In Berlin steppt seit gestern der Bär. Und zwar zur momentan heißesten Mucke. Alle Zeichen stehen auf Berlin Music Week. Bis Sonntag regiert hier wieder die Musik die Stadt. Es gibt viel zu sehen, aber noch mehr gibt es natürlich zu hören.
Gleich zu Beginn der Berlin Music Week startet nämlich auch das First We Take Berlin Festival.
Das Festival präsentiert erstmalig an zwei Abenden eine Reihe von Showcases in Kreuzberger Lokalitäten. Damit ist das FWTB Festival das früheste Showcase Festival überhaupt. Es geht darum, aufstrebenden talentierten und originellen Künstlern eine Plattform zu bieten und ihrer Musik die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die sie verdient. Das FWTB Festival lud dazu gleich 80 potentielle Kandidaten aller Herren Länder in die Hauptstadt ein. Sie alle wollen nur eines: erst Berlin, und dann die Welt.
Wir Festivalhopper haben Location-Hopping in Kreuzberg betrieben und die Lauscher gespitzt. Et voilá, hier sind die Geschichten zweier nächtlicher Rumtreiber:
Die Sicht der Dinge von Anne
New music to the people!, dachte ich mir und zog nach dem Opening BBQ im Postbahnhof los in den Abend. Mein erster Halt sollte der FluxBau sein, wo ich auf die lettische Singer/Songwriterin Alise Joste gespannt war. Ich hatte große Erwartungen und die wurden mit einer der tollsten Akustik-Sessions überhaupt erfüllt. Ein unscheinbares, etwas schüchtern wirkendes Mädchen, lediglich mit einer Gitarre gewappnet, beginnt und bringt mit den ersten Tönen sofort Wärme ins Herz. Ohne große instrumentalische Experimente, aber mit einer so zarten und einnehmenden Stimme bohrt sich die Melancholie sanft in das Herz der Zuhörer. Alles ist still. Es sind die Nuancen, die bei Alise Joste entscheiden. Bei oberflächlicher Betrachtung, würde man schnell meinen, es klinge alles gleich. Doch wer sich etwas länger mit ihrem Debütalbum befasst, hört die Unterschiede. Die 5 Songs flossen dahin wie im Nu, viele hätten gerne länger verweilt. Fazit: Ein intimes und gefühlvolles Auftaktkonzert, das ich nach Abschluss von Abend 1 zu meinem Highlight küre. [Anspieltipp: „Falling“]
Der FluxBau ist umwerfend schön und mit dem Blick auf den Fernsehturm im Sonnenuntergang gehen wir zunächst nur schweren Herzens. Aber es sollten die etwas geheimnisumwobenen Still Parade im Magnet Club auf der Bühne stehen – Händereiben! Nachdem ich mich bereits in die Erstveröffentlichung „Actors“ hoffnungslos verknallt hatte, war ich gespannt, wie das live umgesetzt werden würde. Nun ja, man begann mit Verspätung. Bei Ankommen wurde noch munter aufgebaut und verkabelt. Es waren gut 10, wenn nicht 15 Minuten, die die Herrschaften hinten dran lagen. Überzeugt hat es mich am Ende nicht so recht. Gefehlt hat diese Leichtigkeit und der Dream-Faktor von der Platte, alles wirkte ein wenig übersteuert und die Stimme des Sängers schwebte nicht wirklich so schön dahin, wie es die Studioaufnahme verlauten lässt. Es gab zudem minimale Probleme mit der Technik und die Beleuchtung war so spärlich, dass es auch an ein wenig Atmosphäre mangelte. Die Band stand eigentlich im Dunkeln. Ergo: keine Fotos. Fazit: Irgendwie nicht so dreamy und leichtfüßig wie erhofft. Wenn die 4 Jungs demnächst noch einmal spielen, gibt’s ’ne zweite Chance.
Halb mitgenommen mit den letzten zwei Tracks: Pool. Ziemlich gute Mucke. Poppig, rockig, aber nicht dröge. Das war ziemlich aufputschend und machte Bock auf mehr – RAWR!
In meinen Ohren leider gar nicht funktionieren wollte das Duo Schwarz Don’t Crack. Mit diesem Track noch in unserer Favoriten Playlist zum FWTB Festival gefeatured, war das live allerdings so unharmonisch, dass es nach 2 Tracks hieß: Ohrmuschel einfahren. Abflug. Producer Sebastian Kreis brachte hinter den Turntables schöne tiefe Bässe & 90er Drum Machines auf den Weg, aber in Kombination mit den souligen Lyrics von Sänger Ahmad Larnes on top klang das live einfach nicht gut. Die Klänge fanden nicht zusammen. Vielleicht lags an der Akustik im Chalet. Vielleicht hatte ich zwei Bier zu wenig.
Berlin übernommen hätten an diesem Abend meine Vorab-Favoriten London Grammar – kein Zweifel – hätte sie das Kranksein nicht vorher getroffen. Der Gig wurde abgesagt und damit auch unser Interview. Ein Jammer! Wir wünschen gute Besserung und freuen uns auf den Gig im November in Berlin.
Als Ersatz für die drei Engländer stand dann Thomas Azier, der Berliner ‚Elektro-Popper‘ mit einschneidender Stimme auf den Bühnenbrettern des Lido. Er hing sich voll rein, das muss gesagt werden, aber so richtig hat es mich dann auch nicht aus den Latschen gehauen. Im Grunde habe ich die Absage von London Grammar an diesem Abend einfach nicht verwunden und damit hatte es wohl jeder Lückenfüller verdammt schwer.
Insgesamt macht das FWTB wahnsinnig viel Spaß, auch wenn musikalisch nicht immer ein Treffer gelandet wird. Das Clubhopping ist ob der geringen Distanzen zwischen den Locations in Kreuzberg unter „easy going“ zu verbuchen. Immer wieder frische Luft schnappen und ein Wegbier zischen. So mag das der Berliner Nachtschwärmer.
Aus dem Blickwinkel von Hannes
Am gestrigen Abend war es durchaus schwierig sich bei dieser Vielfalt und großen Anzahl an Bands für die jeweiligen Konzerte zu entscheiden. Ich hab mir vorher einen kleinen Plan aufgestellt, welche Bands ich unbedingt sehen wollte. Los ging es im Bi Nuu, wo das Fantastic! Special vom splash! Mag stattfand. Erster Act des Abends war dort die junge Soul-Sängerin Moko aus London. Dass sie erst 21 Jahre alt bzw. jung ist merkt man keinesfalls. Auf der Bühne stand sie wie eine Große. Im Gepäck hatte sie einen E-Drummer, welcher sie bei ihrer 30-minütigen Show unterstützte. Ich war sehr positiv beeindruckt von der gewaltigen Stimmkraft Mokos. Die Stimme nahm die ganze Location in ihren Bann. Aus den Boxen erklang schöner Synthie-Sound gemischt mit smoothen Soul- bzw. R’n’B-Tönen. Was mir sehr gefiel war die musikalische Abwechslung und die starke Präsenz auf der Bühne. Es ging mal etwas ruhiger zur Sache, dann wieder schneller und tanzbarer, eine gute Mischung. Moko lieferte anspruchsvollen 90s-House gepaart mit 2Step, Drum’n’Bass, Soul und R’n’B. Ein schöner Einstieg in den Abend.
21:20 Uhr kam ich dann im Comet Club an, um mir den dänischen Sänger/Rapper Benjamin Kissi anzuschauen. Leider gab es technische Probleme, sodass die Show erst 15 Minuten später anfing – naja was solls, hatte ich halt noch Zeit für ein Bierchen an der Theke.
Auch er lieferte ein 30-minütiges Programm ab. Allein stand er nicht auf der Bühne, ein (analoger) Drummer und ein Mann an den Keys unterstützen ihn. Sozusagen eine kleine komplette Live-Band. Seine Mischung aus Rap und Gesang kam gut an beim Publikum. Nach Dänemark klang Benjamin Kissi nicht, hätte eher auf London getippt. Der Sound war sehr Synthie-lastig und zum Teil Electro-Hymnen-artig. Vom Style und Sound erinnerte er mich ein wenig an Kid Cudi. Seine Musik passt auf jeden Fall gut in die heutige Zeit und wird uns sicherlich hier und da noch wiederbegegnen. „Thank you for dancing“ (O-Ton Benjamin Kissi ;-)).
Weiter ging es danach für mich im benachbarten Magnet Club. Dort gab es auch eine Live-Band mit Leadsänger zu sehen, aber diesmal ohne Keys, aber dafür mit E-Gitarre und E-Bass. Bipolar Sunshine aus Manchester performte lässig seinen R’n’B-Sound, welcher sich mit anderen Musikstilen wie z. B. Rap, Drum’n’Bass und Downtempo mischte. Auch er erinnerte mich musikalisch an einen bekannten Künstler und zwar an K-Os. Da ich K-Os sehr mag, war logischerweise dieser Auftritt ein Volltreffer für mich. Doch nicht nur für mich, sondern auch für die zahlreichen anderen Festivalgänger. Hier möchte ich gleich mal erwähnen, dass die Mehrheit der Clubs keinesfalls überfüllt bzw. überlaufen waren. Sehr schön, dass man nicht lange anstehen musste, um in die Locations hinein zu kommen. In den Clubs (bzw. vor den Bühnen) war genügend Platz für alle da.
Sehr voll war das aber dann 23:30 Uhr im Postbahnhof beim Berliner MC Fitti. Wollte ich mir mal geben diesen jungen Mann, hab ihn noch nie live gesehen. Fazit: Der beste Rapper ist er nicht, aber er macht sein Ding, nimmt wahrscheinlich das ganze Business nicht so ernst und hat Spaß bei dem, was er macht und das ist cool! Showtechnisch ist Fitti eine echte Rampensau, ein wahrer Entertainer. Lamettaregen ohne Ende und Spaß-Rap en masse, lustig dieser Typ!
Den Abschluss meines Abends bereitete der Kölner Roosevelt im Chalet. Dort war das Gedränge schon etwas größer, ist anscheinend nicht mehr ganz so unbekannt der Gute. Das Chalet war rappelvoll, zumindest der Floor downstairs. Roosevelt musizierte fleißig und bot dem Publikum feinsten vocallastigen Electro-Pop mit einer Prise Deep House. Auf seinen Song „Sea“ freute ich mich schon den ganzen Abend, einfach klasse der Track! Insgesamt gefällt mir der leichte, frische und treibende Sound von Roosevelt sehr. Von diesem Mann werden wir zu 100 % noch Einiges hören, der kommt mal ganz groß raus, da bin ich mir sicher. Ein würdiger Abschluss meines Abends voller musikalischer Leckerbissen.
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Heute geht es in Runde zwei und wir freuen uns noch mehr heiße Acts auszugraben.
Ihr wollt auch noch mitmachen? Könnt ihr! Hier gibt es Infos zu Abendkassen.
Einen kostenlosen Shuttleservice gibt es auch! Verkehrt wird zwischen 3 Haltestellen.
Viel Spaß beim Finale!
7. September 2013 um 10:14
[…] an Mittwoch schon Berlin eingenommen hat, erfahrt ihr hier. Nun liefern wir Nachschub zu den Künstlern, bei denen wir am zweiten Abend mal reingeschaut […]
10. September 2013 um 10:46
[…] unbekanntere Bands spielten. Die First We Take Berlin Stage (benannt nach dem Showcase-Festival First We Take Berlin, welches zwei Tage vor dem Berlin Festival stattfand) präsentierte unter anderem Mighty Oaks, Alin […]
10. September 2013 um 15:33
[…] lassen. Auch wir schwärmten an den zwei Abenden aus und können sagen: die Auswahl war famos. Zufrieden säuseln wir vor uns hin mit einer Reihe neu entdeckter Acts im Ohr. Die Organisation war super, das Konzept stimmte. Clubhopping der besten Sorte. Berlin-Kreuzberg […]