst aufgestanden: Ab und zu fuhr er sich mit den Händen mit einer Intensität durch die Haare, als wolle er einen Brotteig ordentlich durchkneten Wie schon im ursprünglichen Bericht erwähnt, war auch diese Veranstaltung sehr gut organisiert und wirkte sehr angenehm. Die sympathisch-und-manchmal-verwirrt Art von Milky Chance konnte einen an dem Abend nicht wirklich negativ stimmen, als die beiden nach einem durchaus normalkonzert-langem Set zugabelos von der Bühne gingen. Eine Zugabe brauchten sie auch gar nicht mehr, ich war schon so zufrieden.
12. Juni 2014 um 18:00
[…] Eigentlich war der Auftritt für das Electronic Beats Festivals am 23. Mai eingeplant, da mussten Milky Chance ihren Auftritt leider krankheitsbedingt absagen. Unseren Bericht vom Festival kannst du hier lesen. […]
11. Juli 2014 um 11:09
[…] so ganz zufrieden seien; vielleicht waren die beiden deshalb auch noch mal etwas wortkarger als bei anderen Auftritten. Etwas verpeilt wie sonst häufig wirkten sie trotzdem auch […]
4. November 2014 um 10:15
Hey!
Wollte fragen, wo die Bilder veröffentlich werden? Vom Publikum etc
10. Mai 2015 um 16:21
[…] die letztjährige Edition berichteten wir hier – sowohl über das eigentliche Ein-Abend-Festival, …, die wegen Krankheit kurzfristig ausgefallen waren. Deutsche Künstler sind auch dieses Jahr wieder […]
1. Juni 2015 um 16:59
[…] Scheiß bringt: Die Festivalreihe, die jeweils auch in Bratislava, Warschau und Prag halt macht, bringt jedes Jahr innovative Künstler aus der elektronischen Musikszene, aber auch Szenegrößen wie James Blake oder in diesem Jahr […]