Serengeti 2013: Heißes Wetter, heiße Bands

News am 24. Juli 2013 von Konzertheld

Serengeti 2013-06 Chase & StatusGroße Namen und spannende kleine Bands, das war die Kombination, die das Serengeti-Festival in Schloß Holte-Stukenbrock am vergangenen Wochenende attraktiv machte. Ein Campingplatz nah am Festivalgelände, ermäßigter Eintritt zum Safaripark und Autoscooter auf dem Gelände – klingt nach einer Menge Spaß!

Da Marina ins Krankenhaus musste und ich aufgrund einer Reisepanne auf dem Rückweg von Amsterdam ebenfalls verspätet ankam, hieß es am Freitag: Einchecken, über den freien Platz auf dem dicht gefüllten Campinggelände freuen, Zelt aufstellen und auf zu Chase & Status. Serengeti 2013-04 Chase & StatusFrom London with love“ hieß es, und die Briten heizten auch kräftig ein. Samples, Beats und Synthiklänge von Chase und Status, Rhythmus, der in die Beine geht, von einem riesigen Liveschlagzeug und der Hip-Hop-artige Gesang des Frontmanns sowie einiger Gastsänger boten schon auf musikalischer Ebene eine große Vielfalt: Sowohl allgemeine elektronische als auch Dubstep- und Hip-Hop-Einflüsse machten sich hier bemerkbar. Bei den eher instrumentalen Songs wie „No Problem“ heizte der Frontmann das Publikum noch zusätzlich an und achtete dabei auch immer wieder auf die Ränder – und war offensichtlich begeistert, dass auch da noch gute Stimmung herrschte. Mit riesigem LED-Screen und stroboskoplastiger Lightshow gab es schließlich auch optisch einiges zu staunen. Ein ausgezeichneter Einstieg.

Serengeti 2013-14 SupershirtAnschließend ging es direkt weiter zur Audiolith-Labelnight im Zelt gegenüber. Die Nacht wurde eröffnet von Supershirt, die zwar (wohl aufgrund der Uhrzeit und der Hitze) nicht allzu viele Besucher anzogen, die aber nochmal kräftig zum Feiern brachten. Und mal etwas mehr Platz zu haben ist ja auch schön! Wie gewohnt wurde auf typische technische Feinheiten verzichtet und lieber eigenes Spielzeit und viel Sympathie mitgebracht. „Ich sorge jetzt hier mal für Festivalstimmung mit zwei Handgriffen!“ – Erstens, Bier auf. Zweitens, Red Bull auf!

Auch deshalb lohnt es sich eigentlich immer, zu Konzerten von Audiolith-Bands zu gehen: Der übliche Druck der Professionalität fehlt dort gänzlich, es wird einfach gefeiert, völlig egal wo und vor wievielen Leuten. Und teilweise mit dem Publikum – so brachten Supershirt eine Tanzmatte mit, auf der sich dann ein als Panda verkleideter Zuschauer austoben durfte („endlich Tiere beim Serengeti!“). Dadurch wurde das „8000 Mark„-Sample gesteuert – ein Song, der immer wieder dafür sorgt, dass den Rest der Nacht kaum etwas anderes gegröhlt wird. Schon gar nicht „Lila Wolken“ oder „Knockin on Heavens Door„, als die Band sich über die primitivsten Drei-Akkorde-Songs lustig macht.

Serengeti 2013-23 SkindredSo gut die Stimmung auch war, nachdem wir das „Kunstwerk“ zerstört und „Haue“ bezogen hatten, nach Supershirt leerte sich das Zelt nochmal merklich. Das könnte auch daran gelegen haben, dass mit Fuck Art Let´s Dance! die Musikrichtung doch eine sehr drastische Wendung nahm. Zwar ließ sich auch dazu hervorragend tanzen, aber nach den rein elektronischen Sounds von Supershirt war der nun folgende Poprock für die meisten ein Grund, am Zelt noch ein Bier zu trinken.

Für die verbliebenen Fans gab es aber dennoch eine Stunde gutes Konzert. Die Band zeigte sich ebenfalls sehr sympathisch, bewarb ihr kommendes Debütalbum und scheute sich nicht, in den Graben zu klettern, um näher am Publikum zu sein. Ein schönes Beispiel, dass Audiolith auch zivilisierte Musik kann!

Die Nacht wurde dann von Torsun, diesmal als DJ, beendet, da war ich dann aber auch zu fertig und machte mich auf den Weg zum Zelt. Die Nacht war allerdings wenig erholsam. Das Serengeti-Festival hat zwar recht rigorose Kontrollen – Pfand für Pavillons gegen zurückgelassenen Müll, patrouillierende Securitys, strenge Taschenkontrollen am Einlass zum Gelände, bei denen sogar Kontaktlinsenflüssigkeiten und Taschenlampen kritisiert wurden. Gegen den die ganze Nacht andauernden Lärm auf dem Campinggelände wurde allerdings nichts unternommen. Ohne Ohrstöpsel war da Schlafmangel vorprogrammiert.

Serengeti 2013-17 SkindredMit Koffein geweckt, von der Sonne schon gebraten und den Kreislauf mit Flunkyball angetreten, dann ging’s mit Skindred weiter. Auch hier ist der Frontmann dafür bekannt, vom Publikum absolut alles zu fordern. Wüste Beschimpfungen waren zunächst die Folge. „That’s fucking Bullshit!„, wenn nur ein Teil des Publikums sich bewegt, reicht das auf keinen Fall aus. Auch Hüpfen oder Moshen wird klar differenziert, Klatschen oder die Hände nur hoch recken oder T-Shirts über dem Kopf wirbeln. Die Folge: Ein einmaliger Anblick eines riesigen Publikums, das komplett das Gleiche tut. Der unverwechselbare Heavy Metal-Klang mit Reggae-Einflüssen tat sein Übriges dazu.

Deutlich weniger massentauglich waren wenig später Funeral For A Friend. Mit ihrem aggressiven Sound und -Auftreten sprachen sie eine deutlich kleinere Zielgruppe an, kaum die Hälfte der ersten Welle war nun noch gefüllt. Vielleicht war es auch einfach eher ein Geheimtipp – der Anteil an heftig moshenden Zuschauern war diesmal deutlich größer. Auf dem übrigen Gelände wurde dieweil entspannt Frisbee gespielt oder im Gras gechillt.

Serengeti 2013-33 Funeral For A FriendDadurch ergab sich ein deutlicher Kontrast zum musikalischen Programm – schon Heavy Metal und Post-Hardcore ließen laute, wütende Stimmung aufkommen. Auch Radio Havanna heizten anschließend im Zelt kräftig ein, positionierten sich klar links und holten Zuschauer auf die Bühne, um Antifa-Parolen auf Schildern hochzuhalten. Klare Worte des Sängers taten ihr übriges dazu. Rechte Gedanken haben hier keine Chance, und auch bei Itchy Poopzkid draußen auf der Hauptbühne war kräftig Alarm gegen Intoleranz angesagt. Beide Bands scheuten auch nicht vor gewagten Aktionen zurück, um ihrem Auftreten Nachdruch zu verleihen – der Sänger von Radio Havanna kletterte die Traverse hoch und der Gitarrist von Itchy Poopzkid surfte auf seinem Koffer durch das Publikum.

Serengeti 2013-40 Itchy PoopzkidItchy Poopzkid passten damit perfekt in die Reihe sympathischer Bands auf diesem Festival. Mit Selbstironie zeigten sie sich auch gegenüber dem immer noch wild feiernden Publikum erkenntlich – nach dem Circle Pit: „Ihr seid besser gerannt als wir gespielt haben!„, und als der Radio Havanna-Gitarrist einen Song mitspielt: „Wir haben ihm bloß gestern ein Video gezeigt, auf dem ich Gitarre spiele, und ich kann gar nicht gut Gitarre spielen!“

Überhaupt durften hier alle überall mitfeiern. Zwei mäßig begabte Zuschauer bekamen die Chance ins Mikro zu pfeifen. Und auch Bandaustausch gab es später nochmal – den Sänger von Skindred sehen wir bei Irie Révoltés wieder. Die wiederum positionierten sich erneut klar links und warben außerdem für Viva Con Agua, eine Initiative für freies Trinkwasser, die mittlerweile auf vielen Festivals präsent ist und Pfandbecherspenden sammelt.

Serengeti 2013-27 SkindredErst gegen Abend wurde es etwas weniger wild und weniger politisch. Grossstadtgeflüster standen im Zelt eher auf „Konfetti und Yeah“ und mit Konfetti gefüllte Ballons, ließen sich aber natürlich trotzdem nicht unterbuttern: „Ich muss gar nix„! Trotzdem ließ sich nicht verleugnen: Das neue Album ist weniger rotzig, mehr tanzen, mehr Frieden, aber genauso viel Party.

Bei den Broilers schließlich wurde es für uns Zeit für eine Pause. Während die Unermüdlichen vorne immer noch Dauermoshpits betrieben, wurde weiter hinten nun noch entspannt getanzt. Die Band feierte es auf jeden Fall mächtig: „Beim Gurten-Festival haben wir noch schulbandmäßig eröffnet, gestern waren wir beim Deichbrand der Co-Headliner und Headliner der Herzen und heute sind wir der verdammte Headliner!

Serengeti 2013-38Nach einer Pause mit anständigen Dosennudelgerichten ging’s dann zum Ausklang zu Fritz Kalkbrenner. Wobei man von „Ausklang“ im ruhigen Sinne kaum sprechen kann – der Herr hatte reichlich neues Material dabei und zeigte sich dabei von seiner Berliner Tekkno-Seite. So bildeten wir mit ein paar ähnlich Gesinnten eine Raver-Ecke und raveten uns die Seele aus dem Leib. 90 Minuten grandiose Musik – und überraschenderweise ein paar Sätze vom Meister persönlich! War Herr Kalkbrenner bisher immer ausgesprochen schweigsam gewesen, gab es diesmal ein, zwei Kommentare zum Publikum und eine Danksagung für die Technik. Zu Recht, ohne den fetten Sound wäre es reichlich langweilig im Zelt, und auch die Lichteffekte waren diesmal äußerst passend. Teilweise gab es minutenlang Stroboskoplicht – so konnten wir die anderen Raver scheinbar abgehackt beobachten.

Serengeti 2013-61 Irie RévoltésNach diesem fantastischen Auftritt legte das 1LIVE-Team noch Musik auf, die wir aber nur noch zum runter kommen nutzten, um dann wie schon am Vortag erschöpft ins Zelt zu fallen. Den Lärm in der Vornacht hatten wohl auch die Securitys bemerkt – und versuchten daher diesmal gegen 5Uhr, als auch die DJ-Party beendet war, für Ruhe zu sorgen. Da die Securitys sich auf dem Serengeti in diesem Jahr aber vor allem durch mangelnde Durchsetzungsfähigkeit und Willkürlichkeit auszeichneten, führte das nicht zum Erfolg – im Gegenteil, die bisher nur laut feiernden Gruppen wurden nun auch noch aggressiv. Randale, Provokationen gegenüber den Securitys und Rücksichtslosigkeit gegenüber den anderen Besuchern waren die Folge. Dass nicht jeder die Nacht durchmachen will, stieß nicht auf Verständnis. So blieb ich erneut schlaflos und auch Koffein verfehlte nun die Wirkung, weshalb am Sonntag Aaron übernahm.

Sonntag war Seeed-Tag. Der große Headliner des im Grunde eher kleinen Festivals warf den ganzen Tag seinen Schatten voraus: Alle Bands des Sonntags mussten sich mit der Hälfte der Bühne begnügen, weil dahinter schon das große, abgestufte Holzkonstrukt und die leuchtenden drei Lettern „e“ der elfköpfigen Band aus Berlin aufgebaut waren.

Serengeti 2013-50 Itchy PoopzkidDie Monsters Of Liedermaching sollten damit erst mal kein Problem haben – die meiste Zeit sitzend, ab und zu stehend und manchmal für ein Glockenspiel-Solo auch crowdsurfend läuteten die 6 Jungs nach ihrem ersten Auftritt beim Serengeti-Festival am Tag zuvor nun den letzten Festival-Tag ein. Die Festivalbesucher, die sich überraschend zahlreich für den frühen Nachmittag in der Mittagshitze versammelt hatten, feierten die gut aufgelegte Band und ihre Spielchen mit den Kameras des WDR, welcher den Auftritt im Livestream übertrug. Die Monsters begeisterten nicht zuletzt mit einer für Festivals eher untypischen langen Zugabe; Grund dafür war die Absage des dritten Acts des Tages, Action Bronson, der aus familiären Gründen seinen Auftritt ausfallen lassen musste.

Die Festival-Betreiber veröffentlichten dies am Freitag auf der Facebook-Seite. Manch einer, der sein teures und akkuschwaches Smartphone nicht mit auf’s Festival genommen hatte oder erst gar keins besitzt (solche Menschen soll es auch noch geben!), schaute etwas verwundert aus der Wäsche, dass MonstersHoffmaestro überraschend lange spielten und nicht dem Zeitplan folgten. Mit dem Verdacht, dass doch dann eventuell eine Band ausfallen könnte („Wer fällt aus?“ „Boah, hoffentlich fällt Seeed nicht aus!“ „Nee, das können die doch nicht machen!“ Gemurmel aus der Umgebung), bis schließlich irgendjemand aus dem Umfeld, der doch ein Smartphone dabei hatte, die Information weitergeben konnte, dass Action Bronson schon in die USA abgereist ist. Ein bisschen mehr Information in live, nicht im Internet, spätestens am Spieltag selbst, wäre da von Seiten der Organisatoren ganz gut gewesen.

Serengeti 2013-53Auf diese Weise hatten nun die Schweden von Hoffmaestro, die genau so viele Musiker auf der Bühne hatten wie Seeed (allerdings nur auf dem Bruchteil der Bühnenfläche!) auch länger Zeit, dem Publikum weiter einzuheizen. Anfänglich etwas leer schaffte es der aufgedrehte Frontsänger mit einigermaßen passablen Deutsch (dank fünf Jahre Deutschunterricht laut eigener Aussage!) gute Stimmung zu verbreiten.

Mit Kettcar begann am späten Nachmittag das Finale der deutschen Bands. Kettcar selbst war allerdings für mich die mit Abstand schwächste Band des Festivals: Der Sänger wirkte eher gelangweilt, konnte sich mit seiner Stimme auch im Bandmix nicht durchsetzen – schade, denn ansonsten war der Sound des Festivals nahezu makellos ausgewogen. Sein Kollege Bosse machte es Kettcar danach vor, wie man sympathischer die Massen begeistern kann – unter anderem mit einem kleinen Abstecher zum Publikum, um Seifenblasen zu pusten, Anweisungen an seine Helfer, den Leuten Wasser zuzuwerfen und sichtbarer Freude am Auftritt – und besserem Sound!

Während in der Umbaupause zu Seeed aus der Tentstage der Auftritt von Die Orsons hinüberklang, musste man sich nun für den letzten Act auf der Mainstage zum ersten Mal des Festivals schon einen guten Platz sichern – selbst bei Fritz Kalkbrenner in der deutlich kleineren Tentstage am Tag zuvor hatte man noch entspannt (s)einen Platz finden können. Nun kam auch die Masse an Tagesgästen zum Tragen, die man nicht zuletzt an der deutlich geringeren Staubschicht auf der Haut, den saubereren Schuhen & Klamotten erkennen konnte.

Pünktlich mit der untergehenden Sonne zeigten die Jungs aus Berlin eineinhalb Stunden pure Professionalität aus 15 Jahren Banderfahrung und begeisterten unter anderem durch Mash-Ups und Cover von z.B. Justin Timerlake, M.I.A. und einer Harlem Shake-Version. Auch die Trommler-Freunde von Cold Steel aus den Zeiten von Sänger Enuffs als Peter Fox waren zu Gast und verstärkten die ausgezeichnete Stimmung im Publikum. In ihrer Setlist, die ein guter Mix aus ihren vergangenen Alben und aktuellen Album aus dem September letzten Jahres, aber auch Peter Fox-Songs war, ließ Seeed die Songübergänge flüssig verschmelzen und schaffte so einen zusammenhängenden Mix. Mit „Aufsteh’n“ als letzte Zugabe verabschiedeten sich die Berliner vom begeisterten Publikum.

Damit war das Serengeti vor allem bandmäßig ein großer Erfolg und eine riesige Party. Uncoole Securitys und einzelne Festivalbesucher trübten die Stimmung zwar gelegentlich, aber spätestens das nächste Konzert riss immer alles wieder raus. Auch das Festivalgelände erwies sich als sehr schön, zwischen den Bühnen konnte man problemlos wechseln, meist ohne danach auf einen Platz weit vorne verzichten zu müssen. Nur der Weg vom Campingplatz zum Festivalgelände wurde in der Mittagshitze manchmal doch sehr weit. Aber welchen mit Wegbier ausgerüsteten Festivalbesucher regt sowas schon auf?

2 Kommentare zu “Serengeti 2013: Heißes Wetter, heiße Bands”

  1. Nummer 1: Juicy Beats 2013: Sommerstimmung auf 20 Bühnen im Westfalenpark sagt:

    […] and Sand” nicht großartig änderte, die Stimmung war aber trotzdem gut. Kalkbrenner, der am Wochenende zuvor beim Serengeti-Festival gespielt hatte, kommentierte das gelegentlich mit “Das ist schon ganz nett, aber das könnt ihr noch […]

  2. Nummer 2: Wilde Safari beim Serengeti Festival sagt:

    […] du siehst gut aus, wollen wir rummachen?“). Insgesamt bleibt es aber, im Gegensatz teilweise anderen Erfahrungen im Vorjahr friedlich. Auch dieses Jahr durfte kein Glas mit auf den Camping-Platz gebracht werden, was trotz […]

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