Es kam das zweite Juliwochenende und „alles wurde Amphi“.
Am Tanzbrunnen Köln fand das mittlerweile VII. Amphifestival statt, das vor sechs Jahren aufgrund seines raschen Wachstums von Gelsenkirchen nach Köln umgezogen war und dort, inzwischen zum 3. Mal ausverkauft, 16.000 überwiegend schwarz gekleidete Besucher um den Brunnen flanieren, Bands hören, tanzen, essen, trinken, einander kennen lernen oder anschauen, Schlange stehen oder einfach gemütlich rumsitzen ließ.
Für alles gab es von Samstag Mittag bis Montag früh genügend Zeit und Raum; ob auf dem Gelände um den Brunnen, an der Hauptbühne, im Theater, am Strandcafé oder im Staatenhaus mit neuem Cafébereich – war ständig irgendwo irgendetwas los. Bereits Samstag zu früher Festivalstunde, als wir das Gelände nach reibungsloser Einweisung auf einen der ausreichend vorhandenen Besucherparkplätze an langen Schlangen am Eingang vorbei (die aber, wie wir hörten, erstaunlich schnell voranschritten) betraten, waren vor den Bühnen bereits viele begeisterungswillige Menschen versammelt.
An der großen Bühne vorbei, wo die Menge schon gespannt auf den Auftritt von Staubkind wartete, bahnten wir uns den Weg durch die Verkaufsstände direkt ins Staatenhaus, in dem der Auftritt von Klangstabil bereits begonnen hatte und sich abzeichnete, was sich im Laufe der 2 Tage wiederholt bestätigen sollte: Man musste zum Einen wirklich entschlossen oder früh genug da sein, um eine Band wirklich von nahem zu erleben, und zum Anderen nach dem einen Platz suchen, wo die Darbietungen richtig gut klangen.
Im Staatenhaus litt der Hörgenuss immer wieder unter Störgeräuschen, die Abmischung an der Außenbühne klang zeitweise nicht ausgefeilt und auch sonst wurde uns schnell klar, warum an mehreren Ständen Gehörschutz erworben werden konnte. Einmal daran gewöhnt, boten Klangstabil ein gutes Konzert, das mit mehr akustischen als optischen Reizen einherging, aber sich anzuhören durchaus lohnte. Nach einer kurzen Stärkung am Getränkestand im neuen Cafébereich des Staatenhauses, an dem neben Sitzgelegenheiten auch noch eine kleine Einkaufszeile zu finden war, ging es direkt mit Mind.In.A.Box weiter, die seit dem WGT offenbar ihren (dort defekten) Computer repariert hatten und einen zwar wortkargen, aber netten Auftritt hinlegten. Es folgte Winterkälte und verstand es definitiv, soviel Krach zu erzeugen, daß es doch einige Festivalbesucher ganz fix wieder nach draußen an die Sonne trieb.
Nach soviel Unterhaltung am frühen Vormittag schlenderten wir an Melotron auf der großen Bühne vorbei und besetzten eine Couch im Strandcafé, wo noch ein paar gesanglich eher schiefe Klänge dieser Darbietung zu uns herüberschwappten. Vor dem Theater versammelte sich derweil die Schlange der teilweise vergeblich auf Einlass zum (wie uns berichtet wurde ziemlich guten) Dr. Bennecke – Vortrag Hoffenden. Die Hauptbühne wurde anschließend von Zeraphine betreten, die eine gute Show ablieferten. Frontmann Sven Friedrich, der am Sonntag noch einmal mit den Dreadful Shadows einen Auftritt hatte, wirbelte gewohnt energetisch über die Bühne, verbreitete gute Laune und verabschiedete sich schließlich mit einem fröhlichen „bis morgen“. Dagegen hatten wir nichts einzuwenden und schauten noch einmal ins Staatenhaus, in dem die Frozen Plasma – Besucher entschlossen tanzend der schon recht stickigen Luft trotzten. Da uns diese Entschlusskraft fehlte, reihten wir uns erst mal in die je nach Geschmack verschiedenen Schlangen an den Essens- und Getränkeständen ein und begaben uns dann an die Hauptbühne zu Samsas Traum, wo Frontmann Kaschte CDs und T-Shirts an das Publikum verteilte und sich ausgiebig feiern ließ.
Während wir hiernach am Strand unter Schirmen und den Klängen von Tanzwut dem Regen die nasse Schulter zeigten, gaben sich im Staatenhaus Grendel, In Strict Confidence (wir hörten eher verhaltene Urteile) und EBM-Altmeister Claus Larsen alias Leæther Strip das Mikro in die Hand. Kurz vor 19.00 Uhr lockten uns dann doch die Klänge der Krupps wieder vor die Außenbühne und wir wurden nicht enttäuscht – es stimmte (abgesehen vom immer noch fiesen Wetter) alles; der Ton, die Show, die Songs – für viele Besucher stellte der Auftritt das Festival-Highlight schlechthin dar, wie eine von uns am Sonntag durchgeführte, kleine Besucherbefragung ergab. Währenddessen hatte das Wetter das Staatenhaus in eine Sauna verwandelt – wer zu Suicide Commando noch reingekommen war, musste gefühlte 80% Luftfeuchtigkeit ertragen, wie uns von einigen verschwitzten Besuchern berichtet wurde.
Ganz so voll war es bei Hocico dann nicht, aber es reichte, um beim Weg durch die eifrig und ausladend tanzende Menge den einen oder anderen Arm abzubekommen und die Frage aufzuwerfen, wie die das machen, so ohne Atemluft. Auch bei Deine Lakaien, dem Headliner des Tages war trotz des inzwischen unerbittlich strömenden Regens kaum noch Platz. Wir sahen wenig Band, wohl aber gut eingesetzte Lichteffekte (z.B. grünes bei „Fighting the Green“) und beendeten den ersten Tag frühzeitig, während auf dem Gelände zur Aftershowparty im Theater noch ausgiebig weiter gefeiert wurde.
Der Sonntag kam und wir zu spät, so verpassten wir leider den Auftritt der Funkhausgruppe, ein junges Projekt bestehend aus Mitgliedern der vier Bands Welle:Erdball, Hertzinfarkt, Sonnenbrandt und Die Perlen, und Dreadful Shadows legten direkt mit einem mitreißenden Auftritt los. Dermaßen gut eingestimmt ging es für uns weiter ins Staatenhaus zu Clan of Xymox, die in einer gut gefüllten Halle einen schönen Mix aus Aktuellem und Klassikern vortrugen, so dass das Fehlen der Bassistin nur ein kleiner Wermutstropfen war. Danach trommelten In the Nursery der steigenden Besucherzahl ihre orchestralen Stücke „nie endender Intros“ (wie es ein Besucher witzig zusammenfasste) ins Ohr. Böse Zungen behaupteten allerdings, daß hier wie auch bei anderen Gruppen der Gott des Playbacks seine Hände zeitweise im Spiel hatte. War uns allerdings egal – die Show war gut. Der Plan, danach nur mal eben auf dem Gelände eine Runde zu drehen, scheiterte leider an zu viel Ablenkung durch bekannte Gesichter und unerbittliche Einkaufsreize, so dass Das Ich, die das momentan krankheitsbedingte Fehlen ihres Sängers Stefan Ackermann durch Gäste wie Myk Jung ausgleichen, nur wenig unserer Zeit erhielt. Nicht tragisch, da der Auftritt zwar „solide, aber nicht sonderlich mitreißend“ war, wie ein Gast treffend formulierte. Wir drücken auf jeden Fall die Daumen, dass Stefan bald wieder auf den Beinen ist und der Band ihr gewohntes Charisma zurückgibt.
Auf den Treppen zum Staatenhaus hockend schauten wir von außen zu, wie gegen Beginn des Feindflug – Auftritts viele schon wieder draußen bleiben mussten und statteten endlich dem Strandcafé, das es uns in diesem Jahr echt angetan hatte, mal wieder einen Besuch ab. Pünktlich zu Kirlian Camera standen wir dann wieder vor der Indoor-Bühne und klatschten mit den anderen begeistert zu einem mitreißenden Auftritt, der leider kurz von den schon erwähnten Störgeräuschen heimgesucht wurde. Danach war es leider schon Zeit für die letzte Band des Tages, Covenant.
Hinterlegt von wechselnden Lichteffekten aus großen Leuchtstäben boten die Schweden den tanzenden Massen Songs vom aktuellen Album und alle wichtigen alten Stücke und beendeten ihren Auftritt mit einer Zugabe unter großem Applaus. Auch auf der Hauptbühne war an diesem Tag allerhand passiert: Mit De/Vision, Agonoize und Saltatio Mortis verlief der Nachmittag auf jeden Fall musikalisch sehr abwechslungsreich. Wie schon desöfteren in letzter Zeit wußten die auch nicht mehr sooo taufrischen Nitzer Ebb live von sich zu überzeugen und Hauptbühnen-Headliner Subway to Sally sollen trotz undifferenzierter Tonmischung eine Menge Spaß gemacht haben. Im Theater gab es auch Sonntag Lesungen und Konzerte, wer am Vortag Mark Bennecke verpasst hatte, konnte heute noch einmal sein Glück versuchen. Und da wir des Abends nach Covenant feststellten, das Theatergebäude noch gar nicht besucht zu haben, warfen wir uns dort zur Abschlußparty ins Getümmel. Im Theater legten von zwei Gogo-Tänzerinnen umrahmt wechselnde DJs leider eine nur wenig wechselnde Electro- / EBM-Mischung auf, doch das tat der allgemeinen Hoppelwilligkeit keinen Abbruch und so tanzten wir mit vielen anderen, die auch noch nicht gehen wollten, vergnügt in die Nacht.
Damit war das Amphi dann auch leider schon wieder vorbei. Dass das Konzept aufgeht, beweisen die Besucherzahlen und die Tatsache, dass wirklich zu jeder Zeit an jeder Bühne eine begeistert klatschende Menge versammelt war, was natürlich auch den Nachteil hat, dass es immer überall voll ist und man gute Nerven, gute Augen oder gute Plateauschuhe braucht, um richtig viel zu sehen. Geduld war auch beim Anstehen nötig, sei es an den Toiletten oder an Getränke-, wie (für Festivalverhältnisse wirklich guten) Essensständen, deren Preise einem wie jedes Jahr die Tränen in die Augen treiben könnten, hätte man nicht so viel Angst um die Schminke. Dementsprechend lang waren auch die Schlangen am Trinkwasserhahn. Offenbar gab es dafür aber schon so viel Kritik, dass man sich sogar auf der Amphi-Seite dafür entschuldigt, dass im Tanzbrunnen das Catering ausschließlich von den Haus-Gastronomen gestellt wird und auch gegen das Mitbringverbot kein Kraut gewachsen ist.
Tja, da kann dann scheinbar auch der Veranstalter wohl nichts machen. Insgesamt trotzdem ein sehr schönes Festival mit netter Security auf einem tollen Gelände, auf dem es sogar einen Kinderspielplatz und im Staatenhaus vor der Bühne einen speziellen erhöhten Bereich für Menschen mit Behinderung gibt. Die Bandauswahl ist abwechslungsreich, die Auftritte ausgesprochen pünktlich, die Stände und das Rahmenprogramm vielseitig und lassen kaum Platz für Langeweile. Für das nächste Amphi hat der Kartenverkauf übrigens bereits begonnen und die ersten Bands stehen fest. Wir wünschen frohes Tage-Zählen und sehen uns in Köln…
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Beste Bands: 1. Die Krupps (Gesamteinsatz), 2. Hocico (Energieleistung), 3. Covenant (Songmixtur)
Beste Stände: 1. Pizzastand (lecker), 2. Individualdruck-T-Shirt-Stand (tolle Motive), 3. Strandbar (Auswahl)
es berichteten die Nuss und der Cutter
Das Amphi Festival 2012 findet vom 21.-22. Juli 2012 statt.
25. Juli 2011 um 20:59
[…] berichteten vom Amphi Festival 2011 – 16.000 Besucher feierten im Kölner […]