Für Leute, die den Boombap-Deutschrap der Neunziger Jahre feiern, ist die krasscore Hip Hop Jam ein Pflichttermin. In der zweiten Auflage versammelten sich in Dresden und Erfurt auch in diesem Jahr Künstler, von denen die meisten heutzutage spürbar weniger Bühnen rocken als noch vor 15 Jahren, um mit dem Publikum zu feiern.
Auftritte von der 360° Posse um Torch und Toni L, Aphroe und DJ Mirko Machine, Main Concept und Hiob & Dilemma wurden von den anwesenden Gästen frenetisch bejubelt. Wir trafen uns mit Martl von krasscore zur Jam in Erfurt, um über dieses Event zu sprechen.
Festivalhopper: Festivalhopper heute auf der krasscore Jam (www.krasscore.com) und ich sitze hier mit dem Organisator, mit dem Martl. Hi Martl.
Martl: Hallo Daniel
Festivalhopper: Wir haben heute den zweiten von zwei Terminen. Gestern war in Dresden das Konzert. Wie ist dein Eindruck seither, wie läuft das alles.
Martl: Super. Macht Spaß, die ganzen alten Jungs wieder zu sehen. Die freuen sich natürlich auch mal wieder in so einer Konstellation an einem Abend zusammen auftreten zu können. Die Shows waren gestern alle super, und ich bin auch guter Dinge dass das heute ähnlich wird.
Festivalhopper: Du hast gerade die alten Jungs erwähnt. Welches Konzept steht denn hinter dieser Veranstaltung?
Martl: Die Idee war, wieder ein paar Acts präsent werden zu lassen, die nicht mehr jedes Jahr eine Tour spielen. Die vielleicht einzeln nicht unbedingt die Hallen in dem Umfang vollmachen würden, aber in so einem Gesamtpacket dann auf jeden Fall so attraktiv sind, dass dann auch eine entsprechend große Anzahl an Leuten das abfeiern würde.
Festivalhopper: War es schwierig, alte Hasen für so etwas zu überzeugen, und funktioniert das auch nur wenn man sagt „Hier, passt mal auf, ihr seid nicht die einzigen, da kommt noch der und der“?
Martl: Auf jeden Fall. Wir hatten ja im letzten Jahr mit dem Konzept begonnen. Hatten Stieber Stwins, Too Strong, Spax und Mirko, MC Rene und Tefla und Jaleel zusammen. Und das ging dann am Ende doch relativ schnell. Wir kennen die halt alle recht lange schon. Es ist zwar immer mal ein Act gewesen, die dann mal wieder auf ’ne Bühne zu bewegen, teilweise auch, weil sie schon im Ruhestand waren. Aber in so einem Kontext fällt es auf jeden Fall einfacher, die Leute dazu zu begeistern. Das Lineup für dieses Jahr stand dann relativ schnell so im Kopf schon fest, und glücklicherweise hat es dann auch mit allen, die wir angefragt haben, funktioniert. Und klar, wenn die wissen, da bin ich nicht der Einzige und spiele neben MC Hackebeil und DJ Horst aus dem Nachbardorf, sondern auch mit gestandenen Künstlern, dann fällt es natürlich auch ein bisschen einfacher, die Zusagen zu bekommen.
Festivalhopper: Stehen auch schon Pläne dass ihr das weitermachen wollt die nächsten Jahre?
Martl: Ja, auf jeden Fall. Es macht einfach auch riesig Spaß. Das ist jetzt nicht unbedingt unser Daily Business, aber das ist einfach eine coole Sache für uns und auch für die Leute, die mit dem ganzen Hiphop Ding schon eine Weile zu tun haben – einfach eine gute Option da wieder sozusagen „Helden der Jugend“ abzufeiern. Von daher ist es schon unser Ziel das einmal im Jahr durchzuführen.
Festivalhopper: Hast du auch konkrete Vorstellungen für Acts, die du gerne auch sonst mal haben würdest für ’ne weitere krasscore Jam? Der Pool von Künstlern ist ja ein bisschen begrenzt, wenn man die alten Heroes auf der Bühne haben will.
Martl: Absolut, ja, also da kommt nichts mehr dazu, wenn es um Nineties Heroes geht. Und ich denke, wir haben da einen nicht unerheblichen Anteil an Acts schon abgearbeitet. Aber ich habe noch so ein paar Ideen im Kopf für die kommenden Jahre, und da muss man halt schauen, inwiefern sich das dann realisieren lässt.
Festivalhopper: Nun heisst das ganze ja krasscore Hip Hop Jam. Und es gab im letzten Jahr so ein paar Stimmen von Leuten die so ein bisschen auch Graffiti und Breakdancing vermisst haben. Hättest du da grundsätzlich auch Interesse dran, oder siehst du das gar nicht so? Warum ist der Focus schon ganz klar auf der Rapmusik bei dieser Veranstaltung?
Martl: Also tatsächlich war es so, dass wir im letzten Jahr mehrere auch sehr anerkannte Graffiti Writer in Dresden hatten, die eine Wall gemacht haben direkt an der Venue, und auch Breaker hatten, die sowohl im Publikum als auch ein Showcase auf der Bühne getanzt haben. Von daher sehe ich da den Vorwurf nicht wirklich begründet. In diesem Jahr hatten wir in Dresden auch ein relativ großes und sehr sehr cooles B-Boy- Showcase auch mit alten B-Boys, mit Hawk, Panic und Angel von Fresh in Attack. Hier in Erfurt hatte sich das leider dieses Jahr aufgrund der neuen Venue und der sehr eingeschränkten Möglichkeiten auf der Bühne leider nicht angeboten. Von daher ist es in dem Punkt auf jeden Fall schade. Was die Graffiti Part in Erfurt betrifft wurde das mehr oder weniger unglücklicherweise so gelöst, dass sich letztes Jahr dann das Publikum Graffiti-mäßig sehr in der Location ausgetobt hat. Von daher hat das in dem Punkt auf jeden Fall trotzdem stattgefunden.
Festivalhopper: Ist das dann auch die Ursache dass dieser Locationwechsel stattgefunden hat?
Martl: Das war unter anderem auch mit ein Grund, ja, weil der Stadtgarten letztes Jahr dann mehr oder weniger grundsaniert werden musste. Und das ist natürlich schwierig, dem einen oder anderen Locationbetreiber zu vermitteln, dass er für eine so eine Veranstaltung diesen entsprechenden Aufwand auf sich nehmen soll.
Festivalhopper: Ich finde es auf jeden Fall ganz großartig, dass ihr so ein Event dieser Art aufzieht hier in der Gegend. Ich habe hier mal das aktuelle Juice Magazin dabei, und hab hier die Übersicht von allen Konzerten, und habe alle mit grün markiert, die in den neuen Bundesländern sind. Jetzt sieht man ja, dass das eigentlich sehr wenige sind, im Vergleich zu anderen Bundesländern. Woran meinst du, liegt das, dass viele von den den Rapkünstlern meistens nur eine Show in den neuen Bundesländern spielen?
Martl: Auf der einen Seite muss man natürlich sagen, dass zum Beispiel NRW oder Bayern eine ganz andere Bevölkerungsdichte haben als Flächenländer im Osten. Auf der anderen Seite ist vielleicht auch an der einen oder anderen Stelle die Kaufkraft nicht so in dem Umfang da. Wenn man jetzt Gesamtdeutschland sieht und die Bevölkerungsaufteilung, sehe ich jetzt nicht direkt dass da eine eklatante Lücke klafft. Ich denke das ist schon ungefähr proportional dargestellt. Und klar, es gibt sicherlich Themen, die im Osten einfach sehr schwer funktionieren. Das unter anderem Themen wie Farid Bang oder vielleicht auch ein Haftbefehl oder ein Sido, wo einfach auch, das muss man ja auch klar so sagen, von der Bevölkerungsstruktur die Migrantenmasse fehlt, die das im Westen sicherlich anspricht. Die ist im Osten einfach nicht vorhanden.
Festivalhopper: Ok, dann dankte ich dir recht herzlich. Ich wünsch dir noch viel Erfolg hier am heutigen Abend, und noch einmal vielen Dank für diese Veranstaltung insgesamt und für das Interview und toi toi toi für die Zukunft.
Martl: Ja, sehr gerne, vielen Dank auch.
Knapp eine Woche nach nach der krasscore Jam hat Sido dann ebenfalls in Erfurt im Rahmen seiner Tour ein ausverkauftes Konzert gespielt. Abschliessend kann ich somit in meiner Funktion als Konzertbesucher nur alle Veranstalter motivieren, noch mehr Rap Acts hier in die Gegend zu buchen.
Fotos mit freundlicher Genehmigung von Blende8 – weitere Bilder sind auf Facebook zu finden.
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