Nach einer erholsamen Nacht zu Haus wollten wir uns ab Samstag auf dem Campingplatz des Traumzeit-Festivals 2013 in Duisburg direkt neben dem Festivalgelände einrichten. Das Zelt war trotz des Windes recht schnell aufgebaut, sodass sogar noch etwas Zeit bis zur ersten Band blieb. Wir machten es uns also gerade drinnen bequem, packten unser Mittagessen aus und freuten uns, dass eine nette Zeltnachbarin uns ihren Dosenöffner lieh – doch dann geschah es…
Es knackte und das Zelt stand schief wie der Turm von Pisa. Leider war das keiner der lausigen Heringe, die im harten Boden keinen Halt fanden, sondern eine Zeltstange. Offenbar wurden bei unserem Zelt minderwertige Materialien verwendet und eine der Stangen war tatsächlich gebrochen und gesplittert. Von einem weiteren netten Mitbewohner bekamen wir den Tipp, dass einer anderen Gruppe das Zelt durchgeschimmelt war, die aber wohl das gleiche Modell hatten – wir schnappten uns die Stangen des zurückgelassenen Zeltes, aber den Tag überleben würden die auch nicht. Also Abbau, alles wieder verpackt und mangels Alternativen zu mir nach Hause gebracht, was uns leider enorm viel Zeit kostete. Wirklich schade, denn der Zeltplatz war zwar sehr klein, aber für die Besucher ausreichend, wirklich schön gelegen und mit wundervollem Ausblick auf die ehemaligen Hochöfen.
Immerhin kamen wir dadurch auch mal in den Genuss des Traumzeit-Shuttles. Während es sich bei dem einen Bus um einen Linienbus mit Strandkorb handelte, war der zweite Bus ein uraltes Modell mit superbequemen Sitzen, luxuriöser Ausstattung inkl. Miniküche, Lampen im 70er-Stil und zu Becherhaltern umgebauten Aschenbechern. Traumhaft!
Die erste Band am Samstag war dann leider erst spät am Abend Misteur Valaire. Deren Percussionist kam schon während dem Soundcheck selbst ins Publikum, um sich davon zu überzeugen, dass der Sound gut ist. Der Sound wurde dann auch wirklich gut und als das Konzert losging, hatten sich auch tatsächlich etliche Zuschauer eingefunden. Die Band kommt aus Kanada, trägt coole Sonnenbrillen und präsentierte eine Mischung aus HipHop, Bläsern, echtem und synthethischem Schlagzeug und verschiedener Percussion. Das Ergebnis eignet sich super zum Tanzen und als nach einigen Liedern der Regen einsetzte, geht es vor der Bühne schon gut ab.
Viele Worte benötigten die Kanadier nicht, um die Leute zum Mitsingen, Tanzen und HipHop-Moves zu animieren. Als der Frontmann ins Publikum kam und mitfeierte, trauten sich auch die hinteren Besucher unter den Regenschirmen hervor und kamen nach vorn. Die überwiegend neuen Songs sind teilweise sehr lang und ufern mit der Zeit regelrecht aus, so dass wir uns dem Sound wunderbar hingeben können. Wenn Misteur Valaire im September mit dem neuen Album in Deutschland auf Tour gehen, werden sicher einige neue Fans dabei sein.
Nach diesem weiteren Geheimtipp-Konzert an der Gasometer-Bühne ging es fix rüber in die Gießhalle, wo jeden Moment C2C spielen sollten. Die Halle hat vorne einen Stehbereich und steigt dahinter in Stufen an, auf denen aber auch größtenteils gestanden wurde. Praktischerweise trauten sich nicht viele nach ganz vorne, sodass Plätze in der ersten Reihe und viel Raum zum Tanzen kein Problem waren! C2C ließen dann auch nicht lange auf sich warten und starteten direkt mit The Cell – ein perfektes Intro.
Nun hält sich die Bühnenshow bei einer aus vier DJs bestehenden Band natürlich in Grenzen. Jeder hatte einen würfelförmigen DJ-Tisch mit einem LED-Monitor, auf dem je nach Lied und Spannungsgrad verschiedene geometrische Animationen liefen. Die Tische wurden durch Verschieben immer wieder anders zusammengesetzt – mal zum DJ-Battle, mal einfach um die Positionen der vier zu ändern. Wobei die sich ohnehin immer wieder mal änderten – bei mehreren Songs gab’s live ergänzte Freestyle-Parts, wo auch mal die Turntables durchgemischt wurden.
Die vier Franzosen kamen gerade vom Hurricane und schienen aufgrund der deutlich geringeren Zuschauermenge doch etwas ernüchtert zu sein. Die eigentlich sehr schicke Gießhalle war auch nicht unbedingt perfekt geeignet – während man unten die Band fast anfassen konnte, war es nur von oben möglich die Turntables zu sehen. Dies hielt vermutlich einige Zuschauer davon ab nach vorne zu kommen – obwohl immer wieder einer der DJs hinter seinem Tisch hervor kam, um die Leute zu motivieren ein bisschen mehr zu feiern. Im vorderen Bereich taten wir das dafür aber durchgehend, shuffleten zu Arcades, forderten Drop The Beat! und tanzten zu Because Of You, bis das Konzert am Ende mit F.U.Y.A. ausklang.
Weitergehen sollte es am Sonntag mit dem Hypnotic Brass Ensemble, die sich aber leider verspäteten und daher nach hinten verschoben wurden. So entstand eine Lücke, da Felix Meyer zwar vorgezogen wurde, aber einen sehr umfangreichen Soundcheck benötigte. Mit Kontrabass und Akkordeon öffnete sich eine Sparte im vielfältigen Programm der Traumzeit. Leider schien das Ensemble die Technik vor zu große Herausforderungen zu stellen, die Feedbacks hörten nicht auf und so flüchtete ich in die Kraftzentrale, wo gleich Laing auf dem Programm standen.
In der Kraftzentrale war wenige Minuten vor dem Konzert nicht mal die erste Reihe voll, insgesamt vielleicht 200 Leute standen in der Halle verteilt herum. So kann man nur mutmaßen, dass die Band zu spät anfing, weil sie noch auf mehr Zuschauer hofften. Die Technik versuchte derweil, das Publikum mit Pausenmusik zu bespaßen, aber der Harlem Shake traf hier eindeutig auf die falschen Leute. Als die ersten drei der vier Berlinerinnen und der Schlagzeuger auf die Bühne kamen, gab es nicht mal Applaus, obwohl sie das einzeln und klangröhrenschwingend taten, bevor sie sich an den mit Tischlampen beleuchteten Mikrofonen positionierten. Immerhin kamen die meisten Zuschauer nun etwas näher an die Bühne.
Nach einem eher ruhigen Einstieg war gleich unter den ersten Liedern Paradies Naiv, der titelgebende Song aus dem gerade erschienenen Debütalbum. Eine Gruppe Jugendlicher vor mir exerzierte erst einmal ein Handy-Fotoshooting. Als ich an eine andere Position flüchtete, machte mich eine Frau blöd an, weil ich so groß bin. War nicht meine Entscheidung! Leider wirkten Laing teilweise ähnlich verkrampft wie das Publikum, und das lag nicht an den Beats. Stimmung kam hier keine auf, die Musik brachte die Leute nicht zum Tanzen, die Texte niemanden zum Lachen – vielleicht wenigstens zum Nachdenken. Kein Aufschrei, als das auf Spotify gehypte Nacht für Nacht kam, und selbst bei Morgens immer müde waren nicht genug Fans da, um die Strophe mitzusingen oder auch nur länger als einen halben Refrain mitzuklatschen.
So war es sehr schade um ein eigentlich ziemlich gutes Konzert. Die Performance der Sängerinnen war gut, viele Songs wurden live abgewandelt, gesanglich improvisiert oder um kleine Choreografien ergänzt. Die Tänzerin bekam einen eigenen Song und es gab ein Cover von Alles nur geklaut. Auch das Live-Schlagzeug – mit drei Snare-Drums – passte gut zu der ansonsten aus der Konserve stammenden Musik. Vielleicht war die statische Erscheinung der drei Sängerinnen hinter ihren Mikroständern mit den Tischlampen im Kontrast zu den fast punkigen Texten einfach zu bizarr.
Nach dem Konzert leerte sich die Halle dann vollständig. Ich organisierte mir noch fix ein paar Gratis-Ohrstöpsel, denn schon die Pausenmusik wirkte in der leeren Halle unheimlich laut. Alex Clare fing dann sogar pünktlich an, kam nach einem kurzen Bandintro ganz unspektakulär auf die Bühne und fing einfach an zu singen. Nun sollte man meinen, bei dem Bekanntheitsgrad von Too Close hätte sich die Halle gefüllt und kreischende Fans wären anwesend – aber dem war nicht so. Die fotografierenden Jugendlichen sind einer Gruppe Teenies gewichen, ansonsten hat sich am Publikum nichts geändert.
Alex Clare haute derweil einen Song nach dem anderen raus, wirkte dabei durchaus sympathisch und auch so, als hätte er Spaß an der Sache. Leider fiel schon nach drei, vier Stücken auf, dass sich alles gleich anhört – das allseits bekannte Mmmmh Treading Water hätte nach jeder Strophe den dazugehörigen Refrain einleiten können, es wäre nicht aufgefallen, dass es eigentlich das falsche Lied war. Nach sieben gleich langweiligen Liedern klingelte es mir in den Ohren, ich hatte genug und ging.
Draußen machte auf der Open Air-Bühne eine Duisburger Band den Abschluss – nach den jungen Paperstreet Empire am Freitag nun ein Urgestein aus den 80ern – die Flowerpornoes. Leider passt der Vergleich mit Locas In Love nur textlich, auf CD wirkten die Duisburger doch etwas frischer. Mit Kopfschmerzen von der Kraftzentrale und aufgebrauchter Toleranz gegenüber Musik außerhalb meiner Zielgruppe beschließe ich, mit dem nächsten Shuttle nach Hause zu fahren.
Das Traumzeit-Festival war mal ein kleines Festival mit Ausrichtung zum Jazz und klassischer Rockmusik. Dann war es ein Stadtfest und nun will es gerne ein Festival mit einem breiten Programm und einer großen Zielgruppe sein. Einige erwachsene Besucher, die schon seit vielen Jahren dabei sind, hätten gerne das ursprüngliche Traumzeit zurück – vermutlich wäre das auch besser gewesen, denn am Freitag klappte der merkwürdige Band-Mix noch gut und auch Samstag gab es Highlights, aber spätestens am Sonntag nahmen doch immer mehr Zuschauer reißaus.
Schade, denn die Location wäre gut geeignet für ein gegensätzliches Programm. Dafür hätte man sich aber vermutlich auf weniger Musikrichtungen konzentrieren müssen. So wurden verschiedenste Stile und Zielgruppen über drei Tage und vier Locations wild durcheinander gewürfelt – und ohne stark vertretene Musikrichtung zogen auch die Highlights mehr neugierige Zuschauer als Fans an. Wer sich davon anstecken ließ, konnte hier den ein oder anderen Geheimtipp entdecken; wer aber wilde Partys und große Namen feiern wollte, hätte auf ein Festival mit klarerer Ausrichtung fahren sollen.
Für die wenigen Fotos von Samstag und Sonntag und den knappen Bericht möchte ich mich abschließend noch entschuldigen. Gerade der Samstag hätte sicher besser werden können, wenn wir nicht von mehreren persönlichen Problemen geplagt gewesen wären. Neben dem kaputten Zelt hat auch meine Kamera am Samstag spontan und ohne erkennbaren Grund den Dienst verweigert. Dafür kann das Festival natürlich nichts. Vielen Dank daher an dieser Stelle an smial und KRD von Wikipedia, die dafür gesorgt haben, dass dieser Artikel nicht gänzlich ohne Fotos bleiben musste!
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