Donots Staubraketen voll in die Fresse – Der Hurricane Samstag 2014

News am 25. Juni 2014 von Klimm Bimm

samstag-hurricane2014-4443Unser Antrag auf besseres Wetter für den Samstag beim Hurricane 2014 muss wohl irgendwo in der Wunschpost verloren gegangen sein. Als wir uns mehrere Stunden nach Wolkenaufgang langsam aus dem Zelt krebsen, bräuchten wir eigentlich Cocktailschirmchen damit uns in den kurzen aber hochfrequenten Regenphasen das Toastbrot nicht in der Hand zusammensackt. Aber beim Wetter wie beim Frühstück muss man halt nehmen was man kriegt.

Wir rappeln uns also auf und ziehen durch die graue Landschaft in Richtung Festivalgelände und starten den Versuch unsere eher mittelprächtige Stimmung musikinduziert durch die Wolkendecke zu katapultieren.

donots-hurricane2014-4455Am Spielplatz vor der Green Stage angekommen hüpfen wir voller Hoffnung auf einen Höhenflug mit den Donots auf die Wippe und ignorieren dabei die Angst, dass uns die fünf Schelme entweder auf halber Höhe verhungern oder nach unvollendeter Aufgabe mit dem Arsch auf den Boden knallen lassen könnten.

Um Sechszehndreißig geht die große Sause also los und die Westfalen, die gerade an einem neuen Album werkeln, betreten unter lautstarkem Jubel die Bühne am Fuß des rappelvollen Zuschauerplatzes. Mit Calling ballern uns die Jungs direkt zu Beginn einen durchaus ordentlichen Opener an den Kopf, der auch beim Publikum gehörigen Anklang findet. Ganz solide aber auch nichts, was uns spontan die Latschen ausziehen würde. Auch in den folgenden Songs sitzt unser Schuhwerk trotz ziemlich guter Stimmung im Zentralareal überwiegend fest. Das liegt aber auch daran, dass das permanente Adressieren des Publikums durch Frontmensch Ingo Knollman weniger mit Unterhaltung und mehr mit Beschäftigungstherapie zu tun hat. 

donots-hurricane2014-4468Zumindest wir fühlen uns durch die inflationäre Masse an Zuschauerbespaßungsversuchen nicht als Gegenüber in einer bidirektionalen Interaktion, sondern eher als Exekutive einer irgendwo im Tourbus aushängenden Liste mit ausgedachten Kaspereien. Wenn schon das Essen aus der Dose kommt sollte wenigstens die Unterhaltung frisch sein, finden wir. Und nach dem Statement „Ich möchte, dass sich nach diesem Song alle Leute die Nase putzen und es schwarz wie die Hölle ist, was da raus kommt“ zwei Songs später das Publikum noch dazu aufzurufen, sich gegenseitig Staub in die Fresse zu werfen, damit das aus der Ferne ein Bisschen lustig aussieht, ist definitiv nicht die Lösung. (Ja, wir wissen, dass das „Staubraketen“ (ein Video ist hier) sein sollten, aber ihr kennt ja auch die Story mit dem Newton, dem Apfel und der Schwerkraft, oder?) Auch wenn gerade bei Festivals dumm und geil oftmals nahe beieinander sind, ist das ein Novum, auf das wir gerne in Zukunft verzichten würden.

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Nachdem sich die künstliche Luftverschmutzung wieder einigermaßen gelegt hat und wir uns entgeistert von dieser – nennen wir es mal „fragwürdigen“ – Aktion Staub-, Wurzel- und Grasreste aus Augenwinkeln und Bier gepflückt haben, erkämpfen sich die Donots mit Whatever Happened to the 80s inklusive eingestreutem Punk-Cover von Time after Time und mehreren ordentlich dimensionierten Moshpits Teile unserer Gunst zurück. Mit We’re not gonna take it erinnert dann die Interaktion mit dem Publiktion auch etwas weniger an die Kinderanimation im Cluburlaub, da der Herr Ingo zur Abwechslung auch mal sein eigenes Fleisch in die Menge wirft anstatt sie nur herumzukommandieren. Mit So long wird für den letzten Song nochmal Schunkelmusik angestimmt. Kurz darauf ist Ende im Gelände. Fazit: Ganz okay, geht aber besser. Wir starten den nächsten Versuch mit Bastille.

bastille-hurricane2014-4641Nachdem wir uns aus dem Mob vor der Greenstage herausnavigiert haben stehen die vier Briten bereits geraume Zeit auf der Blue Stage. Wir schlagen einen gekonnten Zirkel um die Massen, die sich zurück bis in die Foodie-Area stauen, und nehmen die Überholspur in Richtung Bühne. Als wir endlich einen Platz nahe genug am Soundturm ergattert haben, an dem der Hörgenuss von Soundverwehungen einigermaßen verschont bleibt, erwischen wir Sänger Dan Smith gerade in einer intimen, weitestgehend solo abgehaltenen Performance am Keyboard. Die Stimme des Mannes, der Bastille ursprünglich als Solo-Projekt ins Leben gerufen hat, erinnert in ruhigen Parts etwas an The Fray – und das vermag durchaus zu gefallen. Mit Things we lost in the Fire und dem neuen Song Blame liefern die mittlerweile vier Mitglieder der Band an späterer Stelle aber durchaus auch tanzbares Material, das insbesondere zu Zeiten der doch recht kräftigen Regenschauer während des Auftrittes die Gäste dazu anhält, sich das Wasser vom Leib zu schütteln anstatt in der Suppe zu verkühlen. Chapeau! Trotz der recht guten Stimmung ziehen wir aber schnell weiter.

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Es verbleiben nämlich nur noch wenige Minuten, bis uns The Asteroids Galaxy Tour auf der Red-Stage einen Kracher nach dem anderen vor den Latz knallen. An dieser Stelle würden wir eigentlich ganz gerne eine einigermaßen treffende Genrebeschreibung für die Musik von The Asteroids Galaxy Tour abgeben. Um ehrlich zu sein haben wir bisher in unseren Köpfen aber noch keine Kiste gefunden, in die man die Musik von The Asteroids Galaxy Tour stecken könnte. Indie-80’s-Pop-Elektro-Soul-Funk vielleicht? Ist ja auch egal. Es klingt jedenfalls wie eine Kollaboration zwischen Fatboy Slim und Duffy. Energiebündel Mette Lindberg hat halt auch dieses einprägsame mittige Quietschen in ihrer Stimme. Mit Producer und Songwriter Lars Iversen zeigt sich überdies jemand für einen großen Teil des Liedguts der Band verantwortlich, der auch vor elektronischen Einflüssen nicht zurückschreckt. Die Analogie ist also gar nicht so weit hergeholt.

Der Auftritt der Kopenhagener ist zwar weitaus weniger gut besucht als der der parallel spielenden Bastille, steht dem aber in puncto Party in nichts nach. Diejenigen, die sich im halb gefüllten Zuschauerbereich vor der Red Stage eingefunden haben, sind allerdings auch sehr viel agiler unterwegs als die große Masse an der benachbarten Bühne mit den blauen Bannern. Das liegt auch daran, dass Sängerin Mette Lindberg mit ihrem ausschweifenden Tanz ein hervorragendes Beispiel setzt, was man zu der Musik der Band mit seinen Extremitäten so alles anstellen kann. Die tanzt sich auf der Bühne nämlich teilweise so in Extase, dass sie mit ausschweifenden Drehbewegungen, begleitet von einem lautstarken „popp“ über die Lautsprecheranlage, durchaus mal das eine oder andere Schlagzeugmikrofon zu Boden kreiselt. Bissl Schwund ist halt immer. So wundervoll unterhalten interessiert uns auch relativ wenig, dass der Dame bei der Ankündigung der neuen Single My Club gar nicht mehr einfällt, wo die überhaupt schon veröffentlicht wurde. „it’s out… somewhere…“ reicht uns als Information völlig. Wir glauben was die gute Laune angeht hier vorerst unsere Königin gefunden zu haben. Kaum schreitet die dänische Formation von der Bühne, beginnt der Thron allerdings schon zu wackeln. Als nächstes stehen nämlich die Wombats auf dem Programm.

the-wombats-hurricane2014-4879Die nach den kauzigen Pflanzenfressern benannte Indie-Rock Band betritt unter lautstarkem Applaus häppchenweise die Bühne. Die Wombats-Fankurve ist um 19 Uhr auf jeden Fall gut ausgeschlafen. Auch wenn das Intro nur aus ein Bisschen Gezische auf der Hi-Hat und ein paar Bass-Harmonics besteht, wird zu dem musikalischen bare-bones-Konstrukt schon energisch mitgeklatscht. Als Herr Murphy mit der Gitarre auf die Bühne tritt, das Into zu Moving to New York erklingt und gleichzeitig die Sonne durch die Wolken bricht bestehen unsererseits keine Zweifel mehr – das kann nur gut werden. Auch wenn’s kurz darauf wieder von oben wässert, trübt das die Stimmung nur wenig. Ob wir zu Patricia the Stripper über den braunen Sandboden hüpfen, bei Kill the Director laut mitsingen oder zu Jump into the Fog eher wippend mit dem Kopf nicken – die Musik der Wombats macht einfach Spaß – bei jedem Wetter.

the-wombats-hurricane2014-4822Mit jeder Menge witzvoller und selbstironischer Ansagen sowie guter Musik erspielen sich die Wombats den ersten Platz auf der Tageshitliste. Um so mehr freut es uns zu hören, dass die drei Jungs von der Insel ihr neues Album bereits zur Hälfte aufgenommen haben und wir auch im folgenden Sommer voraussichtlich wieder an der einen oder anderen Ecke zu dem bisher sehr vielversprechenden neuen Material über das Gelände zappeln können. Großartig!

Achja, Fun Fact: Wenn die Wombats mal groß aufs Töpfchen müssen kommen da übrigens Würfel raus (also, bei den Tieren jetze). Wie die das machen, weiß keiner so richtig. Falls euch mal der Gesprächsstoff ausgeht könnt ihr das beim Smalltalk ja mal in den Raum werfen. Oder ihr werft’s euch bei den Donots gegenseitig ins Gesicht, da geht ja heutzutage alles.

Zum Abschluss des Tages schauen wir uns noch Interpol auf der Blue Stage an. Begleitet von melancholischen Klängen steht die offiziell in New York beheimatete Band in kaltes, rotes Licht gehüllt ab 22:30 auf der Blue Stage und präsentiert reichlich Material von der neuen Platte. Da bei den Songs abgesehen von den wenigen Ausnahmen, in denen das Schlagzeug alle anderen Instrumente vor sich her treibt, ohnehin nicht wirklich viel passiert, können wir uns das aber auch entspannt aus der Ferne angucken. So eine Musik mit viel Echo und Hall muss ja ohnehin erstmal atmen bevor sie einigermaßen gut in’s Ohr geht.

interpol-hurricane2014-5241Zum einen bietet uns Interpol eine willkommene Abwechslung zu dem über den Tag überproportional stark konsumierten straight & upbeat-Gedönse, zum anderen kann einem die eher lahme Taktung aber auch ganz schnell das letzte Quäntchen Energie aus dem Hut nehmen, wenn man von den Strapazen des Festivalalltags sowieso schon etwas angekratzt ist. Nach gut zwei Dritteln des Sets geht das auch uns so und wir entsagen dem musikalischen Trübsal. Wir haben schließlich nicht den halben Tag mit der Suche nach guter Laune verbracht um uns die wiedergefundene Lebensfreude innerhalb von einer halben Stunde wieder kaputt machen zu lassen.

lykke-li-hurricane2014-5488Weil bei Lykke Li an der Red Stage zu diesem Zeitpunkt schon so rappelvoll ist, dass sich selbst um die äußerste Absperrung ein beträchtlicher Saum aus laufroutenblockierenden Humanoiden gebildet hat, und einem in den hinteren Reihen an der Red Stage leider permanent das Gewummer von einer der beiden Hauptbühnen unangenehm durch die Ohrmuscheln bläst, beenden wir den offiziellen Teil unseres Samstags vergleichsweise frühzeitig. Dafür haben wir mehr Zeit, uns auf das eine oder andere Schmankerl am Sonntag zu freuen und uns endlich die gröbsten Residuen der westfälischen Publikumsanimation vom Leib zu waschen. Bis dahin!

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