Europavox 2013 – Die Auvergne als Melting Pot europäischer Newcomer

News am 28. Mai 2013 von Anne

sizarr eurovox 13 florent giffardBisher nicht gekannt, nie von gehört und direkt wieder in den Kalender eingetragen für Mai 2014. Das will was heißen, wenn man das Europavox Festival 2013 Revue passieren lässt. Vom 23. bis 25. Mai fand nun die 8. Edition im schönen Clermont-Ferrand (Auvergne, FRA) statt.

Den Vorbericht gab es hier und nun folgt Teil I des Festivalberichts.

europavox poster 2013Wer sich das diesjährige Line Up anschaute und nicht so in der nationalen Musikszene Frankreichs drin steckt, ist vielleicht nicht gleich explodiert vor Vorfreude – irgendwie verständlich. Da lockten bis auf die Villagers, Sóley und Amon Tobin wenig bekannte und schon im Vorfeld vielversprechende Namen, und wenn man ehrlich ist, braucht das ein Festival. Diese handvoll Acts, die heiß machen, die den Preis und gegebenenfalls auch die längere Anreise wert sind. Es brauchte also ein wenig Mut und eine Portion Neugier, wenn man das Festival nicht gleich vor der Haustür hatte.

Was bekam man also? 

In jedem Falle einen ordentlichen Veranstaltungsort, das Polydôme in Clermont-Ferrand, ein Konferenz- und Tageszentrum, das mit 3 unterschiedlich großen Bühnen  bestens für ein Indoor-Festival geeignet war. Der Sound war immer top, die Levels stimmten, so soll es sein.

Auch bei der Auswahl der Bühnen für die Künstler miles kane eurovox13 florent giffardlag man fast immer richtig, abgesehen vom angesagten Rock Act Miles Kane (UK) – da hätte man definitiv die größte Bühne wählen sollen anstelle des Coopérative de Mai, die zum Teil noch Sitzplätze durch Stufen bot – abrocken unmöglich.

So auch bei Fauve, dem Eröffnungsact, bei dem es so eng war, dass ich nach 5 Titeln schon den Saal verlassen musste aufgrund des Gerangels. Was ich aber sah, war zu Beginn eine tolle und mitreißende Mischung aus Elektrorock und französischem Spoken Word. Die im Hintergrund laufenden Videos im Polaroid-Lofi-Look machten Fauve zum Geschichtenerzähler, der mit toller Intonation höchst emotional aufspielte. Selbst wenn man kein Wort verstand, war das – bis zu einem gewissen Punkt wohlgemerkt – wirklich stimmungsvoll und im positiven Sinne ansteckend.

rangkleklods europavox 13 florent giffard

Womit sich auch gleich die weiteren musikalischen Highlights des Wochenendes anschließen lassen: Rangleklods aus Dänemark, der live als OneManShow mit toller Stimme zurückgenommene, aber akzentuierte, elektronische Klänge lieferte und nach dem zweiten Track mit den Worten „Gabriel is sick – but – I would’t cancel.“ einleitete und damit gleich Applaus erntete. Insgesamt eine kleine Überraschung, aufgrund eines tollen Sets mit wirklich originellen Kompositionen, die man nicht schon gehört hat und bei denen auch kaum ein Song dem anderen gleicht. Ein schönes elektronisches Gewaber, das den Raum erfüllte.

Der absolute Stunner war die makellose Performance der Villagers, weit besser als erwartet, weil es die Jungs tatsächlich schafften, die fragile Stimme von Sänger Conor O’Brien instrumentell kraftvoll einzubetten, ohne dass sie im vollen vielschichtigen Sound erstickte. Intensiv und losgelöst mit immer wieder leisen Zwischentönenein Live-Must-See!

puggy eurovox 13 florent giffardLetztlich gaben auch Puggy eine der besten Live Shows. Ein Trio, dessen Sänger zwischen soft und rau viel zu bieten hat und damit richtig guten Feelgood-RockPop liefert. So sahen es auch die Fans: Es ging ab wie Rakete und zum Hit „When you know“ hat die Halle gegrölt. Während man das letzte Studioalbum „To Win The World“ vielleicht schnell wieder beiseite legen möchte, weil es ihm an Tiefe fehlt, waren die Jungs auf der Bühne hingegen klasse. Da stand kein Bein mehr still, ob man nun Pop mag oder nicht – das hatte richtig Wumms und machte einfach Laune! Choreinlangen mit dem Publikum, dicke Jungle Drums, tolle Übergänge und eine Band, die zwischen den Instrumenten wild hin und her wechselt – in Frankreich schon lange keine Live-Geheimtipp mehr.

Die sicherste Bank und das dickste Brett lieferte natürlich Amon Tobin, für viele außer Frage! Wie immer ein Garant zum Steilgehen.

air jean benoit dunckel tomorrows world eurovox 13Dann gab es noch einen sich selbst feiernden, verrucht klingenden Benjamin Biolay – im Leben womöglich ein Rebell, auf der Bühne leider zum Gähnen – und die ebenso enttäuschende Performance von Tomorrow’s World, dem noch jungen Projekt von AIR-Hälfte Jean-Benoit Dunckel (rechts) und New Young Pony Club-Frontfrau Lou Hayter, die live einfach überhaupt nicht zündete und einen regungslos zurückließ (was tatsächlich auch an den Songs selbst liegen mag). Im Interview ließen die beiden jedoch verlauten, dass man sich in einem Experiment befinde und nicht wisse, wohin die Reise geht, sodass das nächste Album durchaus mehr Uptempo Songs beinhalten könnte. Der Vibe zwischen beiden stimmt jedenfalls, das hat man gemerkt, die ersten Songs für LP Nummer zwei sollen schon im Kasten sein!

Ärgerlich war, dass man nach einem wirklich gelungenen Auftakt am Donnerstag, schon ab Freitag mit seinem Timetable nicht mehr up to date war. So kam es, dass ich den für mich aus deutscher Sicht wichtigsten Act Sizarr verpasste (not amused), die am Donnerstag nicht spielten, dafür Freitag reingeschoben wurden – who knew? Viele der internationalen Medienvertreter jedenfalls nicht! Samstag hatten dann schon früh am Abend so ziemlich alle Acts 30 Minuten Verspätung. Bis das zu uns Besuchern durchdrang, dauerte es allerdings auf dem doch beschaulichen Festival auch eine Weile.

Schade waren überdies auch die Absagen von Jape (Mutter erkrankt) und MMOTHS (Drummer erlitt Knöchelbruch), beide für den Guest of Honor Irland am Start.

animation slacklining eurovox13 florent giffardWas gab es sonst noch?
Neben größtenteils guter Musik natürlich ein Rahmenprogramm, von Slacklining bis zur Kinder-Animation am Nachmittag. Auch Radio France und Radio Campus waren vor Ort mit mehreren Gesprächsrunden und Live-Broadcasts von Künstlern. Dies fand Freitag noch um die am Polydôme angeschlossene grüne Wiese statt, um welche sich auch die Merch- und Food-Stände aufreihten und in dessen Mitte ein größeres Schankzelt stand. Hätte man nicht so arg kühles und regnerisches Wetter gehabt, ließe es sich dort sogar entspannt ausharren und es entstünde mehr Festivalfeeling und Flair. But well, shit happens!

eurovox13 flair coop de mai florent giffard

Insgesamt ist es eine erlesene Konzertreihe, mit gutem Essen und wenig Sauereien. Das Festivaltreiben zumindest verbleibt vorhersehbar und geht gemächlich von Statten. Paradiesvögel gab es nicht zu sehen und darüber hinaus waren viele der Festivalgänger von älterem Kaliber – cool!
Das Europavox bietet vielleicht etwas weniger Gaudi, wie man es von Outdoor Festivals kennt, aber stattdessen musikalische Neuheiten aus ganz Europa. Wem es also auf die Musik ankam, wer Lust auf neue musikalische Entdeckungen hatte und experimentierfreudige Ohren mitbrachte, fand auf diesem Festival definitiv seinen Spaß. Es ist eine Reise, ein Inselhopping europäischer Musikstile und -einflüsse unter technisch einwandfreien Bedingungen in einer malerischen Kleinstadt, ganz unter dem Motto: new music to the people!

Mein Fazit: Ich fahr wieder hin!

[Foto Credit: Florent Giffard]

3 Kommentare zu “Europavox 2013 – Die Auvergne als Melting Pot europäischer Newcomer”

  1. Nummer 1: Europavox 2013 Teil II – ein journalistisches Gipfeltreffen sagt:

    […] Was die Meetings, der Austausch und das ein oder andere Gespräch so ergaben, folgt nun in Teil II des Festivalberichts. Zum Teil I bitte hier entlang. […]

  2. Nummer 2: Europavox 2014 mit frischem Wind aus der europäischen Musikszene sagt:

    […] Anne vor Ort. Sie hat ihre Eindrücke vom Europavox 2013 in zwei Festivalberichten geschildert (Teil I und Teil II). Eventuell ist auch in diesem Jahr wieder einer unserer Reporter in Clermont-Ferrand […]

  3. Nummer 3: So war das EUROPAVOX 2014 – Multikulti in Frankreich sagt:

    […] wissen will, wie das Europavox im letzten Jahr war, kann das hier in den Berichten 1 und Bericht […]

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