Der so oft zitierte „Härteste Acker Deutschlands„ bereitete seinem Namen mal wieder alle Ehre, sowohl musikalisch wie auch meterologisch. Alter Schwede! Wo die 25.000 Mosh-wütigen im vergangen Jahr noch ununterbrochen von der Sonne gegerbt wurden und in der Pit kubikmeterweise Staub fressen mussten, wehte dieses Jahr der Wind von einer anderen Seite. Nämlich mit steifer Prise direkt von Westen & gepaart mit Sprühregen direkt in die Fresse. Die Konsequenzen: Baden im nahe gelegenen Baggersee – fällt aus! Halbnackten Frauen hinterhersteigen – fällt aus! Nach dem fünften Bier dank Sonnenstich komatös im Vorzelt rumliegen – fällt aus! Und, und, und… Wat woll man da noch auf WFF??? Richtig: Die Mucke machts!!! Ein absolut sehenswertes Lineup & die scheinbar durch nichts klein zu kriegende Crowd sorgten trotz Schietwetter dafür, dass das typische Force-Feeling in keinem Moment abzuebben drohte.
Tag 1 – Freitag, der 01.07.2011
Als wir am frühen Nachmittag auf der größten Altlastenfläche des Freistaates Sachsen eintrafen, schien die Welt noch in Ordnung zu sein. Laut Security war die Camping Area kurz davor, aus allen Nähten zu platzen. Es waren angenehme 20°C, am Himmel konnten kleinere Wolkenfelder ausgemacht werden, überall verstoffwechselten die tuckernden Generatoren literweise Zweitaktgemisch und aus jedem zweiten Pavillon schallte ein anderes Genre aggressiver Gitarrenmusik. Ein toller Einstieg! Schnell ein paar Bier reinknüppeln und ab zur Stage.
Kurzer Einwurf: Die meisten Festivalhopper sind ganz normale Festivalbesucher die völlig unkommerziell von den Shows berichten. Wir besuchen nicht mehr und nicht weniger Bands als ihr, trinken genauso viel und sehen uns fern von jeglicher Art der Berichterstattung wie sie in der gewöhnlichen Journaille dargeboten wird. Vielmehr geht es darum, Erlebnisse subjektiver Natur einzubringen & die Atmosphäre des Festivals zu vermitteln. Da kann es schonmal zu kleineren Fehlern kommen, falls eine Band doch kurzfristig abgesagt hat. Passiert! So, weiter im Programm.
Der Freitag-Nachmittag auf der Mainstage stand ganz im Zeichen des Metal. OMNIUM GATHERUM (FIN), EVILE (GB), DEADLOCK (GER) & DISBELIEF (GER) brachten am hellelichten Tag metallische Dunkelheit über das zahlreich erschienene Auditorium. Daran änderten auch der Deathcore der Scharfrichter um CARNIFEX (USA) & und die Trasher LEGION OF THE DAMNED (NL) am frühen Abend nichts.
Der Freitag in der Hardbowl begann sehr punkig. Den Auftakt lieferten TITLE FIGHT (USA) gefolgt von den gestandenen Oi-Veteranen KRAWALLBRÜDER (GER). Danach wurde die Hardcore-Walze angeworfen & auf die noch taufrische Meute vor der Stage losgelassen. Bei FIRST BLOOD (USA) hat sich mein Kollege mal schnell die Nase gebrochen, aber hey, der Mann ist hart und hat sich im Anschluss gleich der echt saumäßig abgehenden Crowd bei den „Stagedives-Highfives-Prolls“ um DEEZNUTS (AUS) hingegeben. Dazwischen gabs zur Abwechslung mal ne Runde gepflegten Mathcore von PROTEST THE HERO (CDN) auf Hammer & Amboss. Dass das WFF auch anders kann, zeigte sich bei THE GHOST INSIDE (USA). Die LA´ler waren verdammt kulant und drückten auf der Stage einem Fan das Mikro in die Hand auf das der augenblicklich seiner Freundin einen Heiratsantrag machte. Wohaaa, wenns da mal nicht dem einen oder anderen auf die Tränendrüse gedrückt hat. Glückwunsch noch mal von dieser Stelle an das bald frisch vermählte Pärchen.
Vor Sonnenuntergang hatte man dann die Wahl zwischen dem kreischenden rotzigen Punksound von THE CASUALTIES (USA) oder dem Vor-die-Mappe-Core von den Jungs von BRING METHE HORIZON (GB). Beides ging auf jeden Fall moshtechnisch verdammt steil und die ersten mussten Tribut an diesem Abend zollen. Für alle die noch nicht genug hatten, stand noch mal die in meinen Augen verdammt schwere Entscheidung zwischen der Skatepunk-Legende und NY-Hardcore-Opas schlechthin an. Die „alten Schweden“ von MILLENCOLIN (S) oder die absolute Festivalburner AGNOSTIC FRONT (USA). Beide Combos haben mal wieder einmal mehr bewiesen, dass Sie noch längst nicht zum alten Eisen gehören und haben dem WFF und seinen Besuchern mal wieder richtig eingeheizt. MILLENCOLIN konnte komplett dadurch überzeugen, dass sie ihr ganzes Repertoire an Hits die wir alle auch durch diverse Skateboard-Games kennen abfeuerten. Die AF-Frontsau Roger Miret lieferte zeitgleich mit seinen Bandkollegen eine richtig heiße & brachiale Show. Die Meute hatte richtig gute Laune und so war es einfach nur klar, dass bei „Gotta Go“ im Pogo massig Arme und Beine flogen. Vor der ebenfalls legendären Knüppelnacht, wo u.a. feinster Grindcore und schwärzester Black Metal gezockt wurde, konnte man sich noch die Waliser Jungs von BULLET FOR MY VALENTINE (GB) reinziehen. Wie zu erwarten war auch hier die Stimmung einfach nur 1A.
Tag 2 – Samstag, 02.07.2011
Wie bereits angekündigt, fing jetzt am Samstag das Wetter an richtig Scheiße zu werden. Und es kam so wie es kommen musste. Sonja kapitulierte & Niesel, Regen und Windböen dominierten die untere Troposphäre in der Dübener Heide. Auch wenn Zelte und Pavillons wegflogen & unter Wasser gesetzt wurden, hat das Force fett gebounct und so weiter gemacht, wie es am Freitag aufhörte. Den Anfang machte die Sludge/Stoner Rock Combo KYLESA (USA). Die Jungs & das Mädel hatten dann die ehrenvolle Aufgabe, die Crowd erstmal ein wenig aufzuwärmen. Aber es kamen mehr und mehr Hartgesottene an die Metaltränke um ihren Durst zu stillen.
Im Anschluss zockten die Israelis um BETZEFER , THE BLACK DAHLIA MURDER (USA), ENTOMBED (S) & die Kölner Nachwuchs-Schreihälse CALLEJON (GER) vor der stetig wachsenden Crowd in Front of the Mainstage. Brechevoll wurde es im Anschluss als TERROR (USA) aufspielten. Zu recht, wie man mal wieder feststellen musste. Eine verdammt geile Live-Performace & die unbändige Energie von Scott Vogel ließ den Regen in einer Hitzewelle bereits 10 m über der Crowd wieder in den gasförmigen Aggregatzustand übergehen – „Always the hard way“ eben.
Die Tentstage füllte sich im Laufe des Nachmittags immer mehr, was wohl nicht auschließlich den sehenswerten Acts zu verdanken ist. 50 LIONS (Aus), EMIL BULLS (GER) und die SXE-Pioniere von EARTH CRISIS (USA) sind allesamt durchweg empfehlenswert & absolute Mosh-Garanten. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen – dieses Motto rief DIE KASSIERER (GER) auf den Plan, wobei die Kollegen um das Untier Wölfi wieder mal ganz klar Stellung dazu bezogen: „Arbeit ist scheiße“!!! Ach, die Wattenscheider Alt-Punker gehören einfach aufs Force genauso wie billiges Büchsenbier. Nach dem Fun-Intermezzo wurde es dann aber Bitter-Ernst. BLOOD FOR BLOOD (USA). Ohne Worte, einfach nur beiden Daumen hoch und Steve-O- like grinsen!!!
Der Samstagabend wurde auf der Hauptbühne von CAVALERA CONSIPRACY (BR) und HATEBREED (USA) würdig beendet. Meine Fresse – das ging richtig nach vorn. Die reunitete Cavalera-Sippschaft scheint offenbar bis ans Ende ihrer Tage einfach nur ungebändigte Energie auf die Bretter zu bringen. Gespielt wurde eine abwechslungsreiche Mischung aus Gedresche und Gedresche, aktueller Stuff vom Album „Blunt Force Trauma“ und die guten alten Schinken á la „Roots“. Nun waren auch die letzten Metalheadz genug aufgewärmt für das folgende Musikungetüm. Die Metalcore-Genre-Mitbegründer von HATEBREED um Szenegröße Jamey Jasta hauten wie zu erwarten richtig in die Saiten. So muss sich Metalcore anhören und vor allem anfühlen. Die Aggression dieser Band, die aber primär auf den inhaltlichen Kontext der Texte bezogen ist, hatte den MoshPit vollends erfasst.
Nach dem HATEBREED-Gig startete dann das obligatorische Samstag-Nacht-Feuerwerk, welches dem regenverhangenem Himmel ein wenig Ästhetik abtrotzte. Die Crowd quittierte dieses mit lauthalser Anfeuerung und frenetischem Jubel. In der Hardbowl konnte im Anschluss weiter der Lust an harter Musik gefrönt werden. Von KNORKATOR (GER) über PETER PAN SPEEDROCK (NL) und MADSIN (GER) bis CANCERBATS (NL) war für jeden noch mal was dabei. Die Stimmung war bombig, was nicht zuletzt daran lag, dass die Massen dicht an dicht ins Zelt aka Arche rückten, um der drohenden Sintflut zu entgehen. Leider hatte dieses Jahr MAMBO KURT ausschließlich im VIP-Zelt gezockt und wurde dem Ortonormalobesucher vorenthalten. Ich darf aber eins verkünden, auch dieses Jahr war er super bombig drauf und hat eine Mordssession auf der Heimorgel und diversen anderen Gerätschaften hingelegt. Im Namen meines Kollegen Thomas: „Mambo wenn du das hier liest: Danke nochmal das ich direkt an deiner Orgel pitten durfte.“
Tag 3 -Sonntag, 03.07.2011
Nach einer heftigen und kurzen Nacht erfolgte die Feststellung, dass das Wetter ein Arschloch ist. Man sah es den Fans unverblümt an: Null Bock, sich weiterhin dem atmosphärischen Natursekt hinzugeben und schon gar nicht noch länger mit beiden Beinen in dunkelbrauner Pampe zu stehen. Es war zu viel des Guten! Als die regionale Kultband MANOS (GER) sich anschickte, mit ihrer komplett abgedrehten Bühnenshow die Crowd nocheinmal in die WFF-Extase zurückzuholen, waren von den sonst üblichen Massen vor der Stage nur noch ein kümmerlicher Haufen übriggeblieben. Trotz zunehmender Lücken auf der Camping Area und fortschreitender Abreisewelle belagerten dann doch zunehmend Hartgesottene das Bühnenareal, wohlwissend, dass es noch einiges an richtig guten Acts wegzumoschen galt. In der Hardbowl gab es mal wieder feinste Musik des Core-Genres auf die Mütze. Aber was für eine Mütze das war. MORE THAN A THOUSAND (P), die Thüringer um CRACKDOWN (GER) und YOUR DEMISE (GB) haben akustisch ordentlich in die Fresse gehauen. THE ADOLESCENTS (USA), die absolute Szenegröße des Punk-Scream-Genres die so viel bewegt haben, mussten vor einem quantitativ echt bescheidenen Publikum ihr Bestes geben. Gleichwohl die Band aus Kalifornien einfach nur im Vollgasmodus verhaarte und Bock machte auf ein den krönenden Force-Ausstand am Abend.
Auf dem Gelände der Hauptbühne geschah am Abend dann das Unerwartete. Die letzten Kräfte wurden mobilisiert und die sichtlich ausgemergelten Massen kamen aus den letzten Löchern um United dem Wettergott nochmal den gestreckten Mittelfinger ins Gesicht zu schieben. Kein Wunder, denn mit ILL NINO (USA), PARKWAY DRIVE (AUS) & KREATOR (GER) wurden vom Veranstalter nochmal richtig dicke Geschütze aufgefahren, um die Verbliebenen an der Front zu halten. Cristian Machado, der brasilianische Sänger von ILL NINO, thematisierte immer wieder das Scheißwetter und lobte die Crowd für deren Durchhaltevermögen & gute Laune. Die für uns letzte Band dieses Festivals in Form von PARKWAY DRIVE mit einer Mischung aus Speed-, Melodic-, Scream- und Breakdown-Parts war einfach nur geil und trotz des Verpasssens von MADBALL (USA) und VOLBEAT (DK) ein toller Abschluss dieses sehr durchwachsenen Festivals.
Nun gilt es die Wunden zu lecken und sich seelisch und moralisch auf das kommende Jahr vorzubereiten! Dann natürlich wieder mit halbnackten Frauen, Bade-Sessions und ordentlich Kreislaufkoller dank ungehemmtem Alkoholkonsums und Sonjas Segen.
HAUT REIN & BLEIBT GESUND. CYA @ FULL FORCE 2012!!!
Wie im letzten Jahr auch schon, freuen wir uns auf eure besten Full Force Erlebnisse 2011, Eindrücke und Meinungen zum „Härtesten Acker Deutschland“ – in den Kommentar ist Platz.
4. Juli 2012 um 11:03
[…] einiger gravierender Zwischenfälle ein wundervolles With Full Force 2012 und im Gegensatz zum letzten Jahr wieder fast so wie man es gewohnt […]