Heute folgt also nun der ausführliche Bericht zum Berlin Festival 2010. Dabei sei eines vorweg gestellt: Trotz aller kleineren und größeren Probleme bzw. bösen Überraschungen, von denen wir euch schon kurz berichteten, war das Berlin Festival 2010 nicht so desaströs, wie man denken möchte. Im Gegenteil, es war zeitweise richtig genial. Zu den ganzen Vorkommnissen gibt es inzwischen auch eine umfangreiche Stellungnahme der Veranstalter, die ihr auf der Homepage des Berlin Festivals nachlesen könnt.
Aber kommen wir zum Wichtigen – dem Bericht, wie es unseren Festivalhoppern Steini und Teliko auf dem Berlin Festival 2010 ergangen ist. Fangen wir also einfach mal da an, wo alles begann und zwar am Freitag.
Bemerkenswert fing das Berlin Festival schon mit der Anreise an. Sicherlich mussten die Leute, die nicht gerade in Berlin wohnten, auch erstmal in die Stadt einreisen. Dort baute man jedoch nicht, wie sonst auf anderen Festivals, sein Zelt auf, sondern quartierte sich bei Freunden, in Hostels oder Ähnlichem ein.
Am Festivaltag selber ging es dann mit dem öffentlichen Nahverkehr auf zum Festivalgelände. So machte sich am Freitagnachmittag auch unser Festivalhopper Teliko mit der S- und U-Bahn auf den Weg zum Flughafen Tempelhof. Schon in der U-Bahnstation „Platz der Luftbrücke“ fielen dabei vereinzelt Kartensuchende auf, welche noch ein letztes Ticket ergattern wollten. Dies war natürlich kein Wunder, da das für ca. 20.000 Besucher ausgelegte Festival bereits im Vorfeld zum Großteil ausverkauft war.
Auf dem Vorplatz des ehemaligen Flughafens angekommen ging es dann nach erfolgreicher Anmeldung recht schnell auf das eigentliche Festivalgelände – kurz vor 16:00 wollten scheinbar noch nicht so viele Besucher auf das Festival.
Zu Beginn galt es sich dann natürlich erstmal einen Überblick über die Location zu verschaffen. Dabei fiel zum Ersten die große Empfangshalle auf, durch die die Besucherströme kanalisiert wurden und in welcher der Bändchenaustausch sowie die Taschenkontrolle durchgeführt wurde. Man konnte fast denken, man besteigt in wenigen Augenblicken ein Flugzeug und fliegt in den Urlaub. Anschließend ging es dann auf den beeindruckenden Außenbereich des Flughafengebäudes. Dort wo vor wenigen Jahren noch große Flugzeuge parkten, waren jetzt, die von anderen Festivals gewohnten, diversen Verkaufs- und Getränkestände aufgebaut. Zusätzlich fanden sich aber auch mehrere „Floors“ für die späteren DJ-Auftritte, Künstlerinstallationen, ein großer Kickerstand und als absolute Besonderheit sogar eine Garderobe.
All dies war, wie auch die Main Stage selber, unter einem riesigen Vordach untergebracht, was einem die Sicherheit gab ein weitgehend trockenes Festival zu erleben. Den Schutz des Vordaches musste man praktisch nur verlassen, um über den weiten Außenbereich zu den beiden Hangars zu gelangen. Zusätzlich sollte dieser im Laufe des Wochenendes noch viel Gelegenheit zum Sonnen bieten.
Auf dem Weg zu den Hangars gelangte man dann schließlich an eine Sicherheitsschleuse. Dort wurde an gerade einmal vier, fünf Eingängen und einem ca. 2m breiten Ausgang direkt daneben durch Security-Kräfte die Besucherzahl im Hangarbereich gezählt. Schon beim ersten Anblick dieser Schleusen kamen Bedenken auf, wie dort schnell genug der später zu erwartende Besucherstrom zwischen den einzelnen Bühnen hindurchgeführt werden sollte. Leider sollten sich die Bedenken im späteren Verlauf des Festival bestätigen, wie wir schon am Samstag berichteten.
Die Hangars selber boten dann einen Anblick, den man von anderen Flughafen-Festivals gewohnt war. An einer Seite befand sich die Bühne, während sich an den anderen Seiten weitere Getränkestände verteilten. Ebenso fand man die großen Stoffbahnen an den Wänden und Decke, um den Hall in einem derartigen Hangar zumindest etwas zu reduzieren. Damit war die erste Besichtigung des Geländes abgeschlossen.
Ein schneller Blick auf die Uhr nach diesem Rundgang offenbarte noch etwas Zeit bis zum ersten eingeplanten Konzert – also auf zur Popkomm. Das Branchentreffen der weltweiten Musik- und Entertainmentindustrie fand im Rahmen der Berlin Music Week ebenfalls auf dem Flughafen Tempelhof statt und hatte am Freitag noch bis ca. 19:00 auch für die Besucher des Berlin Festivals seine Pforten geöffnet. Dort präsentierten sich die unterschiedlichsten Label, aber vor allem auch Länder, um ihre Musik den Besuchern näher zu bringen. Erfreulicherweise taten sie dies durch eine große Anzahl an Promo-CDs, die die Tasche für den Rest des Abends deutlich schwerer gestalten sollten. Die Zeit reichte dann schlussendlich aber nicht, um die einzelnen Stände näher zu beleuchten, denn das erste Konzert stand endlich auf dem Programm.
Die Blood Red Shoes sollten den Konzertreigen für unsere Festivalhopper einleiten. Dies taten die beiden Engländer Laura-Mary Carter und Steven Ansell mit ihrem Britrock auf die beste Weise, die man sich wünschen kann. Obwohl sie zu zweit auf der Main Stage etwas verloren aussahen, wusste ihre Musik absolut zu überzeugen und die Besucher schon zu einem so frühen Zeitpunkt zu beeindrucken – der perfekte Beweis, dass ein Schlagzeug, eine Gitarre und zwei ambitionierte junge Musiker ausreichen, um tolle abwechslungsreiche Songs zu machen. Fraglich bleibt nur, warum das immer bekannter werdende Duo auch auf diesem Festival nur einen sehr frühen und recht kurzen Timeslot bekommen hat.
Anschließend spielte Adam Green auf der Main Stage. Der US-amerikanische Singer/Songwriter mit einer schon recht eingefleischten Fangemeinde stolperte, wie nicht anders gewohnt, recht unbeholfen über die Bühne. Er suchte schon nach dem zweiten Song den direkten Kontakt zum Publikum, in dem er von der Bühne in den Graben kletterte und dort den Security-Kräften einige Schweißperlen auf die Stirn trieb, die versuchten zu verhindern, dass seine Fans ihn ins Publikum ziehen. Absolutes Highlight dieses Konzerts war dann sicherlich als plötzlich Macaulay Culkin – bekannt vor allem als Kevin allein zu Haus – mit auf die Bühne kam und mit Adam Green im Duett „Wind of Change“ anstimmte. Ein anschließendes langes Crowd-Surfing durfte dann natürlich auch nicht fehlen.
Auf Grund der immer größer werdenden Überschneidungen gab es dann zwei kürzere Konzertbesuche bei der belgischen Elektro-Rock und Dance Punk Band Goose im Hangar 4 und beim LCD Soundsystem auf der Main Stage, die ebenfalls zwischen Dance und Punk angesiedelt sind. Beide Bands läuteten den deutlich elektronischeren weiteren Verlauf des Festivals ein, bei dem mehr und mehr Synthesizer und Turntables in den Vordergrund traten und Gitarren verschwanden.
Leider können wir euch an der Stelle auf Grund von einem zu dunklen Bühnenbild bei Goose bzw. Akkreditierungsproblemen beim LCD Soundsystem aber keine Bilder präsentieren. Bemerkenswert war auf jeden Fall, dass sich in diesem Zeitraum das Festivalgelände deutlich füllte und man erstmals erkennen konnte, dass das Festival wirklich ausverkauft war.
Auch im weiteren Verlauf des Abends blieb nur wenig Zeit auf einer Bühne zu verweilen. So ging es direkt wieder zurück in den Hangar 4, wo das Konzert der schwedischen Popsängerin Robyn anstand. Kaum auf der Bühne hatte die kleine Sängerin, deren zweiter Teil der Album-Trilogie Body Talk am selben Tag veröffentlicht wurde, das Publikum mit ihrem Tanz auf der Bühne angesteckt. Keine Minute Stillstand von ihr auf der Bühne und die ganze Zeit volle Power – wer lässt sich davon nicht mitreißen? Vor allem wenn auch schon zu Beginn des Konzerts absolute Klassiker angestimmt werden.
Nun stand aber schon das letzte Konzert auf der Main Stage auf dem Programm und zur Freude der Festivalhopper beinhaltet dies auch noch einmal handfesten britischen Indie-Rock. Die Editors um Frontmann Tom Smith hatten die Ehre, den Konzertabend im Outdoor-Bereich zu beenden, bevor es aus Lärmschutzgründen, wie inzwischen von den Veranstaltern auf deren Homepage bekannt gegeben, nur noch in den Hangars weiter ging.
Die vier Musiker, die durch Songs wie Papillon und Bullets bekannt geworden sind, wussten absolut zu überzeugen und stellten ihren guten Live-Ruf eindrucksvoll unter Beweis. Allen voran die Stimme von Tom Smith sorgte das ein oder andere Mal für Gänsehautfeeling.
Genau zum Ende der Editors eroberte dann auch endlich Festivalhopper Steini, der sich am Einlass geschlagene 2 Stunden mit dem Berliner Gästelistenphänomen konfrontiert sah, das Gelände. In dieser Zeit kam bei ihm zwischendurch die Frage auf, ob das Festival wohl mehr Gästelistenbesucher hatte oder mehr Besucher, die bezahlt haben. Auf jeden Fall waren die Bezahler schneller auf dem Gelände als die Pressevertreter und die unzähligen Gästelisteteilnehmer, die zum Teil endlose Diskussionen führten, weil sie keinerlei Ausweismöglichkeiten mit sich führten. Ein sicherlich ärgerlicher Umstand, von dem glücklicherweise alle anderen Festivalbesucher nicht betroffen waren.
Nach den Editors ging es dann erstmals zu zweit, wieder durch die bereits angesprochene Sicherheitsschleuse zum Hangar 4, zu Fever Ray. Da wir noch etwas zu früh dran waren, hatten wir sogar noch die Möglichkeit, den Rest des Sets von Bon Homme zu sehen bzw. zu hören. Neben den ganzen Bässen und Beats hatte der Kollege auch noch eine geniale Stimme sowie sichtlich Spaß auf der Bühne bzw. stehend auf seinem DJ-Pult, was wiederum sehr förderlich für die Stimmung war. Ein wenig mehr Lichtinstallationen hätten es sein können, aber die Bühnen von Hangar 4 und 5 waren da eh leider etwas leicht bestückt – sehr zum Leidwesen der Fotografen.
Eine Israelin, mit der wir ins Gespräch gekommen sind, fragte uns, warum es denn auf den Bühnen keine Videoleinwände gäbe, obwohl mehr als genug Kameramänner auf und vor der Bühne rumwuselten. Fanden wir ne gute Frage, auf die wir keine richtige Antwort finden konnten. Vielleicht eine schöne Verbesserungsidee für nächstes Jahr.
Fever Ray eröffnete ihren Auftritt mit einem ordentlichen wie Verdauungs förderndem Bass-Opening, welches einem fast die Speisen des Tages im Magen durcheinander wirbelte. Die Band erfreute sich eines sehr großen Fan-Kreises, inkl. der genannten Israelin. Dementsprechend war der Hangar 4 gut gefüllt und die Stimmung hervorragend. Herausstechend war, neben der gelungenen Kombination von Percussion, Electronic und Gesang, auf jeden Fall das Bühnenensemble vieler alter Stehlampen kombiniert mit viel Nebel. Diese zur Musik passende Lichtinstallation erzeugte eine einmalige Atmosphäre – so eine Art Chillout im Antiquitätenladen. Dazu noch der klare Gesang der Frontfrau – genial!
Leider muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass der Sound im Hangar 4 und 5 nicht der Beste war. Tontechnisch muss das Festival enorm nachlegen. Klar ist es schwierig, solche Hallen (viel Stahl) zu beschallen, aber viel laut hilft eben nicht immer, vor allem nicht im oberen Frequenzbereich – da sagen die Ohren schnell aua. Erst recht, wenn die Konzerte an vielen Stellen durch unschöne Feedbacks von der Bühne begleitetet werden. Das hat man definitiv schon besser erlebt.
Nach einer kurzen Umbaupause kamen dann Atari Teenage Riot, die es nach zehnjähriger Bühnenabstinenz mal wieder wissen wollten. Demzufolge gingen die Jungs ordentlich ab und waren in erster Linie LAUT. Dieses Potpourri verschiedenster Basssequenzen in Kombination mit, naja Gesang kann man das nicht unbedingt nennen, war auf jeden Fall eher was für Kenner und Liebhaber und ein krasser Gegensatz zur Musik von Fever Ray.
Während sich Steini fragte, was Slayer wohl von der Atari Teenage Riot Version ihres Kult-Songs „Angel of Death“ halten, verglich Teliko sie mit den Beastie Boys auf Speed. Egal, den Fans schien es zu gefallen.
Tja, und dann war auch schon nahezu Feierabend aus schon oft benannten sicherheitstechnischen Bedenken.
Deren Zustandekommen ist schnell zusammengefasst. Gegen 2:15 Uhr bewegte sich eine große Anzahl von Zuschauern Richtung Hangar 4, um die Headliner des Abends 2manydjs und Fat Boy Slim zu sehen. Die Masse an Menschen staute sich dann an der Schleuse zum Hangar, die durch die Security geschlossen wurde, weil es anscheinend schon zu voll im Hangar 4 war. Es kam also keiner mehr rein, aber auch keiner mehr raus. Der Druck auf den Menschenpulk vor der Schleuse erhöhte sich stetig mit der steigenden Anzahl derjenigen, die sich hinten anstellten. Und wie es in einer solchen Masse eben ist, gibt es immer wieder Idioten, die von hinten noch mehr drücken müssen, weil das ja schon immer zum Erfolg führte.
Die Security machte in dieser Situation kein gutes Bild, weil sie vor allem hilflos wirkte und durch unqualifizierte Bemerkungen die eh schon gereizte Stimmung noch anheizte. In der Zwischenzeit schienen sich Veranstalter und Polizei verständigt zu haben, dass es wohl besser wäre, die Veranstaltung für heute zu beenden.
Dies verkündete dann auch ein Polizist der Menschenmasse. Nur leider war er a) nicht wirklich stimmgewaltig und hatte b) kein Megafon dabei. Der Erfolg dieser Ansage war also gleich null. Um den Druck an der Schleuse zu entlasten – oder warum auch immer – öffnete die Security dann doch die Türen und die Zuschauer strömten in den Hangar 4, wo unmittelbar zuvor die 2manydjs nach gerade mal 10 Minuten Spielzeit aufgehört hatten und der Veranstalter nun etwas lauter verkündete, das der Abend aus sicherheitstechnischen Gründen abgebrochen wird und 2manydjs sowie Fat Boy Slim nicht mehr auftreten werden.
Was danach geschah könnt ihr euch sicher denken. Die Bühne füllte sich – begleitetet von einem Pfeifkonzert – in Windeseile mit Bechern und Plastikflaschen, so dass die Tontechniker einige Mühe hatten, unbeschadet die Technik abzubauen. Das allerdings irgendwelche Idioten volle 1,5l PET Flaschen auf die Bühne schmissen war genauso unnötig, wie das „Arsch-voran“ blankziehen zweier Typen auf der Bühne (wer das war können wir nicht sagen).
So nach und nach leerte sich dann aber auch der Hangar 4 und auch unsere Festivalhopper machten sich auf dem Heimweg, womit der Tag 1 endete.
Lest morgen, wie es unseren Festivalhoppern Steini und Teliko am Samstag auf dem Berlin Festival 2010 erging.
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