Nach dem tollen Start des 23. Tanz- und Folkfestivals am Donnerstag, stand am Freitag der erste „komplette“ Festivaltag auf dem Programm an dem neben den Bühnen im Heinepark auch alle weiteren Veranstaltungsorte in der Stadt und auf der Heidecksburg bespielt wurden. Spätestens an diesem Tag musste man das Programm schon etwas genauer studieren, um keine der Bands zu verpassen, die man sehen wollte. Lange Spaziergänge über das Festival zwischen Burg und Park garantiert.
Auf Grund dieser Programmvielfalt haben sich auch unsere Festivalhopper getrennt, um euch ein möglichst breites Spektrum präsentieren zu können. Lest hier nun die ersten Eindrücke unseres Festivalhoppers Teliko.
Wer es bisher noch nicht geschafft hatte zum TFF anzureisen, sah sich einer durchaus größeren Herausforderung gegenüber. In die Stadt kommen, die Eintrittskarte gegen ein Bändchen tauschen, den Schlafplatz aufsuchen oder erst aufbauen und dann schnell auf das Festivalgelände und die Bühne seiner Wahl. Das ganze musste in vielen Fällen aber in viel kürzerer Zeit geschehen, da die Veranstaltungen am Freitag nicht erst am Abend starteten, sondern schon mittags. Wie viele dieses Schicksal teilten merkte man an den langen Autoschlangen stadteinwärts.
Der Veranstaltungstag auf den Hauptbühnen startete auch am Freitag wieder auf der großen Bühne im Heinepark mit der Band Frigg. Entgegen der Ankündigung stellte sich aber eine rein finnische Besetzung vor – die Norweger wurden aus der Band geschmissen, weil sie „zu gut geworden sind“. Generell sorgten die Ansagen mit dem speziellen finnischen Humor immer wieder für den einen oder anderen Schmunzler. Musikalisch verwöhnte Frigg das Publikum mit vier Geigen, Gitarre, Kontrabass und einem Sound der als „Nordgrass“ bezeichnet wurde, aber an vielen Stellen wohl am besten mit der Musik von Lord of The Dance verglichen werden konnte – ohne dies negativ zu meinen!
Wenig später wurde dann endlich auch die, wie jedes Jahr beeindruckend gelegene, große Bühne im Hofe der Heidecksburg eingeweiht. Wie immer Ort für die etwas größeren, klassischeren Arrangements auf dem TFF stellte auch der erste Auftritt in diesem Jahr auf der Bühne für einen dieser „Bombastaugenblick“. Dort spielte Carminho begleitet von ihrer Band und den Thüringer Symphonikern. Die Portugiesin gehört zu der aufstrebenden neuen Generation (weiblicher) Fado-Stimmen und sorgte schon mit ihrem Debut-Album für überschwängliche Kritiken. Der stets extrem emotional vorgetragene Sanges- und Vortragsstil, der oft von unglücklicher Liebe, sozialen Missständen oder der Sehnsucht nach besseren Zeiten berichtet, harmonisierte perfekt mit den minimalistisch eingesetzten Gitarrenklängen ihrer eigenen Band und der weichen Klängen der Symphoniker. Sicherlich kein Konzert, was zum Tanzen einlud, dafür aber zum aufmerksamen zuhören und genießen.
Eine lustige Neben-Anektode zu diesem Konzert: Auf der Heidecksburg ist es bei vielen Konzerten nicht unüblich eine Bestuhlung mit Bänken zu realisieren. Diese war allerdings für den Freitag und das Konzert von Carminho nicht vorgesehen. Davon ließ sich aber das TFF-Publikum nicht abhalten und nutzte einen „unbeobachteten Moment„, um 160 Bänke einfach selbstständig schnell aus dem umzäunten Bereich neben der Bühne zu holen und aufzustellen.
Zwar im Programmheft nicht derartig angekündigt, fand um 18:00 Uhr die offizielle Eröffnung des 23. Tanz- und Folkfestivals durch Jörg Reichel, den Bürgermeister von Rudolstadt, auf der Bühne am Hauptmarkt statt. Untermalt durch das Thüringer Folkloretanzensemble Rudolstadt war es gewohnt die Möglichkeit für das TFF sich bei Förderern und Unterstützern zu bedanken bzw. diese zu Wort kommen zu lassen und die Gäste aus aller Welt zu begrüßen. Natürlich wurde dabei auch einige Highlights des diesjährigen Festivals angesprochen und der Länderschwerpunkt Italien sowie das magische Instrument Flöte vorgestellt.
Für einen besonderen Augenblick sorgte der eingeschobene Auftritt von Konzertina-Spieler Horst Voigt. Der 79-jährige war auf dem letztjährigen TFF im Rahmen des Magic Concertinas Konzerts auf der Bühne Burgterasse mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen und musste noch auf der Bühne wiederbelebt werden. Umso schöner zu sehen, dass er sich wieder so erholt und seine Leidenschaft nicht verloren hat. So ließ er sich nach der freundschaftlichen Ankündigung durch Programmchef Bernhard Hanneken nicht nehmen sein Konzert aus dem letzten Jahr zu beenden – schließlich hatte er nach eigenen Aussagen das Geld ja auch schon bekommen.
Direkt im Anschluss an die Eröffnung fand die Italien Revue auf der Bühne Hauptmarkt statt. Die perfekte Gelegenheit einen ersten Eindruck über den diesjährigen Länderschwerpunkt Italien zu bekommen, da im Rahmen der Revue diverse, der schon anwesenden, italienischen Künstler ihre Musik und ihr Land innerhalb eines kurzen Zeitrahmens vorstellten. Den Anfang dabei machte die Band I Liguriani, die noch wenigen Minuten zuvor in der Stadtkirche gespielt haben. So wirkte der Auftritt auch etwas kurzfristig eingeschoben, bietet aber die perfekte Gelegenheit auch einmal die Techniker des TFFs zu loben, die einen tollen Job machen und trotz vieler ungewöhnlicher Instrumente einen guten Sound garantieren. So meisterten sie auch diesen spontanen schnellen Umbau mit Bravour. Kleine Entschädigung für die Techniker war dann der deutlich leichtere Aufbau für das Quartett Tenore Gòine di Nuoro, die für ihren Canto e Tenore nur drei Mikrophone benötigten. Etwas irritierend bei ihrem Gesang war allerdings die Eigenart sich, wenn sie sangen, stets an das Ohr zu greifen. Ob dies für die Sangesart typisch ist, wissen wir nicht.
Spätestens im Anschluss an die Italien Revue hatte man die Qual der Wahl, da alle Veranstaltungsorte nun nahezu gleichzeitig bespielt wurden. Entschied man sich dazu, für den Rest des Abends nur im Heinepark auf zu halten, um lange Wege zu vermeiden, musste man dennoch keine Abstriche bei der Qualität oder Vielfalt der Konzerte machen.
So spielte um 19:30 Sam Lee & Friends auf der Konzertbühne im Heinepark. Wohl einem der Höhepunkt des TFF 2013 im Bereich Roots. So reiste der Engländer Sam Lee lange Zeit durch seine Heimat und sammelte dabei alte Volkslieder, die zum großen Teil nur noch in sehr abgelegenen Regionen bekannt waren. Inzwischen tourt er mit diesem Liedgut durch die Welt und trägt sie mit seiner rauhen Stimme vor, die nicht an einen jungen Mann, sondern eher an einen alten lebenserfahrenen Greis spät abends im Pub nach mehreren Pints klingt. Als erster Folk-Künstler überhaupt mit dem britischen Arts Foundation Award ausgezeichnet trug Sam Lee diese alten Volkslieder in sehr beeindruckender Weise dem Publikum auf dem TFF vor. So berichtete er auch stets, wie er das jeweilige Volkslied entdeckt hat und über die Menschen, die dieses alte Liedgut noch gepflegt haben – man wünschte sich dabei einen großen Ledersessel, ein guten Whiskey und für die Raucher eine große Zigarre, um die Musik adäquat genießen zu können.
Währenddessen ließ ein enormer Medienrummel rund um die große Bühne im Heinepark erahnen, dass als Nächstes etwas ganz besonderes die Besucher des TFF erwartet. Fünf Grammys, dazu ein Grammy für ihr Lebenswerk und eine Bandgeschichte seit 1939 sprechen für sich und für die Blind Boys of Alabama.
So können wir uns sehr glücklich schätzen, dass wir die Gelegenheit bekommen haben mit den Blind Boys ein Interview zu führen. Ein kleiner Vorgeschmack und Beweis für ihr Art, die sie später auch auf der Bühne präsentierten: Auf die Frage, wie es war vor Präsident Barack Obama zu singen, antwortete Sänger Jimmy Carter nur schlicht „Barack Obama, Richard Nixon. Ich haben schon vor drei Präsidenten gesungen…und Martin Luther King“ entwaffnend, liebenswert und ja, in irgendeiner Form auch Weise.
Kein Wunder also das die Blind Boys mit ihrem vierstimmigen Gospel-Satzgesang – im Übrigen trotz der inzwischen 23-jährigen Geschichte des TFF ein Novum – für absolutes Gänsehautgefühl im Publikum sorgten. Begeisternd, gefühlvoll, emotional. Es fehlen die Adjektive, um dieses Konzert passend zu beschreiben. Wer da war, wird dieses Erlebnis sicher nicht vergessen. Sei es die tolle Variante von Amazing Grace, die witzigen Zwischenmoderationen, der Gospelgesang oder das selbst ein blinder Sänger es sich nicht nehmen lässt, durch das Publikum (mit Begleitung) zu laufen. Hallelujah!
Komplett in andere musikalische Sphären gezogen, wenn auch nicht weniger mitreißend, wurde man im Anschluss auf der Konzertbühne. Mit Ondatrópica befand man sich plötzlich in Kolumbien und vollführte eine Reise durch dessen musikalische Einflüsse mit Cumbia, Porro, Gaita und vielem mehr. Gefeiert durch den englischen Telegraphen, sorgten Ondatrópica auch auf dem TFF mit ihrer poly-rhythmischen Tanzmusik für kreisende Hüften.
Den Abend und damit den Freitag im Heinepark abschließen sollte dann Enzo Avitabile & Bottari di Portico vom Länderschwerpunkt Italien. Bei diesem Konzert fielen vor allem erst einmal die äußerst ungewöhnlichen Musikinstrumente auf der Bühne auf. So befanden sich auf der Bühne mehrere Weinfässer und Bottiche mit denen man zunächst nichts so recht anzufangen wusste. Die Erklärung erfolgte zum Glück in der Anmoderation: In vielen Orten Italiens ist es bei Volksfesten üblich sich derartige „Instrumente“ zu schnappen und darauf zu trommeln. So geschehen, dann auch während des Konzertes von Enzo Avitabile. Die jungen Männer, die sich für das Trommeln auf diesen Bottichen verantwortlichen zeigten, legten nahezu das komplette Konzert einen Grundrhythmus vor, der zum einen das Publikum bewegte und zum anderen jedes Sportprogramm ersetzte. Dennoch wirkte das Ganze auch unabhängig des Saxophonspiels von Enzo Avitabile irgendwann ein wenig eintönig.
Das war er also der erste komplette Festivaltag auf dem 23. Tanz- und Folkfestival. Am Samstag steht dann der umfangreichste und längste Tag an.
7. Juli 2013 um 03:41
[…] das Treiben vor die große Bühne im Heinepark. Dort eröffnete – zumindest musikalisch, die offizielle Eröffnung ist, wieder am Freitag auf dem Markt – Souad Massi das TFF 2013. Die algerische Sängerin […]
7. Juli 2013 um 13:44
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10. Juli 2013 um 18:14
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11. Juli 2013 um 10:56
Ans Ohr gegriffen haben sich die Sänger, um sich selbst zu hören. Bei polyphonen Acapellagesang, aber auch bei Kanons immer die Chance, die eigene Stimme durchzuhalten ohne die anderen zu verlieren. Müßtet ihr eigentlich wissen!
e.