Nachdem Anfang des Monats das größte Zwillingsfestival Deutschlands die Saison der richtig großen Festivals eröffnet hat, ist jetzt auch das im Kreis Rotenburg an der Wümme gelegene Dorf Scheeßel von 70.000 Menschen gestürmt worden, die das Hurricane Festival 2012 besuchen. Während sich die Autoschlangen bis weit in die Nachbardörfer stauten, waren die zugfahrenden Besucher besser dran. Über Bremen ließ es sich entspannt anreisen – und vom Bahnhof zum Campingplatz ist es ein lockerer Fußmarsch von 20 Minuten, auf dem man sich mit Wegbier und vielen anderen Besuchern auch schon in Campingstimmung bringen kann.
Die Anreise am Donnerstag dient schließlich nicht nur dem Ergattern eines besseren Zeltplatzes, sondern auch dem Genuss der Campingstimmung, wenn noch keine lästigen Nebeneffekte wie Bands davon abhalten. So finden sich am Donnerstagabend schon alle paar Meter Flunkyball spielende Gruppen, es wird ausgiebig gegrillt („ich will nicht essen, ich will grillen!“) und je nachdem wo man entlang läuft, muss man sich entweder einer Schönheitsjury aussetzen oder sich im Limbo beweisen.
Freitag geht es dann aber aufs Festivalgelände, um Musik zu genießen. Mein erster Programmpunkt sind Hoffmaestro aus Schweden, die die Blue Stage (die zweite der beiden großen Bühnen) mit zehn Leuten – davon drei Schlagzeuger – ganz schön voll machen. Mit einer Mischung aus Pop, Dance und Ska mit Elementen der Elektro-Szene lässt sich dazu großartig feiern. Jeder Song heizt das Publikum mehr an, die Motivation der Band und die Aktionen des Sängers tun ihr übriges. Am Ungewöhnlichsten dürfte dabei wohl das laufende Publikum sein: Während sich der Sänger auf der Bühne bewegt, läuft das Publikum ebenfalls in die entsprechende Richtung. So wurden wir alle ganz schnell durchgemischt.
Jennifer Rostock ist da nochmal eine ganz andere Rampensau, nämlich die Frau für klare Ansagen: „Festivalzeit ist Tittenzeit!“ So viel Bewegung wie bei Hoffmaestro ist hier nicht dabei, dennoch ist das Publikum gut drauf und eine mutige Zuschauerin darf sogar auf die Bühne. Die Glückliche bekam dann erstmal zwei Prosecco ausgegeben und wurde dann mit einem dritten in einen riesigen Gummireifen gesetzt – „schön mit dem Arsch in das Loch, dann kann man den angrabschen!“ und auf Crowdsurfing-Tour geschickt.
Etwas später waren dann auf der Green Stage mehr Schweden angesagt. Royal Republic gaben sich die Ehre und sorgten wie üblich für riesige, harte Moshpits in allen Wellen. Auch neue Songs vom kommenden Album „Save The Nation“ waren im Gepäck dabei, aber zu den bekannten Knallern wie „Full Steam Spacemachine“ oder „Underwear“ ging das Publikum doch noch mehr ab. Aber darauf war man eben vorbereitet – ebenso wie auf „Tommy-Gun“ als Abschluss.
Nach einer ausgiebigen Chill- und Esspause ging es dann ins Zelt zur White Stage, der kleinsten Bühne des Hurricane und der einzigen mit Zuschauerbeschränkung. Etwa 4000 Zuschauer fasst das weiße Zelt – genug für Supershirt. An so einer kleinen Bühne finden sich vor allem Fans – so wurde schon während der Umbauphase und des Soundchecks ständig von irgendwo „8000 Mark“ gegröhlt. Pünktlich um neun ging’s dann richtig los und Supershirt hauten uns 80 Minuten Elektropunk um die Ohren. „Wenn ihr euch ein Handtuch auf den Kopf setzt, seht ihr immer aus wie Rapper!“ lernten wir und rappten kräftig mit. Neben reichlich alten Songs präsentierten Supershirt auch ihre gerade heraus gekommene Single „Brennende Flügel“ und natürlich gab’s auch Klassiker wie eben „8000 Mark“ oder die „Nachtjacke“, für die das Zelt soweit wie möglich in Dunkelheit gehüllt wurde – nur das kreisrunde Logo auf der Videoleinwand blieb als „Säufersonne“. Später wurde dann noch zu „russischem Volkstanz“ gefeiert („wurde euch allen als Kinder ins Hirn gebrannt“), der sich verdächtig nach einem bekannten Videospiel anhörte und in „Punk ist, was du draus machst“ überging.
Draußen an der Green Stage wurde während den Vorbereitungen für The Cure gerade das Konzert von der Blue Stage übertragen. Auf dem Campingplatz lief das Deutschlandspiel, so dass das Festivalgelände sich entsprechend geleert hatte und viele im Gras chillten. Zwischen den Sitzenden liefen einige Mädels mit Beziehungsstatus auf der Stirn herum, recht erfolglos – der Altersdurchschnitt war inzwischen deutlich gestiegen. Kein Wunder, waren doch die Headliner des Abends alle aus der Kategorie Altrocker.
The Cure ließen dann ihr Konzert nicht nur ruhig angehen, sondern chillten die ganze Zeit durch. Ständig in Nebel gehüllt lieferten sie kommentarlos eine bodenständige Altrocknummer nach der anderen ab. Nach der Party des gegen Ende komplett gefüllten Zeltes bei Supershirt riss mich das nicht vom Hocker, aber in den ersten beiden Wellen wurde entspannt getanzt. Weiter hinten und seitlich blieben die Leute einfach sitzen und hörten zu.
Mehr harte Elektromukke gäbe es von Sebastian auf der White Stage und entspannten Ska auf der Red Stage bei La Vela Puerca. Die Tanzenden verlieren bei The Cure trotz der bemühten eingestreuten Strobos nach und nach die Lust und auch die Band sieht nicht so glücklich aus – für einen Headliner ziemlich enttäuschend. Aber der Abschluss des Abends kommt ja noch.
Bei The Stone Roses ist zwar nichtmal mehr der erste Wellenbrecher voll, aber die Anwesenden feiern von Anfang an und springen mit, als die Band auf die Bühne kommt und das Konzert direkt mit dem Gitarrensolo von „I wanna be adored“ eröffnet. Das Solo wird auch für das gesamte Konzert das wesentliche Element bleiben – denkt man sich, „ach, den Song noch und das ist genug für heute“, kann es passieren, dass der Song eine Viertelstunde dauert, weil ein fast zehnminütiges Gitarrensolo darin enthalten ist.
The Stone Roses zeigen so, wie Altrocker auch auftreten können. Ein Solo jagt das nächste, der Sänger motiviert das Publikum immer wieder zum Springen und Mitklatschen und obwohl die Songs anständig rocken, wirkt die Band unglaublich entspannt, vor allem der Schlagzeuger spielt, als wäre es das Einfachste der Welt. Die Videoleinwand, die mal Grafiken, mal das Publikum oder die Band und mal einen mit psychotischen Effekten belegten Mix daraus zeigt, vollendet die Professionalität des Auftritts.
So kam das Hurricane nach und nach ins Rollen. Größere Überraschungen gab es keine und da man recht schnell zwischen den Bühnen wechseln kann, ist es trotz des eher bescheidenen Zeitplans möglich, viele Bands zu sehen. Am Samstag dürfte die Party also endgültig steigen, wenn sowohl tagsüber als auch abends vielversprechende Bands spielen.
Vom Hurricane berichtet der Konzertheld. Die bisher im Artikel verwendeten Bilder stammen aus dem Pressebereich des Hurricane und wurden von Jochen Melchior fotografiert. Die Hurricane Fotos von unserem Fotografen vor Ort werden wir noch ergänzen.
25. Juni 2012 um 19:14
[…] den großen Bühnen auf die Fans. Natürlich kommt das Hurricane 2012 nicht drei Tage (Freitag hier, Samstag da) ohne Regen aus, aber zu Zebrahead haben sich trotzdem etliche Zuschauer eingefunden. […]
20. August 2012 um 19:21
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