Wie jedes noch so schöne Festival geht natürlich auch das Tanz- und Folkfestival in Rudolstadt irgendwann zu Ende. Nachdem die Festivalhopper bereits am Freitag und Samstag viel gesehen und erlebt haben, stand ihnen am Sonntag, 5. Juli 2009, bei prallem Sonnenschein noch ein umso schönerer Abschlusstag bevor.
Dieser Tag startet mit einem Rundgang durch die Stadt und über das Festival. Überall herrschte reges Treiben, spielten Straßenmusiker, kauften Leuten diverse Sachen an den Buden oder stärkten sich mit fester und/oder flüssiger Nahrung. Dieser Spaziergang bot auch die Gelegenheit, sich in aller Ruhe die Attraktivität der kleinen Stadt Rudolstadt zu Gemüte zu führen. Diese bietet mit ihren vielen alten Bauten wirklich eine perfekte Kulisse für das Tanz- und Folkfestival.
Lustiger Nebeneffekt dieses gemütlichen Startes in den Tag – die fest eingeplanten Programmpunkte standen erst später an – war, dass man unerwartet doch noch d’Schwuhplattler auf der Großen Bühne am Markt zu sehen bekam. Wer sich schon immer beim Anblick von Schuhplattlern ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte und sich insgeheim fragte, welcher Hetero-Mann so etwas macht, kann sich bei d’Schwuhplattern sicher sein! Bei ihnen handelt es sich nämlich um die weltweit einzige (offizielle) schwule Schuhplattlergruppe! Sie besteht inzwischen aus 48 Mitgliedern und probt in einem Saal der Alt-Katholischen Kirchengemeinde München.
Beim weiteren Spazieren stieß man dann auf das Little Tongue Vibration Orchestra auf der Bühne am Theaterplatz und wurde mehr als positiv überrascht. Zur Musik dieser kleinen, aus sechs Leuten bestehenden, Gruppe blieb wirklich kein Fuß still auf den Boden stehen. Zum Einsatz kamen dabei die unterschiedlichsten einfachen und unscheinbaren Musikinstrumente aus aller Welt – von der Mundtrommel über das Didgeridoo bis hin zum Tabla (indisches Schlaginstrument). Gesungen wurden dabei nicht etwa auf Deutsch, Englisch, Spanisch oder sonst einer bekannten Sprache – nein! Das Little Tongue Vibration Orchestra benutzt eine eigens erschaffene Kunstsprache, die zum Träumen einlud.
Anschließend stand dann der erste fest eingeplante Programmpunkt an, auf den sich unsere Festivalhopper schon das ganze Wochenende gefreut haben – das Ensemble Klangstein (feat. Markus Stockhausen) im Theater Rudolstadt. Kopf des Projektes ist der Komponist und Klangkünstler Klaus Feßmann, welcher ganz kurz gesagt mit Steinen Musik macht.
Darunter darf man sich aber nicht vorstellen, dass er einfach nur auf den Steinen herumhämmert, um dumpfe Töne zu produzieren! Stattdessen nutzt er das gleiche Prinzip, wie es wohl jeder von uns schonmal bei einem Weinglas probiert hat, um ihm einen Ton zu entlocken, um die speziell geschnittenen Steine in Schwingungen zu versetzen und aus ihnen die komplexesten Töne hervor zu rufen. Begleitet wird Feßmann von dem Cellisten Fried Dähn und dem Percussionisten Manfred Kniel, der inzwischen selber aus Steinen und Wasser Schlagwerke herstellt. Als besondere Zugabe wurden die drei festen Mitglieder auf dem TFF noch von dem Trompeter Markus Stockhausen unterstützt. Ingesamt schufen die vier Ausnahmemusiker eine Klangwelt, die man so bisher noch nicht gehört hat.
Nächster Programmpunkt war dann das Konzert von Heo Yoon-Jeong und Kim Kyeong-Ah in der Kirche. Die beiden jungen Musikerinnen gelten in ihrer Heimat Korea als Meisterinnen auf ihren jeweiligen Instrumenten, was sie eindrucksvoll in zwei Solokonzerten unter Beweis stellten. Heo Yoon-Jeong spielte auf einem Geomungo – einer Art Zither, während Kim Kyeong-Ah ihr Können auf den Blasinstrumenten Piri und Taepyeongso demonstrierte. Zwischenzeitlich wurden die Beiden begleitet von einer Sanduhrtrommel, die gespielt wurde von Kim Woong-Sik, ebenfalls einem Meister seines Faches.
Welchen Stellenwert dieses Konzert einnahm merkte man unter Anderem an einem aufwendig produzierten Begleitheft und einem mehr als übermotivierten Ordner. Dieser ließ es sich nicht nehmen, jeden sofort einen Sitzplatz bzw. den Ausgang zu weisen oder einen sogar zu ermahnen, wenn man es sich nur „wagte“ ein wenig zu reden oder auf der Empore der Kirche etwas länger zu stehen um einen besseren Blick zu haben.
Nach der willkommenen Abkühlung in der Kirche ging es dann ein weiteres Mal hoch auf die Heidecksburg. Dort erwarteten die Festivalhopper dann aber nicht nur extrem hohe Temperaturen, sondern auch die heißen Klänge von Ti-Coca and Wanga-Nègès aus Haiti auf der Kleinen Bühne. Diese sind eine der letzten Troubadour-Bands, die mit akusitschem Instrumentarium und einem Sänger, die Gesellschaft kommentieren und als Alltags-Chronisten fungieren. Doch die Festivalhopper konnten sie an diesem Tag nur kurz halten.
Denn diese hatten ein anderes Ziel: Valravn! Dieser dänischen Band sind die Festivalhopper bereits am Samstag im Konzertzelt begegnet, als bereits deren Soundcheck für Gänsehaut-Stimmung sorgte. Da sie tags zuvor aber noch keine Zeit hatten, das Konzert selber zu sehen, war es für den Sonntag ein eingeplantes Muß. Und das Konzert hielt das, was der Soundcheck versprach. Allein schon die Mischung aus alten archaischen Instrumenten (Trommeln, Flöten, Leiern,…) und modernen Elektroniksounds, die zum Teil an Drum’n’Bass erinnerten, erzeugten eine fantastische Atmosphäre. Außergewöhnlich gut wurde das Ganze durch die Sängerin Anna Katrin Egilstrod (Anm. des Autors: Name nicht ganz richtig geschrieben), deren Expressivität durchaus seines Gleichens sucht.
Das nicht nur die Festivalhopper absolut von Valravn in den Bann gezogen wurden, bewiesen unzählige andere Zuschauer, die der Band nach dem Konzert die CDs förmlich aus den Händen rissen. Für all die, die gern auch mal in Richtung Folk-Rock abgleiten und die die Rauhheit aber auch die Romantik des kalten Norden zu schätzen wissen ist Valravn, deren CD leider erst im Herbst in Deutschland erscheint, ein absoluter Geheimtipp!
Als letztes Konzert – nicht nur für die Festivalhopper, sondern auch für das komplette Tanz- und Folkfestival Rudolstadt – stand dann ein weiteres Mal Hans Söllner & Bayman‘ Sissdem auf dem Plan. Doch bevor es zum Auftritt des am Samstag mit dem deutschen Ruth 2009 prämierten Rastafari und Rebellen kam, kürten die Festivalhopper noch den „langsamsten Bierwagen aller Zeiten“
Doch das nur am Rande, viel wichtiger war natürlich das Abschlußkonzert selber. Und bei diesem kochte die Stimmung noch einmal so richtig hoch. Zur Reggae-Musik des Songwriters und Musikers, der schon mehrmals in Konflikt mit der Polizei stand, tanzten und jubelten die Leute. Einzige Schwierigkeit an der ganzen Sache war vielleicht der Gesang und die Zwischenmoderationen in Bayrisch. Für alle die, die die Ansage vielleicht nicht verstanden haben, an dieser Stelle deshalb nochmal die neuste Idee von Hans Söllner in „Hochdeutsch“:
Immer schön nüchtern fahren (sowohl bzgl. Alkohol als auch Drogen). Wenn man dann einer Polizeistreife begegnet möglichst durch kurzes Zick-Zack Fahren auffallen. Sobald man angehalten wird, aus dem Auto fallen – alles nüchtern versteht sich! – und einen mehrere Minuten dauernden Lachanfall bekommen. Da die Polizei natürlich nicht weiß, das man vollkommen nüchtern ist und man nur zum Spaß so tut, werden sie einen völlig unnötig kontrollieren und untersuchen. Wenn jetzt sich also genug Leute beteiligen, werden irgendwann die Polizisten die Lust an Kontrollen verlieren – da dieses ja immer unnötig sind – und sie schlußendlich nicht mehr durchführen.
In diesem Sinne, ging das Tanz- und Folkfestival 2009 in Rudolstadt mit einem Lachen im Gesicht aber vielleicht auch der ein oder andere traurigen Miene zu Ende. Es war ein tolles Wochenende…
Fotos und Bericht von Frank „fRanKon“ Diehn und Thomas „Teliko“ Helbig
Weitere Links:
6. Juli 2009 um 21:51
Leider hab ich krankheitsbedingt Freitag und Sonntag nicht voll genießen können, aber das Tanzfest war dieses Jahr wieder wirklich schön. Komme direkt aus dem Nachbarort und bin auch schon seit vielen Jahren als Gast dabei. LaBrassBanda am Samstag im Park hat mir ziemlich den Kopf verdreht, da gings ja böse ab.
Zum Tanzfest allgemein – Es ist halt definitiv mal was anderes und man entdeckt wirklich viele neue Musiker und Klänge die man vorher allenfalls mal in Dokumentationen gesehen hat. Irgendwie bin ich ein bisschen froh das jedes Jahr für günstiges Geld miterleben zu dürfen, da ich sonst wahrscheinlich niemals zu sowas gehen würde. Aber Rudolstadt ist einfach eine wunderschöne Stadt für so eine Veranstaltung.
Grüße der Festival Martin
9. Juli 2009 um 15:53
[…] nach dem legendären TFF Rudolstadt (Wir berichteten von den Festivaltagen Freitag, Samstag und Sonntag) wird die Heidecksburg wieder kräftig […]
31. Juli 2009 um 18:27
[…] Bericht vom dritten Tag auf dem TFF 2009 […]
31. Juli 2009 um 18:39
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16. April 2010 um 18:10
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3. Juli 2011 um 13:30
[…] auf der Bühne, denn Frontfrau Maria Franz und Keyboarder Christopher Juul, waren bereits 2009 mit der Band Valravn zu Gast auf dem Tanz und Folkfestival in Rudolstadt. Musikalisch lassen sich […]