Die Festivalsaison neigt sich langsam dem Ende zu, wir blicken drei Wochen zurück – da war in Großpösma am Störmthaler See bei Leipzig wieder Highfield Festival! Für sächsische Musikfreunde ein Muss und auch für alle anderen empfehlenswert, glänzt das Highfield doch stets mit entspannten Besuchern und angenehmer Atmosphäre.
Auch dieses Jahr war uns das Wetter positiv gesonnen und wir konnten uns in der Sonne bräunen, im See abkühlen oder im Staub tanzen. Ein nächtlicher Schauer sorgte dafür, dass die Staubbelastung nicht zu schlimm wurde – es war perfekt. So genossen wir, was sich beim Highfield bewährt hat: Camping mit Blick auf die Bühne (nicht nur für die Presse, wer früh kommt, kann das auch auf dem normalen Campingplatz bekommen), morgendliches Baden, ein anständiges kulinarisches Angebot und über uns allen wachend das Riesenrad, dessen mittlere Beleuchtung dieses Jahr – warum bloß – wie ein Pokéball aussah.
Weniger erfreulich war hingegen, dass dieses Jahr der Soundcheck schon früh um 6 Uhr stattfand und gefühlt noch lauter auf den Campingplatz schallte als tagsüber die Bands – was am leeren Festivalgelände liegen könnte, aber auch daran, dass der Soundcheck mit Playbacks durchgeführt wurde, die offenbar die jeweiligen Headliner Rammstein bzw. Deichkind mitgebracht hatten. Eine uns nicht bekannte Methode, die aber sicher ihren Sinn hat. Leider hat das nichts daran geändert, dass es die üblichen Stellen gab, an denen der Sound einfach nicht zu gebrauchen war – die Bühnen stehen beim Highfield nebeneinander und wenn man an der rechten (kleineren) Bühne links außen steht, hört man mehr von der linken als von der rechten Bühne. Generell war der Sound an der kleinen Bühne spürbar schlechter, was sicher auch an der sichtbar kleineren Soundanlage lag. Schade, denn natürlich spielen auch dort gute Bands und auch Headliner Scooter bespielten die kleine Bühne. Allerdings kam durch den Lärm von nebenan auch die Szene bei Monsters of Liedermaching, wie eins der Bandmitglieder crowdsurfend Xylophon-Solo spielt, während das Publikum schweigt, besonders beeindruckend.
Überhaupt, die Headliner. Eine sehr ausgefallene Mischung präsentierte das Highfield dieses Jahr. Am Freitag waren es Scooter – die entgegen der Erwartungen mit schicker, aber gar nicht so protziger Licht- und Pyrotechnik auftraten. Musikalisch gab es ein gemischtes Programm, natürlichen waren die Hits dabei (wir wissen immer noch nicht, was der Fisch kostet), auch neue Songs wurden vorgestellt. Unabhängig davon wechselte das Publikum zwischen totalem Desinteresse und begeistertem Mitgröhlen vermutlich eher abhängig vom Füllstand des Bierbechers. H.P. Baxxter irritierte teilweise durch englische Moderationen, die aber eher sparsam waren, viel präsenter seine beiden typischen Posen. Ist letztlich Geschmackssache, wie sehr man es feiert, Fakt ist aber: Scooter haben Musikgeschichte geschrieben und waren die meistzitierte Band des Festivals, was wohl auch den einprägsamen Songtexten geschuldet ist („döp döp“).
Auch Rammstein konnten von textsicheren Fans profitieren, und auch hier muss den Technikern Respekt gezollt werden, denn trotz der bekannten Masse an Pyro-Effekten waren Rammstein nicht protzig, sondern beeindruckend in Szene gesetzt, und der Sound war definitiv der Beste aller Konzerte, die wir gehört haben. Jedes Instrument knackig, klar und deutlich. Passend zum Auftreten der Band – steif, kalt und durchgetaktet. Hinter der ganzen Inszenierung traten die Texte der Band klar zurück – was auch eine Erklärung für die Beliebtheit sein dürfte, denn dieses Maß an Explizitheit und Provokation stößt nicht bei jeder Band auf breite Begeisterung.
Tatsächlich aber sollte man die Rammstein-Show wirklich mal gesehen haben: Pyrotechnik synchron auf und hinter der Bühne und am Technikturm, ein Lied mit einer Bridge nur für die an die Gitarren angebauten Flammenwerfer, fahrende Plattformen, in denen auch die Bandmitglieder Platz finden, Sprengstoffwesten, explodierende Lenkraketen… Rammstein lassen simple Flammenstöße langweilig werden, Pyrotechnik wird wie Instrumente eingesetzt, reichlich und präzise. Und während das Publikum aus dem Staunen kaum heraus kommt, grenzt die Begeisterungsfähigkeit der Band schon fast an Kraftwerk-Niveau – mal ein Daumen rauf für das singende Publikum, für mehr ist kaum Spielraum. Vielleicht läuft der Keyboarder deswegen die ganze Zeit auf einem Laufband. Man fragt sich, wie die Musiker privat oder bei den Proben drauf sind.
Das ist bei Deichkind, dem dritten Headliner am Sonntag, bekannt – man kennt Youtube-Videos, in denen die Band selbstironisch darstellt, wie sie unter Drogeneinfluss eher zufällig „Remmi Demmi“ schrieben, was dann unglaublich erfolgreich wurde. Und auch hier spielt die Show eine große Rolle – riesige Gehirnattrappen, reichlich verzierte Gitarren, LED-Kostüme, auch Deichkind sind definitiv ein Hingucker und während Rammstein mit ihrer Härte auch verstörend sein können, sind Deichkind als Abschluss einfach ein Partykracher.
Auch Bonaparte brachten reichlich Show mit, dort ging es jedoch eher um extravagante Tanzeinlagen seltsam kostümierter Tänzerinnen und Tänzer auf der Bühne. Interessant war dabei auch, wie das Konzert wirkt, je nachdem, wo im Publikum man sich befindet: Steht man in einer Gruppe stiller Zuschauer, wirkt die Extravaganz sehr stark und man fragt sich, ob das mehr Kunst als Musik ist. Später in einer Gruppe tanzender Fans ließ sich die schräge Show aber auch gut ignorieren und großartig feiern, denn viele Songs sind ausgesprochen tanzbar.
Eine weitere bizarre Darbietung waren Fünf Sterne Deluxe. Die hatten ihre Bühne als Kneipenszene aufgebaut, spielten dadurch teilweise mit dem Rücken zum Publikum und auch eher beiläufig, so dass das Konzert sehr authentisch wie ein Kneipengespräch wirkte. Das wirkte nicht weniger bizarr, wenn tausende Zuschauer ihre Hände in die Luft warfen, während die Band zumindest scheinbar bloß zufällig da war. Immerhin entfiel dadurch auch das bei Festivals ausgesprochen nervige Zugabe-Getue – bei festen Zeitslots ist es einfach albern, trotzdem kurz vor Ende von der Bühne zu gehen, jedoch wurde dies ausgiebig praktiziert.
Auf andere Art verwirrt haben uns Limp Bizkit. Die spielten gefühlt mehr Cover als eigene Songs, stritten sich dabei teilweise auf der Bühne und ließen von ihrem DJ Playbacks einbauen, die ausgesprochen unpassend waren („Turn down for what“, „Don’t you (forget about me)“). Das Cover von „Smells like Teen Spirit“ wirkte lustlos hingerotzt und man gewann den Eindruck, die Band wüsste nicht so recht, was sie da tut. Hinterher hörte man teilweise, das sei wohl immer so, aber während wir das von NoFX erwartet hatten und gewohnt waren, war es bei Limp Bizkit doch sehr seltsam.
Glücklicherweise gab es aber ja nicht nur extravagante und seltsame Acts. Royal Republic beispielsweise haben uns nicht enttäuscht, sondern wie immer begeistert. Endlich gab es richtigen Pogo, auch die Band hatte auf der Bühne offensichtlich riesigen Spaß und wir bekamen ordentlich Punkrock um die Ohren geknallt. Auch schön die Geschichte, wie der Name der Band in verschiedenen Ländern gegröhlt wird – schon die Akzent-Imitationen des Frontmanns waren sehr unterhaltsam, aber vor allem seine Empörung über die Russen stieß auf Verständnis, denn diese betonen alle fünf Silben der Band gleich, so dass ein Fünf-Viertel-Takt entsteht, und wer kann dazu schon tanzen?!
Einer unserer Geheimtipps vom Highfield dieses Jahr waren Alex Mofa Gang. Durch den frühen Slot waren erwartungsgemäß wenige Zuschauer da, aber dadurch trat auch der Effekt ein, dass die Anwesenden allesamt Bock zu feiern hatten. So genossen wir entspannte Rockmusik bei ausgelassener Stimmung in der Sonne.
Und von wegen Rock – richtig klassisch rocker-like präsentierten sich Airbourne. Reichlich Gitarrensoli, jeweils sechs Full Stacks für die Gitarristen, der Sänger oberkörperfrei und mit immer der gleichen, aber einer ausgefallen geformten Gitarre. Der Sänger schien auch einen Bierdosen-Tick zu haben, nach jedem zweiten Song schnappte er sich ein paar, ließ sie durch Schütteln aufplatzen, sprühte Bier in die Gegend, auf sich, seine Haare und die Securitys, und schmiss sie dann ins Publikum. Einmal zog er es so lange durch, bis jemand eine gefangen hatte. Gute Musik zum Headbangen und mit der Gitarre posen.
Mit Bands wie Massendefekt, Madsen und Sum 41 gab es definitiv auch noch mehr Rock-Acts, die eher zum Feiern als zum Staunen gut waren – wir hatten uns dieses Jahr anscheinend eine seltsame Mischung an Acts ausgesucht. Aber so ein Festival darf ja auch mal dazu da sein, seinen Horizont zu erweitern – und wenn das so entspannt geschehen kann wie beim Highfield, kommt man gerne wieder!
Hier gibt es weitere Bilder vom Highfield 2016!
Das Highfield 2016 war mit Besucherrekord ausverkauft. Das Highfield 2017 wird vom 18.-20. August 2017 stattfinden. Hier könnt ihr Tickets fürs Highfield 2017 kaufen.
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