Für das letzte Wochenende im August schlüpfte Paris in eine neue Rolle: aus der Stadt der Liebe wurde vom 27. bis 29. August die Stadt der Musik. Möglich machte das die Kombination aus einem sehr gelungenen Lineup mit Acts wie Massive Attack, Blink 182, Arcade Fire, 2 Many DJ’s und einer traumhaften Festivallocation vor den Toren der französischen Hauptstadt.
Festivalhopper Lukas berichtet für euch aus Paris.
Rock en Seine – diesen Namen dürfte der ein oder andere schon gehört oder gelesen haben. Im letzten Sommer machte das Festival ungewollt Schlagzeilen durch den Streit von Liam und Noel Gallagher, welcher schlussendlich mit der Auflösung von Oasis endete (wir berichteten). Durch diesen unglücklichen Umstand erreichte man zweifelhafte Aufmerksamkeit rund um den Globus. Wie ein Stigmata haftete dieser Vorfall am Image des Festivals, bis man 2010 aus dessen Schatten treten sollte. Drei Tage lang glänzte das Festival mit tollen Acts und einer hervorragenden Organisation, wie ich sie in diesem Ausmaß bei noch keinem Festvial in Europa erlebt habe.
Nach der Anreise am Vortag und einer kleinen Sightseeing Tour ging es mit der Metro am frühen Nachmittag Richtung Festivalgelände, genauer gesagt nach Saint-Cloud im Süden von Paris. Trotz der prognostizierten 90.000 Besucher, welche sich über 3 Tage verteilten, war der kurze Marsch von der Metrostation zur Bandausgabe entspannt. Auch eine befürchtete Menschenschlange vor der Bandausgabe, wie man sie hierzulande nur zu gut kennt, blieb aus. Ein kurzes einscannen der Tickets und schon hatte man das begehrte Bändchen um das Handgelenk.
Am späteren Nachmittag begannen dann auch die ersten kleineren Bands auf den drei Bühnen zu spielen, welche man leicht untereinander erreichen konnte. Richtig los ging es auf der Grande Scène (Mainstage), als Kele die Bühne betrat. Der Bloc Party Sänger folgt dem Trend und wandert seit kurzem mit seinem Album „The Boxer“ auch auf Solopfaden. Gespannt lauschte das Publikum den Klängen seines 1. Albums und freute sich auch über den ein oder anderen Bloc Party Klassiker, den er anstimmte.
Auf der Scène de la Cascade (Secondstage) gaben sie währenddessen die Indierocker von Band of Horses die Ehre und präsentierten sich als würdiger Opener. Vor allem bekannte Songs wie „The Funeral“ lockten das Publikum aus der Reserve. Interessant auch die Tatsache, dass ein sehr breites Besucherspektrum vertreten war. Alter und Szenenzugehörigkeit spielen eine untergeordnete Rollen, die Leidenschaft zur Musik steht am Rock en Seine primär im Fokus.
Richtig voll wurde es bei Foals, kein Wunder nach ihrem letzten Album „Total Life Forever“ welches Kritiker einheitlich begeistert. Mit einer genialen Setlist versetzen die 5 Engländer das Publikum in Ekstase. Besonders Feeling kam dann bei ihrer neuen Single „Spanish Sahara“ auf. Zum melancholischen Song setzt ein Sommerregen ein, was der Stimmung nochmal einen besonderen Touch gab. Wow – dieser Auftritt war das erste große Highlight.
Kaum verließen Foals die Bühne, waren schon die nächsten Briten am Start. The Kooks spielten vor nicht weniger Fans, wenn auch die weiblichen diesmal in der Überzahl schienen. Sachlich betrachtet muss aber gesagt werden, dass der Auftritt kein wirkliches Highlight darstellte. Immerhin sind die Jungs jetzt schon den zweiten Festivalsommer mit dem 2008 erschienen Album „Konk“ unterwegs, was möglicherweise ihren nicht ganz so authentisch wirkenden Auftritt begründet. Auch neue Songs, welche präsentiert wurden, fanden nur mäßigen Anklang beim Publikum. Hoffen wir mal für The Kooks, dass sie sich nicht zu sehr auf etwas neues fixiert haben und sich wieder auf ihren Ursprung besinnen – sonst droht womöglich der Abstieg in die Bedeutungslosigkeit.
Wie vorhin schon geschrieben, ging es am ersten Tag gleich Schlag auf Schlag. Nach kurzer Pause kamen Black Rebel Motorcycle Club auf die Bühne, ihr erster Auftritt nach dem tragischen Todesfall innerhalb der Familie des Sängers. Mit dem markanten Riff ihres aktuellen Songs „Beat The Devils Tattoo“ und der dazugehörigen etwas düsteren Stimmung begann ihre Performance verheißungsvoll, was sich auf bis zum Schluss bleiben sollte. Ein wirklich genialer Auftritt, den man weiteresr Highlight des Rock en Seine 2010 sehen kann.
Auf der Grande Scène (Mainstage) wartet im Anschluss alles auf Blink 182. Im Zuge ihrer Europatournee machten sie auch am Rock en Seine halt. Wie sehr sie das Festival bereichert haben, darüber lässt sich streiten. Einigen waren vom Auftritt begeistert, andere -mich eingeschlossen- konnten damit relativ wenig anfangen. Blumpe Sprüchen und alte Songs, an denen ihre Popularität immer noch zehrt, sind eben nicht jedermanns Sache.
Auf der Scène de L’Industrie spielte dann Deadmau5 sein relativ kurzes Set von gut einer Stunde. Nichtsdestotrotz war dieser Auftritt gut, vor allem die Bühnenshow war perfekt insziniert. Ein überdimensionaler Würfel diente als Kulisse, das hätte man sich durchaus gerne etwas länger angesehen. Sei es wie es sei, c’est la vie. Somit ging der erste von insgesamt drei Festivaltagen zu Ende.
Noch beeindruckt vom Vortag ging es voller Vorfreude zum zweiten Tag am Rock en Seine. Die Grande Scène (Mainstage) eröffnete diesmal K’naan. Ja genau, dieser K’naan! Bekannt durch seinen WM-Hit „Wavin‘ Flag“ lockte er die Zuschauer an, welche folglich zu 99% auf besagten Song warteten. Auch wenn man es dem sympathischen Sänger nicht wünscht, drängt sich der Eindruck eines One-Hit-Wonder auf. Mit „Wavin‘ Flag“ hat er seinen Zenith wohl schon erreicht.
Die Scène de la Cascade (Secondstage) fieberte schon sehnlichst dem Auftritt von Two Door Cinema Club entgegen. Kein Wunder, an ihrem ersten Album „Tourist History“ kam man in den letzten Monaten nur schwer vorbei. Die Erwartungen waren also hoch und wurden auch nicht enttäuscht. Tanzbarer Indierock, diese Beschreibung trifft es wohl am besten. Welche Freude der Auftritt den Nordiren von Two Door Cinema Club machte, war ihnen anzusehen. Auch mit neuen Songs trafen sie ins Schwarze, man darf also auf ein zweites Album gespannt sein. Wenn es ansatzweise an das erste herank0mmt, dürfen wir uns freuen. Eine klasse Band, die es versteht die Botschaft ihrer Musik auch live zu übermitteln.
Im weiteren Verlauf stand die Performance von Jonsi auf dem Programm, seineszeichens eigentlich Frontmann der isländischen Band Sigur Ros, am Rock en Seine präsentierte er sich aber mit seinem Soloalbum „Go“. Das Publikum erahnte schon böses, als kurz vor dem geplanten Auftritt, der Tourmanager die Bühne betrat und in bescheidenem Englisch ankündigte, dass das Equipment durch einen Logistikfehler noch in Portugal war. Jonsi ließ sich davon aber nicht unterkriegen und spielte stattdessen ein Acoustic-Konzert. Wahnsinn, wie sehr ein einziger Mensch viele tausende so in den Bann ziehen kann wie Jonsi. Es gab keinen Pogo, keine tanzende Masse, und doch war dieser Auftritt genial. Die Stimmung zu beschreiben ist schwierig, ich habe dieses Flair bei einem Konzert nämlich noch nie erlebt. Jonsi, ein Vollblutmusiker durch und durch, das steht zweifelsohne fest.
Auf der Grande Scène (Mainstage) spielte kurze Zeit später Paolo Nutini mitsamt Band. Gute Laune verbreitete er vor allem mit Coversongs, wie etwa von MGMT, und natürlich seinem Song „New Shoes„. Gegen Ende seines Auftritts nahm die Menschenmasse deutlich zu. Kein Wunder, schließlich trug der nächste Act einen klangvollen Namen: Queens of the Stone Age. Josh Homme nahm sich trotz seiner vielen Nebenprojekte mal wieder Zeit und besinnte sich auf seinen Ursprung. Als besagter mitsamt aktueller Besetzung dann die Bühne betrat, gab es kein halten mehr. Es wurde gerockt was das Zeug hielt, und das bis zum Ende.
Auf der Scène de la Cascade (Secondstage) wartet man derweilen auf LCD Soundsystem. Nanu, was war denn da los? Nach einem sehr lustlosen und blasen Auftritt letztes Wochenende am FM4 Frequency 2010 (wir berichteten), zeigte sich James Murphy in Paris deutlich besser gelaunt was sich auch auf die Performance auswirkte.
Ein durchwegs guter Auftritt, der zum kollektiven Mittanzen einlud und ein guter Indikator für den bevorstehenden Auftritt des Duos von 2 Many DJ’s war. Vor einer brechend vollen Bühne feierten 2 Many DJ’s eine riesige Party. Die Kombination aus Musik und visuellen Effekten auf den riesigen Leinwänden war mehr als beeindruckend. Von Ermüdungserscheinungen keine Spur, das Publikum tanzte bis zum Schluss zu den elektrischen Klängen und ließ den zweiten von drei Tagen langsam ausklingen.
Das Lineup am letzten Tags knüpfte nahtlos an jenes der Vortage an. Einzig das Wetter machte ein wenig Kopfzerbrechen, was im späteren Verlauf des Tages noch für reichlich Probleme sorgen sollte.
Los ging es auf der Grande Scène (Mainstage) mit den Australiern von The Temper Trap. Viel kann man zu ihrem Auftritt nicht sagen, er war weder sonderlich gut, noch sonderlich schlecht. Ein früher Nachmittagsslot, das trifft es so ziemlich. Das ganze Szenario setzte sich mit den bartigen Rockern von Eels fort. Deutlicher herzlicher war die Stimmung auf der Scène de la Cascade (Secondstage), wo die Irin Wallis Bird ihr bestes gab. Gleich vom ersten Song an versprühte sie gute Laune und legte mit jedem ihrer Songs nochmal eine Schippe drauf.
In den folgenden Stunden sollte es auf der Grande Scène (Mainstage) Schlag auf Schlag gehen. Den Anfang machten Beirut, entgegen der naheliegenden Assoziation aus den USA stammend. Die Stimmung auf der größten Bühne war vom ersten Moment an atemberaubend, als Zach Condon mit seiner Ukulele die ersten Töne anstimmte. Wahnsinn auch, wie viele Leute bei Beirut auf der Bühne standen. Das kam schon fast einem kleinen Orchester gleich – von Klarinetten, Violinien bis hin zu Trompeten war alles vertreten, was charakteristisch für den unverwechselbaren Folksound von Beirut ist.
Nach kurzer Verschnaufpause kündigten sich The Ting Tings als Co-Headliner an. Die anfängliche Verwunderung über diesen Slot aufgrund früherer Live-Erfahrungen des Duos, wich schnell Ernüchterung. Es gibt kaum eine Band, wo man den Unterschied zwischen Liveperformance und CD so deutlich spürt – leider im negativen Sinne. Das Publikum tat sich schwer, Songs an Melodien und Textpassagen zu erkennen. Dieser Trend zog sich wie ein roter Faden durch den gesamten Auftritt, und somit war man fast erleichtert als dieses Trauerspiel ein Ende fand.
Die Mehrheit der Besucher verträngte diese Tatsache aber schnell, denn es stand der Auftritt von Arcade Fire bevor. Ihr Name stand am größten auf den Werbeplakten, und das zurecht wie sich bald herausstellen sollte. Unter tosendem Applaus wurde die kanadische Band auf der Bühne begrüßt und legt gleich mit einem Opener aus ihrem hochgelobten neuen Album „The Suburbs“ los.
Während sich die Wolken über dem nächtlichen Paris Himmel schon bedrohlich verdunkelten und ein kräftiger Wind einsetzte, ließ sich das begeisterne Publikum nicht beeindrucken. Spätestens ab dem zweiten Song „Keep The Car Running“ war auch der letzte im Publikum von der Stimmung mitgerissen. Ein weiteres Highlight im Auftritt von Arcade Fire war sicherlich, als für „Ocean of Noise“ nochmals Beirut auf die Bühne geholt wurden und der Song in geballtem Teamwork performt wurde. Wenig später wurde der Auftritt von Arcade Fire leider je unterbrochen, als sehr starke Regenschauer eine Fortsetzung des Auftritts unmöglich machten, die Technik spielte nicht mehr mit. Nach 12 Songs war also frühzeitig Schluss, und nachdem sich die Band mehrals entschuldigte und auch zu den ersten Reihe ging, um ihr Bedauern auszudrücken, verlies ein Großteil der Festivalbesucher das Gelände. Das war wohl Schicksal, gerne hätte die komplette Setlist von Arcade Fire gesehen – aber auch so war es ein krönender Abschluss.
Das Rock en Seine steht dafür, was meiner Idealvorstellung eines Musikfestivals entspricht. Es geht bei diesem Festival um die Musik, darauf ist der Fokus volle drei Tage lang fixiert. Die Organisation ist nahezu perfekt, von vorne bis hinten war alles durchgeplant und toll umgesetzt. Die Bühnen sind untereinander leicht zu erreichen, auch wenn das Gelände in seiner Gesamtheit eine beträchtliche Größe aufweist.
Die günstige Lage vor Paris verleiht dem Rock en seine eine besondere Note, die es zusätzlich von anderen europäischen Festivals unterscheidet. Eine eigene Erwähnung verdient auch das Essen am Rock en Seine. Die kulinarische Auswahl und Vielfalt war beeindruckend. Von französischen Crêpes über afrikanische Gerichte bis hin zu belegten Baguettes, und das zu vertretbaren Preisen.
Wer eine tolle Stadt und ein grandioses Festival erleben möchte, für den führt am Rock en Seine kein Weg vorbei. Das Rock en Seine ist eine Liebeserklärung an jeden Musik- und Festivalfan.
29. Oktober 2010 um 12:16
[…] richtig schön ausklingen lassen möchte, für den führt kein Weg am Rock en Seine Festival vorbei. Ende August versammeln sich vor den Toren von Paris seit mittlerweile einigen Jahren Musik- […]
14. März 2012 um 15:39
[…] Augenschmaus ist: der Park vor dem Château de Saint-Cloud. (Einen ausführlichen Bericht vom Festivalbesuchs 2010 könnt ihr hier […]