Das erste Mal in 19 Jahren gab das Juicy Beats wenige Tage vor dem Festival bekannt: Ausverkauft – alle 30000 Karten hatten bereits im Vorverkauf einen Besitzer gefunden und dennoch gab es Leute, die weiter auf der Suche nach solchen waren.
Spätestens am Dortmunder Hauptbahnhof wurde auch demjenigen, der noch nichts von der Veranstaltung mitbekommen hatte, klar, dass die vielen gutgelaunten Menschen mit Blumen in den Haaren und Bier in der Hand am 26.07.2014 sich nicht zufällig dort aufhielten.
Um 12 Uhr sollte der Westfalenpark für die Festivalbesucher freigegeben werden, allerdings bildeten sich um kurz nach an den vier Eingängen schon die ersten Schlangen und das, obwohl die ersten DJs bereits beginnen sollten. Mit ca. 20 Minuten Verspätung ging es dann los. Nach eher flüchtiger Taschenkontrolle wurde den Besuchern dann das bunte Festivalbändchen ausgehändigt, anders als üblich durften diese sich selbst um die Anbringung am Arm kümmern. Direkt hinter dem Eingang verteilten Mitarbeiter kostenlose Sonnenschutzkappen aus Pappe im Juicy-Beats-Design – vielleicht nicht wunderschön, aber dafür effektiv und lustig.
Wenige Minuten nach Einlass eröffneten 3Pluss & Sorgenkind eine der größeren Bühnen, die Relentless Energy Stage, und lockten so auch die ersten Besucher an. Zwar war der Andrang zu Beginn noch gering und das Publikum zurückhaltend, doch nach und nach füllte sich der Platz vor der Bühne. Hinsichtlich der frühen Spielzeit schaffte es der junge Rapper gut erste Stimmung zu verbreiten und die Besucher zu ersten Bewegungen zu animieren. Selbst ein Rauchstab wurde gezündet, ob zulässig oder nicht – man weiß es nicht, den Leuten jedenfalls gefiel es.
Auf der Mainstage starteten um 13 Uhr Egotronic. Warum der Bereich vor dem ersten Wellenbrecher erst zwei Minuten vorher und auch nur unter strenger Abzählung geöffnet wurde, blieb allerdings unverständlich. Scheinbar hatten sich bereits einige Egotronicfans auf dem Gelände eingefunden, denn für die erste Band war es verhältnismäßig richtig voll. Während sich am Rand jüngere Besucher aufhielten, tummelten sich in der Mitte unter anderem die typischen Punkanhänger und verbreiteten super Stimmung. Nach den ersten Liedern traten Unterstützer einer Anti-Nazikampagne auf die Bühne und hielten eine kurze Ansprache, welche sich insbesondere auf den leider sehr großen Anteil Rechtsextremer im Dortmunder Norden bezog. Diese traf bei dem Großteil auf Verständnis und Zustimmung, ähnlich wie die Kommentare der Band selber zu vergleichbaren Themen, welche sich über das gesamte Konzert verteilten.
Auch in ihren Texten beziehen Egotronic häufig Stellung zu politischen Themen, so heißt es zum Beispiel in einem Lied „Eure Toleranz kotzt mich an„, wobei sich diese nur auf die Toleranz gegenüber Nazis bezieht. Auch bei „Raven gegen Deutschland„, „Kotzen“ und „Die Bismarck“ zeigte sich das Publikum textsicher. Zwischen den Songs ertönte immer wieder lautstark das Motto der Antifa, während der Songs entstanden erste Circlepits und auch ansonsten war das Publikum zumindest im mittleren Bereich vor der Bühne sehr bewegungsfreudig. Zudem wurde der Sänger Torsun bei einem Song vom Rapper der „Antilopen Gang“ unterstützt, welche später selbst im Electronic Circus auftraten.
Als Egotronic sich langsam dem Ende näherten trat Sierra Kidd bereits auf eine andere Bühne. Der gerade einmal 17-jährige Rapper ist bereits bei Rock am Ring aufgetreten und wird dieses Jahr für Niedersachsen mit seinem Song „20000 Rosen“ beim Bundesvision Songcontest antreten. Schon das Ankündigen des nächsten Liedes, zum Beispiel „Knicklicht“ oder „Signal„, sorgte beim wohl größtenteils weiblichen Publikum für lautes Gekreische. Obwohl keine Foto-Session angekündigt war, stand Sierra Kid nach seinem 45-minütigen Auftritt kurze Zeit später neben der Bühne für Fotos und Autogramme bereit.
Inzwischen schien die Sonne immer stärker, so dass es Zeit für eine Erfrischung wurde. Neben den üblichen Softdrinks und Bier zu recht hohen Preisen (z.B. 0,4l Cola für 4€ zzgl. Pfand) gab es auch Energydrinks, Wodka, Jägermeister und Cocktails zu noch höheren Preisen. Diese wurden jedoch durch die im gesamten Park regelmäßig verteilten kostenlosen Wasserspender wieder wett gemacht. Zum einen sparte man sich so einiges an Geld für Getränke, zum anderen wurden diese im Verlauf des Tages für diverse Wasserschlachten und angenehme Abkühlungen genutzt.
Auch dem kleinen und großen Hunger konnte man mit unterschiedlichstem Essen entgegenwirken. Angefangen bei Crepes und Donuts über Pizza, Pommes und Bratwurst bis hin zu gebratenen Nudeln, Döner und Afrikanischem. Selbstverständlich waren auch dieses Jahr wieder vegetarische Stände mit vielseitiger Auswahl vertreten.
Neu in diesem Jahr war der Pfand von 50ct für die Pappschälchen von Pommes und Co. An sich vielleicht eine gute Sache, so jedoch eher lästig, wenn man auf dem Weg zur Bühne noch schnell eine Kleinigkeit essen wollte und dann nicht wusste, wohin damit.
Unterwegs zum Kittball trafen wir neben Sanitätern und Polizisten auch Spiderman, zwei Tiger und einige Leute in Ganzkörperkostümen, die mittlerweile auf solchen Veranstaltungen nicht mehr fehlen dürfen. Vor allem traf man aber jede Menge gut gelaunter Besucher, die das Wetter genossen, ganz besonders entspannt wirkten die Zuschauer von „Shorline is“ am Oma-Doris-Housefloor/Indiestage, welche es sich auf Teppichen, Sofas und Sesseln vor der Bühne bequem gemacht hatten. Generell fiel auf, dass unter den Besuchern von jung bis alt, von Punker bis Raver alles auf dem Festival vertreten war.
Am Kittball selbst tanzte eine kleinere Menschengruppe zu Technomusik an einem eigentlich besonders schönen Platz im Park – wenn nicht sämtliche Blumenbeete und ähnliches von riesigen Bauzäunen eingegrenzt gewesen wären. Diese fand man überall mal wieder, aber dennoch bot der Park viele schattige Plätzchen unter Bäumen, große grüne Wiesen zum Ausbreiten und Wasserbecken zum Plantschen, so dass es sich dennoch gerade im Sommer um einen schönen Veranstaltungsort handelt.
Kurz auf einen der Pläne geschaut, die es an den Infoständen gab und zusätzlich im Park aufgestellt waren, und weiter ging es zur Seebühne. Wie jedes Jahr waren die einzelnen Bühnen wieder mit Früchten gekennzeichnet. Am See war für jeden was dabei, so waren die ersten Raver am Shuffeln, während andere sich am Hip-Hop-Floor aufhielten und wieder andere sich auf den Weg zum Reggea-Floor machten.
In der Zwischenzeit hatte sich die Fläche vor der Mainstage ordentlich gefüllt, so dass die ersten Wellenbrecher während Frittenbude spielten, komplett abgesperrt wurden, um eine zu große Menschenmasse auf zu geringer Fläche zu verhindern. Allerdings wurden zwischendurch, wenn wieder etwas Platz wurde, noch vereinzelt Leute reingelassen. Wer rein durfte und wer nicht, wurde jedoch ziemlich wahllos entschieden.
Als danach Milky Chance spielten wurde die Menge vor der Bühne nicht geringer, allerdings ruhiger. Während bei Frittenbude noch viel mitgesungen und rumgesprungen wurde, legte sich der Lautstärkepegel des Publikums und schlug in ein entspanntes Sommerfeeling um. Auch auf den umliegenden Wiesen lauschten die Besucher dem Pop-Folk-Duo bei einem Frozenjoghurt oder einem Früchtebecher.
Weniger Zuschauer befanden sich bei Die Orsons, welche wenige Minuten später auf der Energy Stage spielten. Dafür herrschte dort eine belebtere Stimmung, die Leute klatschten, schrien und sprangen trotz der Hitze immer noch voller Elan. Auch auf die eher ungewöhnliche, aber passende Frage „Wer von euch mag Obst und schneidet gerne Äpfel?“ folgte lautes Getöse, denn es war die Einleitung zum Song „Apfelschnitzschneider„.
Zudem riefen die Hip-Hopper dazu auf, ihre Pfandbecher an Viva con Aqua zu spenden, welche sich schon seit Jahren für die Trinkwasserversorgung in ärmeren Ländern einsetzen. Daraufhin crowdsurfte eine „Becherjägerin“ der Organisation in einem Schlauchboot über die Menge und sammelte so die durch die Luft fliegenden Becher ein.
Zwischenstopp: Zu den letztes Jahr sehr knapp bemessenen Toilettenwagen wurden in diesem Jahr zusätzlich Dixies aufgestellt, nicht ganz so sauber, aber dafür umsonst. Die Toilettenwagen kosteten auch in diesem Jahr 30ct, zogen aufgrund der angenehmeren Benutzung dennoch einige Minuten Wartezeit mit sich.
Ein erneuter Rundgang auf dem Gelände brachte weitere interessante Stände zum Vorschein. Dazu zählen unter anderem mehrere Merchandisestände, an denen man sowohl Shirts, Beutel und Aufkleber zum Juicy Beats als auch welche mit Aufschriften wie „Kein Mensch ist illegal“ erwerben konnte. Auch nicht unerwähnt bleiben sollte die einen Hang hinunterführende Wasserrutsche, die zwar nicht superkomfortabel war, aber trotzdem für reichlich Spaß sorgte. Weiterhin gab es die Möglichkeit sich Airbrushtattoos sprühen zu lassen, sich am Virtual Nights-Stand fotografieren zu lassen oder sich an Kunstständen kreativ auszuleben. Ebenso wieder vertreten war das AOK-Glücksrad, an welchem man kostenlos drehen und zum Beispiel eine Fleecedecke oder Knicklichter gewinnen konnte, sofern man zuvor unter Angabe einiger seiner Daten am Gewinnspiel teilgenommen hatte.
Auch ohne den Zeitplan zu kennen, war am aufwendigen Bühnenbild unschwer zu erkennen, dass um 19 Uhr Alligatoah auftreten sollte. Die Festwiese war mit erwartungsvollen Besuchern übersät, die Sonne schien noch immer und dann ging es los. Ein Butler, der sich später als BattleBoi Basti herausstellte, betrat die Bühne, das Intro wurde eingespielt, Alligatoah betrat die Bühne und die Menge tobte. Er begann seinen Auftritt, welcher viel mehr einem richtigem Comedyprogramm glich, als nur einem einfachen Konzert, mit dem Zerschlagen einer Gitarre und den Worten „Yeah, Rock ´n Roll„. Zwischen den Songs sorgte er mit Hilfe vielfältiger Utensilien, wechselnden Outfits und witzigen Sprüchen für reichlich Unterhaltung. Immer wieder spannte er das Publikum mit ein, kündigte einen alten Song mittels einer Dusche, die zur Zeitmaschine wurde, an und lieferte sich ein Rap-Battle mit seinem „Butler“, nachdem dieser seinen Sohn beleidigt hatte. „Entschuldigt, wenn ich mich manchmal wiederhole, ich habe eine Krankheit, denn ich leide an Amnesie“ – lautes Gekreische, Vorfreude auf den nächsten Song, Pause – „Entschuldigt, wenn ich mich manchmal wiederhole, ich habe eine Krankheit, denn ich leide an Amnesie“ Und es folgte – welch Überraschung – der Song Amnesie. Zwischenzeitlich kam Timi Hendrix mit auf die Bühne und begrüßte das Publikum mit „Leuteee, ich bin todesvoll„, glücklicherweise war er dennoch in der Lage den nächsten Song gemeinsam mit Alligatoah zu performen.
Nachdem sein Butler ihn während dem Trauerfeierlied auf einem Wagen über die Bühne geschoben hatte, verließ er diese. Nach lauten Zugabeschreien aus dem Publikum und der Anmerkung des Butlers die Suppe sei fertig, welche er während des Konzerts in einem großen Kochtopf zubereitet hatte, kam er jedoch für einen letzten Song zurück. Auch dieser wurde gut überlegt eingeleitet: Die besagte Suppe wurde probiert und schien eine drogenähnliche Wirkung zu haben, das Konzert endete mit dem wohl bekanntesten Song „Willst du?„.
Anschließend legte auf der Mainstage Boys Noize auf, welcher die vorangegangene Stimmung ohne Probleme aufrechterhalten konnte. Mit ausgeprägter Bühnenshow, Hintergrundeffekten und Konfetti überzeugte er nicht nur die Technofans.
Auch auf den anderen Bühnen wurde zum Abend hin immer mehr Elektro und Techno gespielt. Während ein Teil der Besucher sich langsam auf dem Weg nach Hause machte, öffnete die Abendkasse. Lange Schlange bildeten sich am Eingang, das Gelände leerte sich also nicht wirklich, denn nach 22 Uhr kamen ca. 3000 weitere Besucher hinzu.
Um lange Wartezeiten zu verhindern, wurden die Karten bereits einige Meter vor dem Eingang gegen die Bändchen getauscht, am Eingang selbst fand dann die Einlasskontrolle statt.
Die Sonne war weg, die gute Stimmung nicht. Ganz im Gegenteil, von der Mainstage bis zu den ganz kleinen Bühnen wurde getanzt und gelacht – und das blieb bis spät in die Nacht noch so.
Hielt man die Augen offen, konnte man den ein oder anderen Artist mittlerweile auf dem Gelände – so zum Beispiel Egotronic, die jetzt wie ganz normale Besucher auf der Wiese saßen.
Das Juicy Beats bleibt also auch in diesem Jahr so gut wie kritiklos und punktete mit guten Bands und DJs, Gratiswasser und einem Gelände mit besten Voraussetzungen. Unterstützt wurde der gute Eindruck durch super Wetter und angenehme Besucher mit guter Stimmung. Alles in Allem bleibt zu sagen: Ich freue mich auf nächstes Jahr, wenn das Juicy Beats zum 20. Jubiläum erstmalig an zwei Tagen zum Feiern einlädt!
29. Juli 2014 um 19:43
[…] Der Tag im gesamten war viel hin und her. Von den großen Bühnen zu den kleinsten und verstecktesten am Rande des Parks (z.b. Shoreline Is) mit immer wiederkehrenden Blick auf die Uhr und den Timetable. Einen ausgedehnten Bericht zum Festival selber (von oben erwähnter Freundin) findet ihr hier. […]
4. November 2014 um 23:30
[…] 33.000 Besucher sorgten in diesem Sommer erneut für einen Besucherrekord – das Juicy Beats war erstmals bereits im Vorfeld ausverkauft. Versprochen haben die Veranstalter bereits ein hochkarätiges Jubiläums-Line-Up, dass die 20. Auflage des Festivals gebührend gefeiert werden kann. Weiteres zum Juicy Beats hier und auf http://www.juicybeats.net. […]