Es kam der erste Vollmond im August und mit ihm das M’era Luna, das dieses Jahr zum 11. Mal mit hochkarätigem Line-Up über 20000 schwarz gekleidete Besucher auf das Flugplatzgelände in Hildesheim lockte…
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Auf dem weiträumigen Gelände warten eine große Außenbühne und eine kleinere im überdachten Hangar auf Besucher, weiterhin ein Mittelalterdorf mit für Festivalverhältnisse wirklich überragendem Essensangebot und eine Shoppingmeile mit allem, was das Festivalherz so begehren könnte.
Lobend zu erwähnen sind ebenfalls der günstige Getränkemarkt bei den Zeltplätzen, über die – weil im Preis inbegriffen – auch Nicht-Zelter spazieren können, um Bekannte zu besuchen oder zu schauen, was einem so entgeht, wenn man Komfort vor Atmosphäre gewählt hat. Ebenfalls gut gemacht sind der Grillplatz, die vielen gemütlichen Sitzgelegenheiten (oft sogar überdacht), die man auf den meisten Festivals so schmerzlich vermisst und der Rollipodest vor der großen Bühne. Auch schön: Fashion Shows in der Hangar-Disco und ein Fashion-Zelt mit Designerstücken sowie ausreichend Möglichkeit, diese anzuprobieren.
Geradezu begeisternd: Der Handy-Ladeservice am Bühnengelände-Infopoint! Die Umbaupausen sind erfreulich kurz und die Konzerte auf den zwei Bühnen zeitversetzt mit leichten Überlappungen. Kurz: Alles da, um ein entspanntes Wohlfühl-Festival zu schaffen. Los ging es bereits am Freitag mit Lesungen von Christian von Aster, Markus Heitz und Christoph Hardebusch und – Warm up – Party, auf der man möglichst nicht versumpfen sollte, denn das M’era Luna ist mit seinem Programmbeginn um 11 Uhr eher ein Festival für Frühaufsteher oder alle, die morgens nicht so lange zum fertig machen brauchen.
Samstag beim M’era Luna 2011
Als wir gegen Samstag Mittag – nach dem üblichen netten Stau auf der großartigen A2 – ankamen, hatten einige Bands die entschlosseneren Besuchern bereits gut begleitet. Die Bändchenabholung erfolgte für uns auf die für dieses Festival übliche unkomplizierte Weise und während unserer einen Hälfte schon durch Freunde ein fertig aufgebautes Zelt zur Verfügung stand und sie sich nun zum Bühnengelände begab, um Blind Passenger (ohne hinteres ’s‘, da Nik Page nunmehr ohne die alten Weggefährten unterwegs) und Qntal anzuschauen, bezog die andere fix ihr Hotel.
Unter dunklen Wolken trafen wir uns wieder an der Hauptbühne zu Mesh, die ein Set spielten, das unserer Meinung nach (wie immer) mehr akkustische als optische Reize bot. Ergo nutzten wir sie als nette Hintergrundkulisse, um mit einem Getränk in der Hand den Platz zu inspizieren und schlenderten dann in den Hangar zu Nachtmahr, einem Projekt des L’ame Immortelle Mitglieds Thomas Rainer, das die Halle so füllte, dass zwischendurch die ersten Einlassstopps getroffen werden mussten. Der Industrial-Techno mit jeder Menge Militärsymbolik kam beim versammelten Punblikum gut an, weckte in uns trotz seiner unpolitischen Ausrichtung jedoch unangenehme Assoziationen, so dass wir unsere Plätze nach den ersten Stücken für andere frei machten und den Festivaltag draußen weiter genossen.
An der Hauptbühne wurden gerade die letzten Vorbereitungen für den Auftritt der Metaller Equilibrium getroffen, die dann kurz darauf auch ordentlich loslegten, das Publikum mit Ansagen wie „Wollt ihr Krieg?“ oder „Wo sind die Bierkrüge?“ anfeuerten und zum Springen, moshen und Walls of Death anregten. Als Dank gab es jede Menge Applaus, wehende Fahnen und Pommesgabel-Hände in der Luft. Im Hangar folgte anschließend Gute-Laune-EBM mit Funker Vogt – es war laut, voll (zwischenzeitliche Einlassstopps auch hier) und es machte einfach Spaß. Auch Sänger Gerrit freute sich über die versammelte Begeisterung („Schön, dass ihr hier seid – und nicht da…!“) und entließ bei Gig-Ende eine frohgemute Menge ins „da“, wo Blutengel auf der Hauptbühne bereits mitten in ihrer Show angekommen waren. Auf selbiger Bühne haben sich die leicht bekleideten Tänzerinnen gerade weiter auszogen und mit Kunstblut besudelt, um eine homoerotische Performance hinzulegen, bei der sich die bösen Stimmen in unseren Köpfen die Frage stellten, ob man damit möglicherweise von der wenig überzeugenden Gesangsqualität Chris Pohls ablenken wollte. Fakt ist: Man kann es mögen, muss man aber nicht. Die vielen vor der Bühne versammelten Gäste konnten offenbar, wir zogen allerdings ins Mittelalterdorf und erlebten den Auftritt aus der Ferne bei vorzüglich Speys und Trank.
Danach wurde es im Hangar wieder krachig, da hier Leæther Strip-Energiebündel Claus Larsen den ersten Auftritt mit seinem Projekt Klutæ hatte, der von einer eher kleineren, aber begeisterten Fangemeinde bejubelt wurde. Apocalyptica als nächste Mainstage-Combo bewiesen, dass auch nach den vielen Jahren ihres Bestehens das Konzept Metal mit drei Celli (waren das früher nicht mal vier?) erstaunlich erfrischend sein kann. Begleitet wurde das Konzert von einer begeisterten Menge, die sich von der Musik, den Anblicken der zunehmend leichter bekleideten Band und den netten Lichteffekten mitreißen ließ, welche bei „Bring them all to light“ sogar Konkurrenz von der dann doch noch mal über dem Flugplatz auftauchenden Sonne bekamen.
Im Hangar ging es nun lustig lärmig weiter; Atari Teenage Riot verwandelten die Halle – nach einem eher verhalten aufgenommenen Beginn mit neueren Stücken – bei den alten Sachen in einen moshenden Mob, der inmitten von Licht und Geräuschen tobte. Vor der Hauptbühne versammelte sich derweil die große Anhängerschar von ASP, der auch diesmal wieder eine effektvolle Show im Programm hatte: Unter aufgehenden Vollmond hatte er mit Feuereffekten, Lichteinsatz und Charisma das Publikum vollständig im Griff und wurde mit Wunderkerzen, viel Mitsingen und Applaus belohnt. Letzter Hangar-Künstler des Abends war Patrick Wolf, der vor einem höchstens halb gefüllten Saal (Waren alle schon draußen gute Plätze für den Headliner sichern? Oder konzertmüde? Oder einfach desinteressiert? Keine Ahnung.) ein Konzert gab, welches uns Ausharrenden vollständig mitriss. Wir sahen und hörten den sympathischen, multitalentierten Londoner singen, geigen, keyboarden und gitarren, ansagen, begleitet von einer nicht minder überzeugenden Band und verpassten mit Freude noch ein wenig mehr vom Hauptact für eine Zugabe.
Dann draußen Within Temptation als Kontrastprogramm. Wer hätte gedacht, dass man in 30 Minuten Umbauzeit etwas derart pompöses auf die Beine stellen kann? Die kraftvolle, perfekt anmutende Show fand auf mehreren Bühnenebenen statt, untermalt von beeindruckend synchronisierten Lichteffekten, Feuerelementen und passenden athmosphärischen Bildern auf einer Riesen-Leinwand. Und obwohl oder gerade weil alles so perfekt war, hatten wir den Eindruck, dass bei einem derartigen Professionalisierungsgrad trotz netter Ansagen die Spontanität ein wenig auf der Strecke bleibt und daher der Funke nicht so recht überspringen konnte. Trotzdem eine tolle Show für Augen und Ohren sowie der würdige Abschluss eines schönen Tages.
Natürlich nur auf der Bühne, denn es gab ja noch die After-Show-Party in der Hangar-Disco. Diese fand allerdings unter den Fittichen des Flugplatzbetreibers statt, was zu extra Eintritt und in der Vergangenheit zu – in Bezug auf Gothic-Festivals – merkwürdigen Maßnahmen wie kein Einlass mit Nietenhals- oder armband führte (obwohl letzteres aus sicherheitstechnischen Gründen durchaus verständlich ist). Verwunderlich! Daher – wie auch schon nach dem M’era Luna 2010 – an dieser Stelle unser Appell an die Veranstalter, zusätzliche Kosten für Disco-Abende im Vorfeld auszuweisen. Hätte den enormen Vorteil, dass die Gäste an der Zusatzkasse nicht missmutig reagieren. Wir beschlossen, den Abend gemütlich auf dem Zeltplatz ausklingen zu lassen… natürlich nicht zu lange, denn der nächste Festivaltag begann ja schon wieder um 11 Uhr morgens.
Sonntag beim M’era Luna 2011
Der Sonntag begann mit Regen und der Erkenntnis, dass 11 Uhr einfach nicht mit unserem Festivalrhythmus vereinbar ist, und so konnten wir den verpassten Bands des Vortags noch folgende hinzufügen: Pakt, Formalin, The Beauty of Gemina, Mirrors und Coma Divine, die am großzügig definierten Vormittag die Frühaufsteher und Schnellgestylten erfreuten. Wir kamen in den schon gut gefüllten Hangar zu A Life Divided, die sich auch sichtlich über die versammelte, begeisterungsfähige Menge freuten und eine frische, hungrige Show lieferten. Wir würden uns wundern, wenn von dieser Band in nächster Zeit nicht noch einiges zu hören wäre.
Coppelius versetzten die Mainstage-Besucher unter ihrem Dach aus Regenschirmen mit ihren antiken Kostümen und Accessoires, der Schminke, Klarinetten, Kontrabass, Cello, Klavier und Gesang in eine Theateratmosphäre und hätten den Beifall des Publikums bestimmt auch ohne die „Applaus“-Schilder bekommen. Im Hangar füllte Teufel danach die Bühne mit der Vorstellung seines Solo-Albums und den Raum mit Menschen, die sich vom Dudelsack-Industrial-Rock mitreißen ließen. Der ideale musikalische Rahmen für jede Hexenverbrennung… – …fanden wir und gingen hinaus, um welche zu suchen. Der Weg führte ins Mittelalterdorf, wo Gaukler sich mit Tribunalen, Cultus Ferox sowie einem Wett-Hauen mit Strohsäcken auf einem Holzbalken abwechselten und die gebotene Unterhaltung und gemütliche Atmosphäre einen fast vergessen ließen, dass es nebenan noch so viele tolle Bands zu sehen gab. Also zurück zum Platz.
Der Regen hatte inzwischen die Wiese in ein schlammiges Etwas verwandelt, auf dem Asphalt ein paar informelle Seen gebildet und die Stände lockten in ihren Auslagen mit Regencapes und Gummistiefeln. Zum Glück war die nächste Band Mono Inc., bei der es nach eigenen Aussagen immer aufhört zu regnen. Klappte auch wunderbar, nur leider litt der Ton der großen Bühne am Sonntag den ganzen Tag unter dem Wind, was zu seltsamen Leier-Effekten fürte, wenn man zu weit weg stand. Mit ihren eingängigen Stücken, dem besseren Wetter und dem Versprechen, dass die Zuschauer alle ins Mono Inc. Fernsehen kommen (vor Ort gedreht: Mono Inc. TV, Folge 105), schaffte es die Band schnell, vor der Bühne für gute Laune zu sorgen.
Des Cutters Weg führte ihn hiernach in Richtung Hangar zu den EBM-Alteiern Tyske Ludder, während meinereins sich am Promotionstand einer Zigarettenmarke vergnügte, wo man als Festival-Andenken sein neues Gratisfeuerzeug gleich gravieren lassen oder mal selbst der Star in einem vor Ort gedrehten Filmchen sein konnte. An der Mainstage traf man sich wieder, auf der inzwischen End of Green die Metallerherzen mit druckvollen Sounds erfreuten und die einen oder anderen Haare wurden geschüttelt (nicht gerührt). Geschüttelt (nicht gerührt) wurden die Zuschauer auch im Hangar, wo Tying Tiffany energiegeladen über die Bühne fegte und dem etwa halbvollen Saal ihren Indie-Rock mit Elektro vor die Füße rotzte.
Anschließend stand Genosse Teufelchen zum zweiten Mal an diesem Tag auf der Bühne, nun allerdings mit Tanzwut auf der großen und machte mit seiner soliden Show und den animierenden Ansagen den Eindruck dort zu Hause zu sein. Im Hangar ging es derweil munter mit Gothmetal weiter; dort gehörten Bühne und Applaus des Publikums den großartigen Gothministern, und wer vor Tiamat noch einmal an die frische Luft wollte, bereute das möglicherweise später, denn kurz nach Beginn war dort leider kein Reinkommen mehr möglich.
Auf der Hauptbühne waren Project Pitchfork an der Reihe, überraschten die Zuschauer mit einem Duett mit Steve Naghavi (And One) bei „Timekiller“ und spielten einen sehr gelungenen Mix aus Alt und Neu. Sänger Peter Spilles war sichtlich gut gelaunt, was scheinbar einige Gäste wohl nicht nachvollziehen konnten und anfingen zu pfeifen, als er an einer Stelle nicht weitersingen konnte, weil er lachen musste. Wir fanden dies durchaus sympathisch, stellen uns aber trotzdem die Frage, ob hinter der Bühne Lachgas verteilt wurde, weil Ronan Harris, der mit VNV Nation und seiner unerschöpflichen Energie anschließend die Massen mitriss, auch größtenteils grinste wie ein Honigkuchenpferd.
Mit einem Geigensolo begann im Hangar schließlich die letzte Band des Tages, My Dying Bride, die Besucher erfolgreich mit Doom Metal zu umhüllen, und die große Bühne wurde für Hurts vorbereitet, die an diesem Tag das Abschlusskonzert gaben. Hier herrschte eher Understatement: Vor einem Bandbanner und 5 kleineren Lichtelementen spielten die erfolgreichen Newcomer mit Streicherquartett und zwei Tänzerinnen das Publikum in Kuschelstimmung und bewiesen, dass ein gutes Konzert nicht unbedingt Pomp erfordert. Ein sehr schöner Abschluss für ein Festival, das uns durch die entspannte Atmosphäre trotz Menschenmassen einmal mehr überrascht hat. Da lässt sich auch verschmerzen, dass es im Hangar (fast) immer einen Tick zu laut war und die Bühnengelände-Dixies einen wünschen ließen, man wäre noch im Windelalter, zumal es 1. Gehörschutz zu kaufen und 2. definitiv ausreichend saubere WCs neben den Zeltplätzen gab.
Organisatorisch gab es aus unserer Sicht nichts zu bemängeln, das Personal war nett und hilfsbereit, das Line-Up bot von allen bisherigen diesjährigen Gothic-Veranstaltungen die beste Musikmischung und das bescheidene Wetter war dem Veranstalter nun wirklich nicht anzulasten, zumal das Festival prinzipiell im eigentlich sonnenbescheinten Ausgust stattfindet. Wir schließen uns der Sängerin von Within Temptation an, freuen uns über ein einzigartiges Festival, sagen „Keep the spirit!“ und bis nächstes Jahr…
die Nuss & der Cutter
weitere Bilder in unserer Galerie vom M’era Luna 2011
Das 14. M’era Luna wird vom 11.-12. August 2012 in Hildesheim stattfinden, es gibt bereits eine limitierte Menge an Wildcards.
17. August 2011 um 13:55
Auch dieses Jahr war das Festival wieder super. Gibt auch schon erste Eindrücke von Leuten direkt vor Ort
http://www.youtube.com/watch?v=4zKqxJW06PA
23. August 2011 um 09:02
[…] M’era Luna 2011 ist Geschichte -Festivalhopper Cutter und die Nuss berichteten- und schon jetzt gibt es günstige Mera Luna Wildcards für […]